Agenda 2030

UN-Entwicklungsziele „kaum noch erreichbar“

Eigentlich sollte die Weltgemeinschaft auf dem besten Weg sein, Hunger und Armut endgültig zu beseitigen. Doch dieses Ziel sei zur Halbzeit der Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung in weite Ferne gerückt, beklagen zivilgesellschaftliche Organisationen.
Viehhalterin im von Dürre geplagten Äthiopien. Welthungerhilfe Viehhalterin im von Dürre geplagten Äthiopien.

Die 2015 von den UN gesteckten 17 SDGs (Sustainable Development Goals – Ziele für nachhaltige Entwicklung) sind bis zur Zielmarke 2030 „kaum noch erreichbar“, bilanziert Welthungerhilfe-Chef Mathias Mogge. Nachdem es jahrzehntelang große Fortschritte bei der Hunger- und Armutsbekämpfung gab, steigt die Zahl der Menschen, die von akutem Hunger betroffen sind, seit 2018 kontinuierlich an, berichtet der „Global Report on Food Crises 2023“, den UN und EU mitherausgeben.

Demzufolge litten vergangenes Jahr 258 Millionen Menschen in 58 Ländern an akutem Hunger. Ein Jahr zuvor waren es 193 Millionen Menschen. In sieben Ländern stehen Menschen heute am Rande des Hungertodes.

Auch die Zahl der Menschen, die so arm sind, dass sie auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, wird in diesem Jahr laut Auswärtigem Amt auf 339 Millionen Menschen steigen, das sind etwa 100 Millionen mehr als vergangenes Jahr. Dramatisch sieht es auch mit der Zahl der weltweit vertriebenen und geflüchteten Menschen aus. Diese hat aktuell laut dem UN-Flüchtlingswerk UNHCR erstmals die Marke von 110 Millionen erreicht.

„Ich sehe es mit großer Sorge, dass wir wieder Rückschritte bei der Armuts- und Hungerbekämpfung gemacht haben“, sagte Mogge bei der Vorstellung des „Kompass – Zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik“. Diesen Bericht geben die Welt­hungerhilfe und terre des hommes (tdh) seit 30 Jahren jährlich heraus. Als Hauptgründe für die Rückschritte nennt der Kompass die Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine sowie die zunehmenden Wetterextreme, die die Nahrungsversorgung in vielen Ländern verschlechterten.

Öffentliche Entwicklungshilfe gestiegen

Positiv betrachten Welthungerhilfe und tdh, dass die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA – official development assistance) der Bundesregierung seit drei Jahren den von den UN geforderten 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) entspricht. Mit 0,83 Prozent erreichte die deutsche ODA vergangenes Jahr sogar den bislang höchsten Anteil am BNE. In Zahlen sind das 33,3 Milliarden Euro ODA und ein Zuwachs von 13,5 Prozent zu 2021. Ein Teil dieses Plus ergibt sich daraus, dass die Ausgaben für in Deutschland lebende Geflüchtete in diesem Zeitraum um 77 Prozent gestiegen sind. Die meisten Geflüchteten kamen aus der Ukraine.

Die Hilfsorganisationen fordern, die deutsche ODA dürfe keinesfalls wieder unter das Niveau von 0,7 Prozent des BNE fallen. Sie sind alarmiert, weil die Haushaltspläne der deutschen Regierung für 2024 eine drastische Kürzung der Mittel vorsehen. „Das wäre ein fatales Signal und ein großer Rückschritt“, betont Joshua Hofert von terre des hommes. Deutschland dürfe seine Vorreiterrolle als zweitgrößter Geber gemessen an der Höhe der Aufwendungen nicht aufgeben – größter Nettozahler sind die USA.

Mehr ODA muss nach Ansicht der Organisationen bei den am geringsten entwickelten Ländern ankommen, von denen die meisten in Subsahara-Afrika liegen. Obwohl diese Länder am meisten von Klimakrise und Konflikten betroffen sind, bleibt die deutsche ODA dort seit Jahren auf gleichem Niveau.

Lobend äußerte sich Mogge zum aktuellen Kurs einer „feministischen Entwicklungspolitik“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Damit habe das BMZ ein starkes Signal gesetzt. Es gelte aber, auf Frauen- und Menschenrechte auch in schwierigem politischem Umfeld zu pochen.

Eines der schwierigsten Länder ist Afghanistan, das seit der Machtübernahme der radikal-islamistischen Taliban Frauen systematisch unterdrückt. Sowohl Welthungerhilfe als auch terre des hommes sind weiter in Afghanistan tätig und setzen sich für Frauenrechte ein. Dies gelinge derzeit aber nur in Verhandlungen mit „lokalen Machthabern und in sehr kleinteiligen Bereichen“. Eine Perspektive auf baldige Besserung der Situation sehen die Experten nicht.

Links

Global Report on Food Crises 2023:
https://www.fsinplatform.org/global-report-food-crises-2023

Kompass – Zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik:
https://www.welthungerhilfe.de/informieren/themen/politik-veraendern/kompass-2023

Sabine Balk ist Redakteurin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und freie Mitarbeiterin bei E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu

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