Gewaltenteilung

Nötige Kontrolle

In Kambodscha dominiert heute die Exekutive die Politik. Die Legislative braucht Mittel, Fachwissen und Fachkräfte, um ihre Aufsichtsfunktion angemessen wahrnehmen zu können.


[ Von Arnold Dunai und Oliver Wagener ]

Parlamente tragen durch ihre verfassungsmäßigen Aufgaben der Gesetzgebung, der Kontrolle der Regierung und der Repräsentation der Bevölkerung unmittelbar zur Verwirklichung von guter Regierungsführung bei. Die demokratische Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Justiz gibt der Zivilgesellschaft Raum für Partizipation und Einflussnahme. In Kambodscha sieht das die Verfassung auch vor, doch bislang nur auf dem Papier.

Das Land ist heute eine konstitutionelle Monarchie mit einem demokratischen Mehrparteiensystem. Die politischen und wirtschaftlichen Strukturen mussten nach Jahrzehnten von Krieg und Gewalt völlig neu aufgebaut werden. Der Anteil der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA) am Staatshaushalt liegt bei etwa 50 Prozent beziehungsweise knapp über 600 Millionen Dollar.

Die Exekutive dominiert in Kambodscha die Politik. Sie drängt die Legislative aus Nationalversammlung und Senat in den Hintergrund. Gesetzesentwürfe kommen aus den Ministerien, und ihre Qualität hängt häufig davon ab, ob und in welchem Umfang ausländische Experten an ihnen mitgearbeitet haben. Der Senat übt seine verfassungsgemäßen Rechte als Kontroll­instanz nicht aus. Derweil mangelt es in der Justiz an kompetenten Juristen.

Folglich formuliert die kürzlich durch Wahlen bestätigte Regierung Hun Sens weitgehend ungestört Gesetze, die sie dann eigenmächtig implementiert. Allerdings sind die Verwaltungsstrukturen rudimentär und ineffizient. Die Kenntnisse der Beamten und Angestellten sind unzureichend, viele werden schlecht bezahlt, es fehlt die Motivation. In der Bürokratie ist formale Zuständigkeit deshalb oft weniger wichtig als personengebundene Autorität. Ebenso wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen ist Korruption weit verbreitet, worunter vor allem die Armen leiden.

Obwohl das Königreich in den letzten Jahren ein stabiles Wirtschaftswachstum in zweistelliger Höhe aufwies, lebt nach wie vor ein Drittel der Bevölkerung in Armut. Die soziale Ungleichheit wächst. Das Wachstum konzentriert sich auf einige wenige Bereiche wie die Textilindustrie, den Tourismus und die Baubranche.

Parlamentarische Kontrolle

Die vielleicht wichtigste Funktion von Parlamenten ist die Bewilligung und Kontrolle staatlicher Haushalte. In Kambodscha können die beiden Kammern der Volksvertretung diese Rolle aber kaum erfüllen. Ihr fehlen Ressourcen, Fachwissen und Fachpersonal – und oft fehlt es auch am politischen Willen. Verstärkt wird die legislative Schwäche durch Korruption und Patronage­politik. Das ist in vielen anderen Entwick­­lungsländern ähnlich.

Die Geber haben in den vergangenen Dekaden Parlamente nicht nur vernachlässigt, sondern zum Teil sogar aus wichtigen Entscheidungsprozessen ausgegrenzt. Das gilt beispielsweise für die Auseinandersetzung über „Poverty Reduction Strategy Papers“, von deren Qualität multilaterale Schuldenerlasse abhängig gemacht wurden. Verhandlungspartner der Geber waren die Regierungen; die Parlamente waren zweitrangig.

Gute Amts- und Regierungsführung hängt indessen von Gewaltenteilung und wechselseitiger Kontrolle der Staatsorgane ab. Demokratie kann nur gelingen, wenn die gewählte Volksvertretung stark und kompetent ihre Aufgaben erfüllt. Nur dann werden Behörden und Ämter bürgerfreundlich agieren. Deshalb nimmt in der deutschen Entwicklungspolitik das Engagement in der Parlamentsförderung zu.

In Kambodscha ist einer der Arbeitsschwerpunkte von CIM (Centrum für internationale Migration und Entwicklung) die Stärkung der Legislative. Seit 2004 beraten CIM-Mitarbeiter Parlamentarier in armutsrelevanten Fragen, beispielsweise im Rahmen der Haushaltsaufstellung, des öffentlichen Finanzmanagements, der Umweltpolitik oder der Handelsgesetzgebung im Rahmen der WTO-Mitgliedschaft des Landes. Es gibt Kurse wie „Recht für Anfänger“, Veranstaltungen zu internationalen Beziehungen sowie Trainings in Haushaltsbewilligung und -kontrolle.
Erfolge sind sichtbar: Die Transparenz im Bereich der öffentlichen Finanzen ist gestiegen. Ebenso wurden die Arbeitsabläufe im Ausschuss gestrafft, so dass die Haushaltsberatungen mittlerweile im vorgesehenen Zeitrahmen vorbereitet und zum Abschluss gebracht werden.

Lehrgänge im Um­weltrecht sowie die Einbindung von regierungsunabhängigen Organisationen (NRO) wie dem World Wildlife Fund (WWF) und der Wildlife Conservation Society (WCS) in die Ausschussberatungen zur Umweltgesetzgebung haben zu einem gesteigerten Bewusstsein über die Relevanz des Themas geführt.

Die Integration von NRO in Seminaren und Expertenanhörungen dient selbstverständlich auch dem Austausch der Parlamentarier mit der Zivilgesellschaft. Kambodschanische Think Tanks wie das Economic Institute of Cambodia (EIC) und das International Relations Institute of Cambodia (IRIC) nahmen ebenfalls an Workshops teil. Das verbessert die Möglichkeiten der Parlamentarier, Bürgerinteressen gegenüber der Exekutive zu vertreten und durchzusetzen.
Ein künftiger Schwerpunkt der Arbeit muss die Verbesserung der innerparlamentarischen administrativen Abläufe sein, die stark zu wünschen übrig lassen. Es gibt kaum Kommunikation zwischen einzelnen Arbeitseinheiten des Parlaments – und noch weniger Koordination.

Langfristige Perspektive

„Capacity Development“ greift nur langfris­tig. Ein Zeitraum von zehn bis 15 Jahren ist realistisch, da eine substanzielle Ausbildung und institutionelle Reformen deutlich mehr Zeit benötigen als die durchschnittliche Verweildauer einer einzelnen CIM-Fachkraft. Auch die Politik in Kambodscha bedingt diese Langfristigkeit: Die Verwaltungsebene und die Justiz sind schon auf Grund der weit reichenden Parteienpatronage durchpolitisiert; die CIM-Experten haben kein Mandat zur politischen Einflussnahme. Innerparteiliche Vorgänge, zu denen die Fachkräfte keinen Zugang haben, sind für Außenstehende undurchdringlich. Die Klientelwirtschaft und die enge Verflechtung von politischer und wirtschaftlicher Elite erschweren politische und administrative Neuerungen und die für Armutsbekämpfung dringend notwendigen strategischen Reformschritte. Ein starkes Parlament wäre deshalb hilfreich.

Für die weitere Arbeit wird ein inklusiver Ansatz, der möglichst alle Stakeholder (Opposition, NRO, Regierung) einbezieht, entscheidend sein. Es reicht auch nicht, sich mit Prozeduren zu beschäftigen. Auch Sachthemen wie etwa die Korruptionsbekämpfung oder die Zurückdrängung der Armut müssen auf die Tagesordnung des „Capacity Development“ im Parlament.

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