Gesundheit

Menschen als Versuchskaninchen

In Indien testen Pharmakonzerne seit Langem Medikamente an Menschen, ohne sie darüber zu informieren. Das soll sich nun ändern. Endlich wurde das Gesetz zur Regulierung von klinischen Studien reformiert.
Dinesh Sharma sharma Dinesh Sharma

In Indien testen Pharmakonzerne seit Langem Medikamente an Menschen, ohne sie darüber zu informieren. Das soll sich nun ändern. Endlich wurde das Gesetz zur Regulierung von klinischen Studien reformiert.

Im August forderte Indiens Oberster Gerichtshof bei der Zulassungsbehörde für Arzneimittel und dem Rat für Medizinische Forschung alle Akten an, die erlaubt hatten, dass Gebärmutterhalskrebsimpfungen an jungen Mädchen getestet wurden. Dies zeigt, wie schlecht es um die Regulierung  klinischer Tests in Indien bestellt ist: Medikamente und Impfungen wurden an Menschen getestet. Allzu oft wurden diese Personen weder darüber informiert noch über die Risiken aufgeklärt, und für Langzeitschäden wurden sie nicht entschädigt.

Zivilgesellschaftliche Organisationen machen seit Langem darauf aufmerksam, und auch Parlamentsabgeordnete äußerten Besorgnis. Denn tatsächlich waren die Tests an jungen Mädchen kein Einzelfall: Bei indischen Gerichten liegen viele Fälle von solchen Menschenrechtsverletzungen vor. Erst kürzlich, nach jahrelangem öffentlichem Druck, haben das Gesundheitsministerium und die Arzneimittel-Regulierungsbehörde begonnen, das Regulierungssystem zu reformieren. 

2012 deckte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mehrere Fälle von Missbrauch bei klinischen Studien auf. Einige Medikamente wurden ganz ohne Tests zugelassen. Außerdem stimmten sich Pharmakonzerne, die Regulierungsbehörden und Wissenschaftler illegal mit­einander ab. Anstatt darauf zu reagieren, beauftragte das Gesundheitsministerium zunächst ein weiteres Komitee, diese Ergebnisse zu prüfen. Dessen Bericht wurde letztes Jahr eingereicht.

Manche der Empfehlungen des ersten Ausschusses wurden nun in offiziellen Dekreten festgehalten. Es dürfen keine neuen Medikamente mehr auf den Markt, für die nur ausländische Studien vorliegen. Außerdem gibt es jetzt einen Berechnungsschlüssel für Kompensationszahlungen. Diese können nicht nur Personen beantragen, die bei Tests Schäden davontragen, sondern im Todesfall auch deren Hinterbliebene.

Kritiker sagen, dass die Arzneimittel-Regulierungsbehörde und das Gesundheitsministerium sich nur dem Druck der Gerichte, des Parlaments und der Zivilgesellschaft gebeugt und nicht von selbst gehandelt hätten. Reformen werden nur in sehr kleinen Schritten umgesetzt, viele sind außerdem unklar formuliert. Es gibt zum Beispiel noch kein Programm, das Interessenkonflikte der Fachkräfte behandelt, die Teil des Regulierungsprozesses werden. Solch ein Programm hatte der erste Ausschuss gefordert.

Die Regierung setzt immer noch nicht genug Mittel ein, um eine wirklich professionelle und effektive Arzneimittelregulierung aufzubauen. Die Behörden brauchen dafür wesentlich mehr Angestellte. Viele führende Stellen sind noch nicht besetzt. Die Gerichte, Politiker und die Zivilgesellschaft werden weiter kämpfen müssen.

 

Dinesh C. Sharma ist Journalist in Neu Delhi. Sein Buch „Know your heart – The hidden links between your body and the politics of the state“ wurde kürzlich von Harper Collins India veröffentlicht.
dineshcsharma@gmail.com

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