Leserbriefe

Ursachen afrikanischer Armut

Drei Leser haben uns Stellungnahmen zu Beiträgen geschickt, die in unserem letzten Druckheft standen. Wir haben beschlossen, diese Reaktionen auch auf die Website zu stellen, da die Beiträge ebenfalls hier erschienen sind.

Innovative Politik

Betr.: Reinhard Woytek, Leserbrief: „Investitionen sind der Schlüssel zu guter Arbeit“, E+Z/D+C e-Paper 2017/11, S. 11

Marktöffnung hat in Indien in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich zu mehr Investitionen geführt, aber das allein reicht nicht, um die Plage der Armut zurückzudrängen. Innovative Sozialpolitik ist nötig, was Reinhard Woytek ausblendet, wenn er warnt, Solidarität laufe auf die Subventionierung ineffizienter Staatsbetriebe hinaus. In Indien hat der Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act, der Arbeitslosen Anspruch auf 100 Tage Beschäftigung zum gesetzlichen Mindestlohn gibt, in einigen besonders rückständigen Agrarregionen einiges bewirkt. In Lateinamerika waren konditionierte Transfers nützlich.

Ich finde zudem, im Zeitalter der Globalisierung sollten alle internationalen Dimensionen bedacht werden. Bekanntlich werben reiche Nationen Gesundheitspersonal aus Entwicklungsländern ab. Sollten sie nicht im Sinne internationaler Solidarität auch dafür sorgen, dass die Löcher gestopft werden, die sie so aufreißen? Eine Möglichkeit wäre, den Entwicklungsländern die Nutzung von Generika zu gewähren, statt auf Patentschutz großer Pharmakonzerne zu bestehen, wodurch der Medikamentenpreis zehnfach über den Produktionspreis steigt und für Bürger in Entwicklungsländern unerschwinglich wird.

Dr. A.K. Ghosh, Kalkutta


Massive negative Auswirkungen

Betr.: Ndongo Samba Sylla: „Weshalb das westliche Modell scheitert“, E+Z/D+C e-Paper 2017/10, S. 24, und Reinhard Woytek, Leserbrief: „Investitionen sind der Schlüssel zu guter Arbeit“, E+Z/D+C e-Paper 2017/11, S. 11

Mit großem Interesse habe ich den Schwerpunkt formelle und informelle Beschäftigung gelesen und finde die Beiträge insgesamt lesenswert, informativ und anregend. Besonders haben mir die Ausführungen von Ndongo Samba Sylla gefallen, dem es gelingt auf knapp zwei Seiten die wirtschaftliche Situation treffend zu beschreiben, auf die wichtigsten Probleme des Arbeitsmarkts hinzuweisen und Vorschläge für ein alternatives Entwicklungsparadigma zu machen. Umso mehr hat mich der Leserbrief schockiert.

Ich muss leider immer wieder feststellen, dass sich sogenannte Experten Urteile anmaßen, die auf wenig oder keiner Sachkenntnis beruhen. Ich will hier nicht auf einzelne Behauptungen des Leserbriefschreibers eingehen, sondern beschränke mich auf seine positive Meinung über die Folgen der Strukturanpassungsprogramme in den 80er und 90er Jahren, welche die massiven negativen Auswirkungen total ausblendet. Um nur eine Stimme aus Afrika dazu zu zitieren: Moussa Tschangari, ein Menschenrechtler aus Niger, sagt im letzten Rundbrief von medico international zu diesem Thema: „Die größte Herausforderung vor Ort liegt darin, eine Regierung zu bilden, die in der Lage ist, den Abstieg aufzuhalten. Das geht aber nur, wenn man versteht, wie Niger in diese Lage geraten ist. ... In erster Linie ist es die Folge einer jahrelang verfolgten Strukturpolitik, die die öffentlichen Dienstleistungen zerstört hat, im Gesundheitsbereich, im Bildungsbereich, bei der Lebensmittelversorgung, letztendlich in allen grundlegenden Bereichen.“

Und zu der Behauptung, dass ausländische Investoren Arbeitsplätze schaffen würden, wenn man nur den „freien Markt“ walten ließe: „Das ist ein Bluff (...) Vor allem darf man die Reformen nicht vergessen, die mit den Strukturanpassungsprogrammen in den 1980er Jahren verbunden waren. Es gab Reformen des Arbeitsgesetztes, die den Arbeitsmarkt dereguliert haben, der Minengesetze, der Ölgesetze, der Investitionsgesetze und vieles mehr. Sie alle haben letztlich die vorteilhaftesten Bedingungen für die Unternehmen geschaffen. Über Jahrzehnte wurde das Land geöffnet und vollständig liberalisiert. Man hat den Investoren Tür und Tor geöffnet und alles für sie getan. Aber sie sind trotzdem nicht gekommen.“ So könnte man jede einzelne Behauptung des Leserbriefschreibers widerlegen, aber ich will es dabei belassen.

Eva-Maria Bruchhaus, Köln


Orientalischer Sklavenhandel

Betr.: Kehinde Andrews: „Wir reden über wirklich große Summen“, E+Z/D+C e-Paper 2017/11, S. 30, und Hans Dembowski: „Düstere Ära“, E+Z/D+C e-Paper 2016/10, S. 6

Es fällt auf, dass in allen Debatten zu Reparationsforderungen immer vom westlichen Sklavenhandel die Rede ist. Der sogenannte orientalische Sklavenhandel, unter anderem für die Soldatenrekrutierung indischer Sultanate und für den Arbeitskräftebedarf in den arabischen Ländern, findet fast nie Erwähnung, obwohl Schätzungen davon ausgehen, dass seit dem 8. Jahrhundert eine größere Anzahl von Afrikanern gefangen und als Sklaven in den Osten transportiert wurden. (Eine Quelle zum Beispiel: Roland Oliver und Gervase Mathew, Hg.: History of East Africa, Oxford 1963.)

Was in der Rezension von Shashi Tharoors Buch über den britischen Imperialismus in Indien zu lesen ist, kommt mir zudem recht bekannt vor. Ich bin erstaunt, dass Karl Marx überhaupt nicht erwähnt wird, der schon 1853 alles das beschrieben hat, was in diesem Artikel dargestellt wird („Die britische Herrschaft in Indien“, New York Daily Tribune, Nr. 3804 vom 5. Juni, auf Deutsch in: Ausgewählte Schriften, Band I, Berlin 1979).

Klaus von Freyhold, Bremen

 

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