Ethnische Minderheit

Bislang verschont

Obwohl die Corona-Pandemie Indien schwer getroffen hat, sind unsere zwei Adivasi-Dörfer in Westbengalen bisher von Infektionen verschont geblieben. Die wirtschaftlichen Folgen spüren wir aber sehr wohl.
Maskentragen ist Pflicht. Boro Baski Maskentragen ist Pflicht.

Die Santal sind eine ethnische Minderheit der Adivasi, der Nachkommen der Ureinwohner des indischen Subkontinents. Rund 7,4 Millionen Santal leben in Ostindien, Bangladesch und Nepal. In unserem Distrikt in Westbengalen gibt es mehrere Santal-Dörfer. Wir benutzen dort Masken, halten Abstand und waschen uns regelmäßig die Hände – was gar nicht so einfach ist, da die Häuser kein fließendes Wasser haben.

Das hinduistische Kastensystem hat die Santal in der Vergangenheit auf Distanz gehalten. Hauptsächlich, aber nicht nur Angehörige hoher Hindu-Kasten haben unsere Nähe gemieden. Ihre Häuser und Grundstücke durften wir nicht betreten.

Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte sind diese Konventionen schwächer geworden, aber es gibt sie immer noch. Manche Brunnen dürfen wir nicht benutzen, abwertende Gesten und Beleidigungen sind nach wie vor an der Tagesordnung. In der aktuellen Gesundheitskrise hat die Diskriminierung jedoch geholfen, unsere Dörfer von Infektionen freizuhalten.

Santal leben traditionellerweise in eng verbundenen Gemeinschaften zusammen. Abgesehen vom Kochen, Essen oder Schlafen, verbringen die Santal den größten Teil des Tages auf der staubigen Hauptstraße des Dorfes. Die Feldarbeit wird gemeinsam erledigt, und die Frauen verrichten ihre täglichen Arbeiten, zu denen beispielsweise das Sammeln von Feuerholz im Wald gehört, in Gruppen. Abstand zu halten ist sehr ungewohnt, aber die Menschen gewöhnen sich allmählich daran.

Auch das Tragen von Masken ist unbequem. Generell halten sich die Frauen eher daran als die Männer – denn sie übernehmen die Verantwortung für ihre Familien. Aus Angst vor Infektionen akzeptieren aber die meisten Menschen die Maskenpflicht, und die Polizei setzte sie in unserem Distrikt auch eine Zeitlang streng durch. Das ist jetzt nicht mehr so, und so sind auch manche Santal nachlässiger geworden.

Eine Zeitlang gab die Regierung von Westbengalen kostenlose Essensrationen aus. Das war für die Armen eine große Erleichterung. Manche Santal arbeiten als Tagelöhner in den Städten, haben aber während des Lockdowns ihre Arbeit und ihr Einkommen verloren. Viele kehrten in ihre Heimatdörfer zurück und waren dringend auf Unterstützung angewiesen. Die Dorfgemeinschaften sorgten dafür, dass sie zunächst in Quarantäne gingen, um das Virus nicht zu verbreiten.

Die Feldarbeit wurde stillschweigend fortgesetzt. Viele Santal haben aus der Pandemie die Lehre gezogen, dass die Landwirtschaft letztlich den sichersten Lebensunterhalt bietet. Auch wenn andere Bereiche lahm liegen, geht es dort weiter.

Die Jagd gehört ebenfalls zu unserer traditionellen Lebensweise. Medienberichten zufolge wurden während des Lockdowns doppelt so viele Wildtiere geschossen wie sonst, darunter Vögel, Mäuse, Wildschweine und andere. Da die Schulen geschlossen waren, kamen auch viele Kinder mit auf die Jagd.


Boro Baski arbeitet für die Gemeindeorganisation Ghosaldanga Adibasi Seva Sangha in Westbengalen. Die Nichtregierungsorganisation wird vom Freundeskreis Ghosaldanga und Bishnubati unterstützt. Er hat als erstes aus seinem Dorf eine Hochschule besucht und ist der erste mit einem Doktortitel (in sozialer Arbeit).
borobaski@gmail.com

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