Geberharmonisierung

Kaum Fortschritt

Die Geber von Entwicklungshilfe sprechen sich nicht genügend ab. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie zur Wirkung der Paris Declaration. Von den bereits 2005 abgegebenen Versprechen, sich auf einzelne Länder und Sektoren zu fokussieren, ist in der Praxis bis heute nicht viel zu sehen.

Von Peter Nunnenkamp, Hannes Öhler und Rainer Thiele

Die Geber halten sich nicht an ihre Versprechen, wie eine aktuelle Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und der Universität Heidelberg zeigt. In der Paris Declaration on Aid Effectiveness hatten sie sich im Jahr 2005 dazu verpflichtet, ihre Arbeit besser zu koordinieren.

Beim Pariser High-Level Forum on Aid Effectiveness bestand damals Einigkeit, die Entwicklungspolitik sei zu fragmentiert. Entwicklungsländer erhielten typischerweise Unterstützung von vielen Gebern gleichzeitig, die oft sogar dieselben Themen fördern wollten. Effektiv war das nicht, und obendrein teuer. Deshalb versprachen die teilnehmenden Geber, künftig Doppelaktivitäten zu vermeiden. Sie wollten sich jeweils auf bestimmte Länder und Sektoren – wie Bildung, Landwirtschaft oder Infrastruktur – konzentrieren.

Unsere kürzlich veröffentlichte Studie (Nunnenkamp, Öhler und Thiele 2011) untersucht, ob sich die Geber auf dieses Ziel hin bewegen. Dafür nahm sie 19 Unterzeichner der Pariser Erklärung unter die Lupe – 17 größere OECD-Mitglieder, EU und Weltbank – und verglich deren Verhalten vor und nach der Paris-Erklärung (1998–2004 und 2005–2009).

Wir untersuchten für jedes Geberland, wie viel Geld es welchen Empfängerländern versprochen hat und zu welchem Zweck. Dafür werteten wir Hilfszusagen für 24 Sektoren in 140 Empfängerländern aus. Anhand von zwei Indikatoren analysierten wir,
– inwieweit sich das Geberland auf bestimmte Sektoren und Empfängerländer konzentriert (Spezialisierungsgrad) und
– wie sehr sich seine Projekte mit denen anderer Länder überschneiden – also ob es Doppelaktivitäten gibt oder nicht (Überschneidungsgrad).

Ernüchternde Ergebnisse

Hätten sich die Geber an die Paris-Versprechen gehalten, hätte der Spezialisierungsgrad seit 2005 steigen und der Überschneidungsgrad sinken müssen. Dies ist leider nicht der Fall. Im Gegenteil: Während der Spezialisierungsgrad weitgehend gleich blieb, nahmen die Überschneidungen bei allen 19 Gebern sogar zu.

Einen besonders deutlichen Anstieg im Überschneidungsgrad verzeichneten Japan und Dänemark. Die beiden Länder stachen im Jahr 2000 noch positiv hervor, näherten sich dann aber den meisten anderen Gebern an. Insgesamt gibt es also seit Paris sogar mehr Doppelaktivitäten als vorher.

Der Spezialisierungsgrad hat sich bei den meisten Gebern – darunter Dänemark, die Niederlande, Norwegen, Schweden, USA, EU und Weltbank – vor und nach 2005 kaum geändert. Diese Länder haben sich also nicht stärker auf einzelne Länder und Sektoren konzentriert. Japan streute als einziger Geber seine Entwicklungshilfe sogar noch breiter.

Nur Deutschland, Großbritannien und Italien wiesen einen etwas höheren Spezialisierungsgrad auf. Dieses vermeintlich positive Ergebnis der drei Europäer ist jedoch durch einige Faktoren „geschönt“, die kaum der Paris-Erklärung zuzuschreiben sind. Relevant ist dabei vor allem die Budgethilfe, bei der mehrere Geber gemeinsam den Haushalt eines Entwicklungslandes oder eines seiner Ministerien bezuschussen und im Gegenzug mit der Regierung des Empfängerlandes die Politik absprechen. Sie ­erscheint, weil sie ein einheitliches In­strument ist, im Forschungsdesign als Spezialisierung. Das ist aber irreführend, weil die Budgethilfe das gesamte Regierungshandeln unterstützt, also gerade nicht auf spezifische Einzelzwecke ausgerichtet ist. Wenn man die zunehmende Bedeutung der Budgethilfe herausrechnet, lässt sich kein Effekt der Paris-Erklärung mehr nachweisen.

Wenn Geber stärker Budgethilfe vergeben, schlägt sich dieses gemeinsame Verfahren in der Studie auch als erhöhter Überschneidungsgrad nieder. Auch das ist irreführend. Da die Regierung des jeweiligen Entwicklungslandes Budgethilfemittel für ganz unterschiedliche Projekte ausgeben kann, ist dies im Sinne der Paris-Erklärung eigentlich keine Überschneidung.

Die bis 2006 vielen Ländern gewährten Schuldenerlasse haben ebenfalls den gemessenen Grad an Überschneidungen erhöht, ohne dass dies in Zusammenhang mit der Paris-Erklärung stand. Doch selbst wenn man die Ergebnisse um diese beiden Faktoren bereinigt, ergibt sich noch eine eindeutige Zunahme der Doppelaktivitäten, die den Versprechungen der Paris-Erklärung zuwiderläuft.

Politische Prozesse verhindern Veränderung

Grund für die ernüchternden Ergebnisse ist das politische System hinter der Entwicklungspolitik. Die Geberinstitutionen sind ihren Steuerzahlern gegenüber verantwortlich. Diese verfügen jedoch in der Regel nicht über die notwendigen Informationen, um den Sinn von Einzelmaßnahmen beurteilen zu können. Daher neigen Geber dazu, für die Öffentlichkeit sichtbare und verständliche Projekte zu unterstützen. So können sie ihr Engagement demonstrieren und Steuerzahler überzeugen.

Des Weiteren spielen auch die Eigeninteressen und außenpolitische Kalküle eine Rolle. Nicht nur die USA sind kaum bereit, sich einer internationalen Agenda unterzuordnen, die ihren Handlungsspielraum stark einengt. Das gilt ähnlich, wenn auch nicht im selben Maße, auch für andere Länder.

Dazu kommt, dass die Zahl der Akteure in der Entwicklungspolitik stetig steigt. So hat jede einzelne Institution weniger Einfluss auf das Endergebnis und sie verliert den Anreiz für zeitaufwendige Abstimmungen. Ohnehin sind einige wichtige neue Geber, wie China, häufig nicht in diese Abstimmungen einbezogen. In absehbarer Zukunft ist deshalb nicht mit größeren Fortschritten hin zu mehr Spezialisierung und besserer Koordinierung zu rechnen.

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