Wirkungsmessung

Höhere Lebensqualität

Eine der größten agrarischen Public-private Partnerships (PPP)
in Afrika bringt Baumwollbauern im Vertragsanbau mit dem textilen Einzelhandel aus Europa zusammen. Die Landwirte werden in nachhaltiger Produktion geschult und ihre Baumwolle wird als „Cotton Made in Africa“ vermarktet. Die Bauern verdienen, wie erste Evaluierungsergebnisse zeigen, deutlich mehr als vorher.

Von Roger Peltzer und Susanne Neubert

Die Initiative Cotton Made in Africa (CmiA) startete 2005 Pilotprojekte in drei afrikanischen Ländern. Die von der Otto Gruppe, einem weltweit tätigen Einzelhandelskonzern, gestartete Aid By Trade Foundation (AbtF) arbeitet daran, CmiA in den Industrieländern als Marke zu etablieren. Seit Ende 2008 fördern zudem die Bill & Melinda Gates Foundation und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das Projekt.

Die Gates Foundation und das BMZ stellen für die Jahre 2009 bis 2012 zusammen 30 Millionen Dollar zur Verfügung, um diese PPP auszubauen, die Landwirte in mittlerweile sechs Ländern unterstützt: Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, ­Malawi, Mosambik und Sambia. Rund 300 000 Baumwollbauern sollen im Rahmen dieser „Competitive African Cotton Initiative“ (COMPACI) neue Anbaumethoden erlernen, um ihre Erträge und ihr Einkommen zu steigern. Die AbTF verpflichtete sich im Gegenzug, Märkte für nachhaltige Baumwolle zu erschließen.

Im Jahr 2010 wurden zehn Millionen Kleidungsstücke mit dem Label von CmiA verkauft. Das entspricht einem Marktwert von 70 bis 80 Millionen Euro. Dafür wurden rund 4000 Tonnen zertifizierter Baumwolle aus Afrika verarbeitet. Wichtige Vertragspartner von CmiA sind große Firmen wie Tchibo, Puma, Otto, Rewe und neuerdings C&A. Lizenzgebühren und Partnerschaftsbeiträge brachten 2010 knapp eine Million Euro Einnahmen. Die AbTF und ihre Vermarktungsgesellschaft sind deshalb kaum noch auf öffentliche Zuschüsse angewiesen. Von 2013 an sind Überschüsse aus Lizenzeinnahmen zu erwarten, die in Afrika re-investiert werden sollen.

CmiA verkauft sich in Deutschland zwar besser als fair gehandelte Baumwolle, ein Massenprodukt ist sie aber nicht. Diese Produkte machten 2010 im textilen Gesamtumsatz der Otto Group weniger als zwei Prozent aus. Von 90 000 Tonnen zertifizierter afrikanischer Baumwolle konnte CmiA nur fünf Prozent abnehmen, der Rest ging als konventionelle Baumwolle auf den Weltmarkt. Der Absatz bleibt also das Hauptproblem.

Im September unterzeichneten die AbTF und die Better Cotton Initiative (BCI), bei der Firmen wie Ikea, H&M und Adidas mitwirken, ein Memorandum of Understanding, dem zufolge von Sommer 2012 an CmiA als BCI-Baumwolle vermarktet werden kann. Das könnte den Durchbruch zu neuen Großkunden – vor allem im englischsprachigen Raum – bringen.

Seit Projektbeginn wurden sieben Baumwollgesellschaften, die mit 300 000 Bauern zusammenarbeiten, gemäß den CmiA-Kriterien zertifiziert. Bis Anfang 2011 wurden zudem 200 000 COMPACI-Vertragsbauern geschult. Ende 2012 werden es bereits mindestens 300 000 sein. Schwieriger als die Bauern zu schulen ist es jedoch, sie dazu zu bringen, die neuen Methoden auch alle tatsächlich anzuwenden. Wie und über welche Anreize man die Bauern dazu motivieren kann, diskutieren die CmiA-Verantwortlichen derzeit mit den afrikanischen Partnern. Attraktive Absatzpreise, so viel ist klar, tragen zur Motivation erheblich bei.

Wirkung frühzeitig messen

Weil ungewiss ist, ob und welche Wirkungen das Programm hat, führt ein amerikanisches Institut eine begleitende Evalu­ierung durch. Das National Opinion Research Center (NORC) hat seinen Sitz in Chicago. Es hat repräsentative Baseline-Studien durchgeführt, um zu erfahren, wie die Lebensverhältnisse der Bauern vor der Intervention aussahen.

Dem zufolge hat jeder Bauer im Schnitt sechs Familienangehörige. Das Programm wird somit bis Ende 2012 direkt 1,8 Millionen Menschen erreichen, von denen mehr als 80 Prozent weniger als 1,5 Dollar am Tag verdienen. Die Betriebe sind meist keine zehn Hektar groß. Gewöhnlich wird davon ein Drittel mit Baumwolle bepflanzt, während auf dem übrigen Land Nahrungsmittel wie Mais, Sorghum, Erdnüsse oder Soja angebaut werden

NORC arbeitet mit Vergleichsgruppen, um zu kontrollieren, welche Wirkung COMPACI tatsächlich erzielt. Eine methodische Herausforderung besteht dabei darin, dass die Bauern aus der Kontrollgruppe jederzeit selbst zu COMPACI-Bauern werden können, mit denen sie eigentlich verglichen werden sollen.

