Journalistenausbildung

Mehr Teilhabe der indigenen Bevölkerung

Jahrhundertelang wurden die indigenen Völker Boliviens unterdrückt. Nun nehmen sie eine aktive Rolle in der Entwicklung des Landes wahr. Und mehr noch: Jetzt haben sie auch eine Stimme in den Medien. Das Radioproduk­tionszentrum CEPRA bildet Mitglieder der indigenen Bevölkerung zu Journalisten aus.
Radiomacherin Rosa Jalja beim Interview. Vierecke Radiomacherin Rosa Jalja beim Interview.

In den vergangenen acht Jahren hat die Regierung von Evo Morales in Bolivien viele strukturelle Veränderungen durchgeführt – auch im Bereich der Medien: Erstmals findet sich das Recht auf ­Information und Kommunikation in der nationalen Verfassung wieder. 2011 wurde ein Telekommunikationsgesetz verabschiedet, das die Frequenzen zwischen staatlichen, privaten und kommunalen Radios gleichmäßig verteilt – bis 2017 soll nur noch ein Drittel der Radios kommerziell ausgerichtet sein. Das zweite Drittel stellen staatliche Sender, das letzte Drittel der Frequenzen teilen sich Basisgruppen, Indigene, Kleinbauern und Gewerk­schaften.

Im Zuge der neuen Politik gründete der Staat in 40 indigenen Kommunen im ganzen Land Radios, die so­genannten Radios de Pueblos Originarios (RPO), „Radios der indigenen Völker“. Hinzu kommen 80 weitere Kommunalradios mit einer ähnlichen Ausrichtung.

In diesen neu geschaffenen Stationen fehlt es an ausge­bildeten Journalisten, die professionell Nachrichten oder andere journalistische Formate produzieren können. Das Radioproduktionszentrum CEPRA (Centro de Producción Radiofónica) in Cochabamba versucht, diesen Mangel zu beheben und bildet Journalisten – sogenannte „comunicadores populares“ – aus.

Unter „comunicadores populares“ versteht man in Bolivien jene Radiomacher, die aus ländlichen Kommunen kommen und sozialen Organisationen angehören. Sie werden fort­gebildet, um die Menschen vor Ort zu informieren, sind also eine Art Bürgerjournalisten. Sie arbeiten insbesondere in Regionen, in denen die Bewohner zuvor kaum Zugang zu Informationen hatten und über die nur selten berichtet wurde. Das Medium Radio in diese Ortschaften zu bringen erhöht die Teilhabe dieser Menschen am politischen und gesellschaftlichen Leben in Bolivien.

Aufgabe von CEPRA ist es, indigene Journalisten aus- und fortzubilden, das heißt, ihre journalistischen Kenntnisse und Fähigkeiten zu verbessern. Das leitende Motto lautet: Es gibt keine Entwicklung ohne Teilhabe, und es gibt keine Teilhabe ohne Kommunikation.

CEPRA wurde im Jahre 1980 als eine private, gemeinnützige Organisation gegründet, die anfänglich vor allem Radio-­Novelas produzierte. Damals war Bolivien noch eine Diktatur. Diese Radiofortsetzungsgeschichten – ausgestrahlt in den indigenen Sprachen Quechua und Aymara, aber auch auf Spanisch – waren für viele Oppositionelle eine relativ ungefährliche Möglichkeit, unterschwellig Kritik an der Regierung zu üben.

Seit seiner Gründung organisiert CEPRA Fortbildungen im Hörfunkbereich, um eine aktive Bürgerschaft und kritische Öffentlichkeit in Bolivien zu fördern. Zusätzlich betreibt CEPRA seit neun Jahren auch sein eigenes Radionetzwerk, mit einem Sendezentrum in Cochabamba, das in den Sprachen Spanisch, Quechua, Aymara und weiteren indigenen Sprachen sendet. Dieses Netzwerk begann 2005 mit einem Zusammenschluss von kommunalen Radios, mit dem Ziel, alle Gesellschaftsschichten in Kommunikationsprozesse zu integrieren und alternative Formen der Bildung anzubieten.

Die CEPRA-Workshops folgen dem Prinzip der dualen Ausbildung: Es wird sowohl Theorie als auch Praxis vermittelt – alles im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes des bolivianischen Kommunikationsministeriums, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und CEPRA. Die Arbeit von CEPRA umfasst folgende Aspekte:

  • Ausbildung: Die journalistische Fortbildung, wie beispielsweise das Handwerkszeug für eine gute Recherche, trägt zur Produktion besserer journalis­tischer Produkte bei.
  • Regionale Netzwerke: Die Netzwerke lokaler Radios (im Hochland, den Tälern und im Tiefland) teilen CEPRA die Forderungen und Bedürfnisse der lokalen Organisationen mit und bieten dadurch einen wichtigen Raum zum Austausch zwischen den Radiomachern und den zivilgesellschaftlichen Organisationen.
  • Zertifizierung: Gemeinsam mit dem Kommunikations- und mit dem Bildungsministerium definiert CEPRA die Standards und die Anforderungen für eine Anerkennung und Akkreditierung der neu ausgebildeten Bürgerjournalisten durch den Staat. Damit soll Menschen, die in den meisten Fällen keine akademische Ausbildung haben, aber über oft langjährige Praxiserfahrung verfügen, die Möglichkeit gegeben werden, sich ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zertifizieren zu lassen.


Bis heute hat CEPRA 400  Radiomacher ausgebildet; 120 davon haben mit der Ausbildung während der Amtszeit von Evo Morales begonnen. Seine Regierung unterstützt die Arbeit von CEPRA, da sie die Medienlandschaft demokratisiert und besonders die sozial ausgerich­teten Kommunalradios und die Radios der indigenen Völker fördert. So finanziert die Regierung die komplette technische Ausstattung der Radios de Pueblos Originarios (RPO) – Radios der indigenen Völker – sowie das Gehalt eines Radiomachers in je einer der 40 neu geschaffenen RPOs.

Es geht nicht nur darum, denjenigen eine Stimme zu geben, die jahrhundertelang marginalisiert wurden, sondern darum, die Bürgerschaft zu stärken, damit die Menschen selber die Akteure des sozialen Wandels werden.

 

Juan Ordoñez Caetano ist Journalist und Ausbilder bei CEPRA und lebt in Cochabamba, Bolivien. juanor18mana@yahoo.com

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