Globaler Fonds

Soziale Sicherung für alle

Seit Jahren schlagen Sozialexperten die Einrichtung eines Globalen Fonds für Soziale Sicherheit vor. Diese internationale Institution sollte Länder mit geringer Wirtschaftskraft dabei unterstützen, ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit für die Bevölkerung finanzieren zu können. Die Debatte nimmt nun Fahrt auf.
Eine allgemeine Gesundheitsvorsorge gehört zur sozialen Grundsicherung: Gesundheitszentrum für Kinder im Senegal. Philippe Lissac/GODONG/Lineair Eine allgemeine Gesundheitsvorsorge gehört zur sozialen Grundsicherung: Gesundheitszentrum für Kinder im Senegal.

Den Vorschlag für einen Globalen Fonds für Soziale Sicherheit hat nun in der Covid-19-Krise erstmals ein wichtiger internationaler Akteur aufgegriffen: Die französische Regierung hat im September 2020 gemeinsam mit dem UN-Sonderberichterstatter zu extremer Armut und Menschenrechten ein High-Level Expert Meeting zum Thema „Establishment of a Global Fund – Social Protection for All“ veranstaltet.

Sehr wahrscheinlich wird die Schaffung einer solchen neuen Institution in diesem Jahr auch Gegenstand der Beratungen der G20, der Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, und des UN-Menschenrechtsrates sein. Ziel ist die Bewältigung der Finanzierungsprobleme, vor denen einige Staaten mit niedrigem Einkommen stehen, wenn sie ihrer Bevölkerung ein Mindestmaß an sozialer Sicherung ermöglichen wollen. Dazu gehört eine Basis­einkommenssicherung und der Zugang zu essenziellen Gesundheitsleistungen.

Natürlich ist soziale Sicherung eine Aufgabe, die letztlich jedes Land selbst aus seinen eigenen Mitteln, etwa über den Steuerhaushalt oder über Sozialversicherungssysteme, bestreiten muss. Einige Staaten sind hierzu jedoch aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Situation – jedenfalls kurz- oder mittelfristig – schlicht nicht in der Lage.


Unterstützung schon heute

Die internationale Gemeinschaft unterstützt zwar Regierungen dieser Staaten schon jetzt technisch beim Aufbau notwendiger administrativer Strukturen für soziale Sicherungssysteme. Was hingegen oftmals fehlt, sind die Mittel für eine stabile Finanzierung der Programme. Die Menschen, die in den ärmsten Ländern der Welt leben, können aber nicht warten, bis es gelingt, genügend heimische Ressourcen zu mobilisieren. Sie benötigen die Absicherung jetzt.

Bereits vor der Covid-19-Krise hatte die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organization – ILO) dargelegt, wie groß die Lücken in der sozialen Sicherung weltweit noch sind (ILO, 2017). Mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung (etwa 5,2 Milliarden Menschen) haben nur einen eingeschränkten oder gar keinen Zugang zu sozialer Basissicherung. Durch die Pandemie ist nun überdeutlich geworden, wie wichtig es ist, dass Staaten über funktionsfähige und solide finanzierte Sozialsysteme verfügen. So werden zahlreichen Menschen etwa durch die Lockdown-Maßnahmen die Grundlagen für ihr Einkommen genommen. Auch wenn im vergangenen Jahr in vielen Ländern die soziale Sicherung aufgestockt und auch einige neue Schutzmechanismen entwickelt worden sind, handelt es sich dabei doch zumeist nur um zeitlich befristete Maßnahmen.

Ein Globaler Fonds für Soziale Sicherheit könnte einen Beitrag dazu leisten, dass Niedrigeinkommensländer auch langfristig in die Lage versetzt werden, Programme zur sozialen Sicherung für ihre Bevölkerung zu finanzieren und so die weitere Ausbreitung extremer Armut zu verhindern.


Mandat und Organisationsstrukturen

Noch ist unklar, wie gut die Chancen stehen, dass es in absehbarer Zeit tatsächlich zur Gründung eines solchen Fonds kommt – und falls er eingerichtet wird, wie sein konkretes Aufgabenprofil aussehen könnte. Ein vor kurzem von der Global Coalition for Social Protection Floors, einem internationalen zivilgesellschaftlichen Bündnis, veröffentlichter Aufruf zur Gründung eines solchen Fonds enthält hierzu einige Vorschläge: Danach würde seine Kernaufgabe in der vorübergehenden Kofinanzierung von Basissicherungssystemen bestehen, sofern Niedrigeinkommensländer hierfür nicht genug Steuereinnahmen bekämen oder aber auch wenn Länder in Krisensituationen (z. B. bei Naturkatastrophen oder in Wirtschaftskrisen) mit der Finanzierung dieser Basissicherung zeitweilig überfordert sind.

