Chemiewende

Schritt zu schadstofffreier Umwelt

Die Europäische Union (EU) hat sich zum Ziel gesetzt, dass Chemikalien in Zukunft nur noch so hergestellt und verwendet werden, dass sie weder Mensch noch Umwelt schaden. Diesem Ziel dient die 2020 verabschiedete Chemikalienstrategie. Mit neuen Sicherheits- und Nachhaltigkeitsstandards will Europa weltweit Maßstäbe setzen.
BASF mit Sitz in Ludwigshafen am Rhein ist der größte Chemiekonzern der Welt. Jochen Eckel/picture-alliance BASF mit Sitz in Ludwigshafen am Rhein ist der größte Chemiekonzern der Welt.

Die EU hat im Oktober 2020 eine Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit verabschiedet. Sie soll der erste Schritt dafür sein, eine schadstofffreie Umwelt zu erreichen – ein Ziel, das im ein Jahr zuvor beschlossenen European Green Deal (siehe E+Z/D+C e-Paper 2020/01, Debatte) verankert ist.

Chemikalien spielen eine große und stark wachsende Rolle in nahezu allen Bereichen des Lebens (siehe Beiträge von Olga Speranskaya und Hans-Christian Stolzenberg in E+Z/D+C e-Paper 2021/03, Schwerpunkt). Die EU erwartet, dass die globale Chemikalienproduktion sich bis 2030 verdoppelt und damit auch ihre Verwendung stark zunimmt. Viele chemische Stoffe können jedoch der Umwelt und der menschlichen Gesundheit schaden, und hier setzt die Strategie an.

Auch jetzt schon hat die EU das strengste Chemikalienrecht der Welt. Mehrere Verordnungen regeln die Verwendung von Chemikalien, allen voran die Verordnungen über Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals – REACH) und über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung (Classification, Labelling and Packaging – CLP) von Stoffen und Gemischen. Laut der neuen Chemikalienstrategie sollten beide Verordnungen so überarbeitet werden, dass sie sicherstellen, dass ausreichende Informationen über alle Chemikalien verfügbar sind, die in der EU hergestellt oder in die EU eingeführt werden. Bedenkliche Stoffe können dann schnell erkannt werden – und vor allem aus Verbraucherprodukten nach und nach verschwinden.

Die neue Strategie will beispielsweise bestimmte Stoffe in Spielzeug, Babyartikeln, Kosmetikprodukten, Reinigungsmitteln und Kleidung verbieten und gefährdete Bevölkerungsgruppen wie Kinder, Schwangere und ältere Menschen besonders schützen. Zu den wichtigsten Initiativen zählen:

  • die schrittweise Einstellung der Verwendung der schädlichsten Stoffe. Dazu zählen endokrine Disruptoren, also Stoffe, die die natürliche Wirkweise von Hormonen stören, Chemikalien, die das Immunsystem und die Atemwege beeinträchtigen, und sogenannte persistente Stoffe wie Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), die nur sehr langsam oder gar nicht in der Umwelt abgebaut werden, sofern sie nicht nachweislich für das Allgemeinwohl unverzichtbar sind;
  • die Minimierung bedenklicher Stoffe in allen Produkten. Vorrang haben dabei zum einen Produkte, die gefährdete Bevölkerungsgruppen schädigen können, und zum anderen Produkte mit einem besonders großen Potenzial für die Kreislaufwirtschaft;
  • der Berücksichtigung des Kombinationseffekts von Chemikalien („Cocktail-Effekt“), das heißt, dem Risiko, das entsteht, wenn Mensch und Umwelt täglich einer breiten Mischung von Chemikalien aus verschiedenen Quellen ausgesetzt sind, soll besser Rechnung getragen werden;
  • die Einführung von Deklarationspflichten, um den Zugang von Herstellern und Verbrauchern zu Informationen über die enthaltenen Chemikalien und die sichere Verwendung sicherzustellen.

Die Strategie soll nicht nur in Europa, sondern weltweit Wirkung zeigen. Letztlich will die EU-Kommission globale Sicherheits- und Nachhaltigkeitsstandards für Chemikalien erreichen. Ziel ist es, dass entsprechende Chemikalien auf dem EU-Markt zur Norm und weltweit zur Vergleichsgröße werden. Wichtig ist dafür auch, dass gefährliche Stoffe, die in der EU verboten sind, dort auch nicht zur Ausfuhr hergestellt werden. Europa ist der zweitgrößte Chemikalienproduzent der Welt nach China.

Der Aktionsplan der EU-Kommission zur Umsetzung der Chemikalienstrategie sieht vor, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen – inklusive Gesetzesänderungen und Änderungen der REACH-Verordnung – zwischen 2021 und 2024 umgesetzt werden. Dem werden weitere Schritte, etwa auf UN-Ebene, folgen.


Quellen
European Commission, 2020: Chemicals strategy for sustainability towards a toxic-free environment:
https://ec.europa.eu/environment/strategy/chemicals-strategy_en
Aktionsplan für die Umsetzung der EU-Chemikalienstrategie:
https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:f815479a-0f01-11eb-bc07-01aa75ed71a1.0002.02/DOC_2&format=PDF

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