Kommentar

Zu wenig, zu spät

Die Ergebnisse der Klimakonferenz in Bali machen den Fortschritt immerhin denkbar, den die Menschheit braucht, um den Treibhauseffekt rechtzeitig zu begrenzen. Um ihn wahrscheinlich zu machen, hätten die Beschlüsse deutlicher ausfallen müssen.

[ Von Hans Dembowski ]

Am Schluss war die US-Delegation bei der Klimakonferenz in Bali völlig isoliert. Wäre sie stur geblieben, wären die USA das Land gewesen, an dessen Veto ein von 186 anderen Ländern getragenes Weltabkommen scheitert. Also lenkten Washigtons Emissäre ein. Der Druck der Weltgemeinschaft auf die Supermacht hat mithin eine diplomatische Katastrophe verhindert. Ob er reichen wird, die Klimakatastrophe abzuwenden, bleibt ungewiss.

In Bali ist nur das erreicht worden, was unbedingt nötig war. Die Weltgemeinschaft hat immerhin einen Fahrplan, um in Detailverhandlungen bis 2009 ein neues globales Emissionsabkommen auszuarbeiten. Es wäre sicherlich hilfreich gewesen, schon in Bali Reduktionsziele zu benennen. Zumindest ist nun aber festgeschrieben, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse des International Panel on Climate Change (IPCC) die Grundlage des gemeinsamen politischen Handeln sind.

Das IPCC geht bekanntlich davon aus, dass die Treibhausemissionen der Industrieländer bis 2020 um 25 bis 40 Prozent unter das Niveau von 1990 sinken müssen, um den durchschnittlichen Anstieg der Welttemperatur auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Weltweit müssen diese Abgase bis 2050 sogar um 50 Prozent sinken.

Diese Ziele wären völlig unerreichbar geworden, wäre die Konferenz in Bali ohne Beschlüsse zu Ende gegangen. Ohne internationale Kooperation lässt sich kein Weltproblem lösen. Der Verhandlungsplan, der in Bali verabschiedet wurde, macht den nötigen Fortschritt immerhin denkbar. Um ihn wahrscheinlich zu machen, hätte das Verhandlunsmandat deutlicher ausfallen müssen.

Einige Schritte in die richtige Richtung wurden getan. Amtlicher Konsens ist nun nicht mehr nur, dass die reichen Länder ihre Treibhausgase senken müssen. Auch die Entwicklungs- und Schwellenländer müssen mess- und überprüfbare Leistungen bringen. Festgehalten wurde zudem, dass die reichen Länder sie dabei aber unterstützen müssen – und zwar über deren eigenen umweltpolitischen Anstrengungen hinaus.

Länder wie Indien und China beharrten zurecht darauf, dass dem so sein muss. Pro Kopf sind ihre Treibhausgase schließlich viel niedriger als die der reichen Nationen; und das, was die Menschheit heute schon an Klimawandel erlebt, haben die Vorreiter und nicht die Nachzügler der Industrialisierung zu verantworten. Die US-Forderung, alle Staaten müssten gleich behandelt werden, war von vornherein absurd.

Eine zweite wichtige Entscheidung war, den Fonds, der arme Staaten dabei unterstützt, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen, mit einem zweiprozentigen Aufschlag auf CDM-Transfers zu finanzieren. Das Kürzel steht für den internationalen Emissionshandel im „Clean Development Mechanism“, der es erlaubt, Umweltsünden in einem Land durch Emissionseinsparungen anderswo wett zu machen. Bis 2012, so die offizielle Schätzung, werden so 80 bis 300 Milliarden Dollar für die Anpassung für den Klimawandel zusammenkommen. Dass die Zahl vage bleibt, ist in diesem frühen Verhandlungsstadium nicht schlimm. Die Größenordnung weist in die richtige Richtung.

Zu begrüßen ist drittens, dass die Wälder der Welt als wichtige CO2-Senken künftig ernst genommen werden. Was die Details angeht, blieb Bali naturgemäß noch vage. Fest steht aber, dass internationale Klimaverhandlungen das Thema aber zu lange ausgeklammert haben – mit der Folge, dass das Gastgeberland Indonesien wegen Entwaldung inzwischen zu den größten Treibhausemittenten der Welt gehört.

Das Kyoto-Protokoll ist inzwischen zehn Jahre alt. Es bleibt eine deprimierende Tatsache, dass menschliches Handeln in dieser Dekade den Treibhauseffekt nicht gebremst, sondern im Gegenteil beschleunigt hat. Die Menschheit hat keine Zeit mehr zu verlieren – aber die nötige Entschiedenheit zu handeln, ist noch nicht überall zu erkennen.

Positiv ist sicherlich, dass China, Indien, Brasilien als aufstrebende und einflussreiche Entwicklungsländer nicht destruktiv aufgetreten sind, auch wenn sie auf berechtigten Ansprüchen beharrten. Diesen Regierungen scheint aber klar zu sein, welch immense Bedrohung der Klimawandel für ihre Nationen bedeutet. Sie haben Scheitern in Bali nicht auf eigene Faust riskiert. Leider lässt sich das von der US-Regierung nicht sagen.

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