Nach diesem Vorschlag wären auch Maßnahmen zur Verbesserung der inländischen Ressourcenmobilisierung vom Mandat mitumfasst. Wichtig ist den Organisationen, die den Aufruf unterzeichnet haben, dass die Arbeit des Fonds sich dabei an der sogenannten „Social Protection Floors“-Empfehlung der ILO orientiert. Dort ist klargestellt, dass soziale Sicherung eine Aufgabe ist, die grundsätzlich aus eigenstaatlichen Mitteln finanziert werden muss. Internationale Hilfe kann folglich immer nur eine Übergangslösung darstellen. Außerdem sind dort auch einige wichtige inhaltliche Prinzipien aufgelistet wie etwa die Universalität und Rechtebasiertheit der Maßnahmen.

Auch organisatorische Aspekte müssen noch geklärt werden. So stellt sich unter anderem die Frage, wo der neue Fonds im Institutionengefüge der globalen Sozialpolitik konkret positioniert werden könnte. Denkbar wäre etwa ein Finanzierungsmechanismus in enger Anbindung an die ILO und die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO), die ja innerhalb der UN für die Themenfelder soziale Sicherung und Gesundheitsversorgung zuständig sind. Eine andere Variante könnte ein auf Ebene des UN-Entwicklungsprogramms (United Nations Development Programme – UNDP) oder unter dem Dach der „Universal Social Protection 2030 (USP 2030)“-Partnerschaft eingerichteter Fonds sein.

Die Zusammensetzung und Arbeitsweise der Entscheidungsgremien des Fonds müssten den Vorgaben der Menschenrechte sowie der Global Partnership for Effective Development Co-operation (GPEDC) folgen. Die GPEDC fordert Prinzipien wie Eigenverantwortung der Partnerländer (country ownership), inklusive Partnerschaften, Transparenz und Rechenschaftspflicht ein und eine angemessene Beteiligung der Zivilgesellschaft.


Neue globale Initiativen notwendig

Viele Details eines neuen globalen Fonds sind also zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Es besteht aber kein Zweifel an dem dringenden Handlungsbedarf. Noch ist die Weltgemeinschaft weit davon entfernt, das Sustainable Development Goal 1.3 (Soziale Sicherungssysteme für alle umsetzen und bis 2030 eine breite Versorgung der Armen und Schwachen gewährleisten) zu erreichen.

Ein auf globaler Ebene angesiedelter Finanzierungs- und Koordinierungsmechanismus könnte eine Option darstellen, die bisherigen Bemühungen internationaler Geber zur Unterstützung der Niedrigeinkommensländer beim Aufbau stabiler sozialer Sicherungssysteme zu bündeln und dadurch deutlich effektiver zu machen. Zugleich würde eine solche neu geschaffene Institution die Geber dazu motivieren, ihr finanzielles Engagement in diesem Bereich auszuweiten. Dies wäre dringend nötig.


Links

Global Coalition for Social Protection Floors, 2020: Civil Society Call for a Global Fund for Social Protection to respond to the COVID-19 crisis and to build a better future.
http://www.socialprotectionfloorscoalition.org/civil-society-call/

De Schutter, O., and Sepúlveda, M., 2012: Underwriting the poor. A Global Fund for Social Protection.
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/20121009_GFSP_en.pdf

Oxfam International, 2020: Shelter from the storm. The global need for universal social protection in times of COVID-19.
https://www.oxfam.de/system/files/documents/bp-social-protection-covid-19-151220-en_embargoed.pdf


Markus Kaltenborn ist Professor für Öffentliches Recht und Direktor des Instituts für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik (IEE) der Ruhr-Universität Bochum sowie Mitglied der der Global Coalition for Social Protection Floors.
markus.kaltenborn@ruhr-uni-bochum.de

Laura Kreft ist Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.
laura.kreft@ruhr-uni-bochum.de

Relevante Artikel

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.