Es kommt darauf an, Wirkungen möglichst früh zu erkennen, weil sie dann präziser gemessen werden können. Deshalb hat NORC in Benin und Burkina Faso „Mini-Surveys“ durchgeführt. Dabei wurden bäuerliche Gemeinschaften, die schon seit längerem an dem Programm teilnehmen, mit Dörfern verglichen, die das nicht tun. Es zeigte sich, dass die COMPACI-Bauern in Burkina Faso ihr Netto-Einkommen aus Baumwolle um 45 Prozent und jenes aus Mais um 30 Prozent steigern konnten. In Benin waren die Ergebnisse ähnlich.

Diese ersten Evaluierungsergebnisse sind nicht repräsentativ. Dennoch legen sie nahe, dass das Programm nach vier bis sechs Jahren die Einkommen eines Bauern um gut 75 Dollar pro Jahr und Hektar steigern kann. Zudem zeigen auch die nationalen Produktionsdaten, dass die COMPACI-Baumwollanbaugebiete ihren Anteil an der Gesamtproduktion des jeweiligen Landes gesteigert hatten.

Auch im Hinblick auf die Aid Effectiveness steht COMPACI gut da. Das intensivierte Trainingsprogramm kostet etwa 100 Dollar pro Person. In einer möglichen zweiten Phase von 2013 bis 2015 werden pro Bauer weitere 50 Dollar investiert. Dann sollen mindestens 450 000 Bauern erreicht werden. Von 2016 an soll sich COMPACI selbst tragen. Einer ein­maligen Investition von 150 Dollar pro Bauern stünden damit 75 Dollar höhere Nettoeinkommen pro Jahr gegenüber. Das wäre eine hervorragende Verzinsung der eingesetzten öffentlichen und privaten Gelder.

Mit den Bauern reden

Neben der quantitativen Analyse führt NORC auch Gruppendiskussionen mit den Bauern durch, um ihre Sicht der Dinge zu verstehen. Insgesamt hatten die beteiligten Landwirte den Eindruck, dass die Trainings ihre Lebensqualität verbessern. Das, was sie über organisches Bodenmanagement oder minimale Bodenbearbeitung gelernt hatten, erwies sich nämlich für diverse Kulturarten als nützlich. Allerdings klagten die Bauern über Preisschwankungen. Je mehr Planungssicherheit die Bauern haben, umso stabiler können sie ihre Produktion verbessern.

Der Anbau von Baumwolle im Vertragsanbau kam aber insgesamt, wie sich in den Gesprächen zeigte, allen Bauern entgegen, denn sie verdienten Geld, ohne ihr Produkt selbst vermarkten zu müssen. Auch Bauern ohne große Ersparnisse können an dem Programm teilnehmen, da die Vorfinanzierung der Inputs über die Baumwollgesellschaft erfolgt. Weil Baumwolle gegenüber Dürren resistenter ist als beispielsweise Mais, sind selbst dann noch Erträge zu erwarten, wenn die Maisernte ausfällt.

Was die Bauern bemängelten, war, dass ihnen für die Ausbringung von Pestiziden keine Schutzkleidung bereitgestellt wurde und sie kaum Investitionskredite für Transportmittel, Geräte und Batterien erhielten. Batterien spielen jedoch eine zentrale Rolle in ihrem Leben – sie sind unter anderem nötig, um Beratungssendungen im Radio zu hören. Manche Kritikpunkte konnten sofort behoben werden: Beispielsweise wurde für Schutzkleidung gesorgt. Die Gruppendiskussionen erweisen sich jedenfalls als wichtiges Instrument der Erfolgskontrolle.

COMPACI/CmiA ist eines der größten PPP-Programme, das in Afrika mit einem „Bottom-up“-Ansatz landwirtschaftliche Entwicklung anstoßen will. Deutsche Unternehmen und die deutsche Entwicklungspolitik haben das Programm gemeinsam mit afrikanischen Partnern aufgebaut; vor Ort führen es überwiegend die Baumwollgesellschaften durch.

Die Partner tauschen sich intensiv miteinander aus. Es gibt eine virtuelle Baumwoll-Universität im Internet, die von Burkina Faso aus gestaltet wird.

Die privaten Partner und Vertreter der afrikanischen Zivilgesellschaft sind in den Gremien der AbTF vertreten. So wurde auch auf institutioneller Ebene die Basis dafür geschaffen, dass sich das Vorhaben mittelfristig selbst trägt. Es bleibt aber wichtig, den Einzelhandel und die Konsumenten von CmiA zu überzeugen, damit künftig mehr Textilien mit nachhaltig produzierten Rohstoffen verkauft werden. Erst dann ist der dauerhafte Erfolg von CmiA gesichert. Die COMPACI-Bauern haben ihre Produktivität allerdings bereits gesteigert – das kann
ihnen niemand mehr nehmen.

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