Ressourcenmanagement

Die Menschen, der Fluss und die Grenze

Im Einzugsgebiet des Songwe Flusses behindern institutionelle Faktoren die nachhaltige Ressourcennutzung. Dazu tragen nicht zuletzt Distrikt- und Landesgrenzen bei. Die Anrainerstaaten Tansania und Malawi brauchen gemeinsame Entscheidungsfindung auf der Basis lokaler Aushandlungsprozesse.


[ Von Frank Udo Höggel und Silvia Künzler-Roth ]

Das Einzugsgebiet des Songwe Flusses ist 4500 qkm groß. Es liegt auf dem Territorium von Malawi und Tansania, deren Grenze dieses Gewässer streckenweise markiert. Der Fluss mündet in den Norden des Malawi Sees.

Regen- und Wanderfeldbau sind die vorherrschenden landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsformen im oberen und mittleren Drittel des Einzugsgebietes. Die Bauern sind arm. Familien, die nicht von städtischen Verwandten unterstützt werden, leben laut offiziellen Schätzungen von weniger als einem Dollar pro Tag. Die landwirtschaftliche Produktion ist hauptsächlich subsistenzorientiert.

Geringe Produktionsüberschüsse werden in ein zentralisiertes Handelssystem geleitet, das einige Geschäftsleute dominieren. Diese Mittelsmänner nutzen Informationsvorsprünge und Transportmöglichkeiten zum Nachteil der Bauern aus. Die Landwirte selbst verfügen über keine verlässlichen Marktinformationen.Die Qualität staatlicher Agrardienste hat in mehr als einer Dekade Strukturanpassungspolitik gelitten – sonst könnten einige Zwischenhändler wichtige Marktinformationen nicht monopolisieren. Die Agrarsektor ist jedenfalls auf künftige Herausforderungen im Bereich Ressourcenbewirtschaftung nicht vorbereitet.

Am Unterlauf des Songwe ist die Landwirtschaft dagegen vergleichsweise gut situtiert. Sie profitiert von der jährlich wiederkehrenden Nährstoffeinschwemmung bei Hochwassern. Hier sind intensiver Reisanbau und die Bewirtschaftung tropischer Dauerkulturen möglich. Allerdings leidet dieses Gebiet unter den Folgen der nichtnachhaltigen Ressourcenbewirtschaftung flussaufwärts. Die Hochwasserfrequenz steigt und wichtige Faktoren sind der Sedimenteintrag, Uferabbrüche oder die Beeinträchtigungen des Fischbestandes im Songwe Fluss und im Malawisee.

Die Verursacher erfahren in der Regel von solchen Schäden nichts. Der Informationsrückfluss wird dadurch behindert, dass die Ressourcenbewirtschaftung sich nicht an der biophysischen Einheit des Einzugsgebietes orientiert. Sie wird von administrativen Einheiten reguliert, die das Songwebecken durchschneiden. Transport- und Kommunikationsinfrastruktur taugen am Songwe ebenfalls bisher kaum dazu, um die nötigen Informationsflüsse sicherzustellen. Effektive Diskussions- und Entscheidungsmechanismen sind auf dieser Grundlage nicht möglich.

Sechs Distrikte in zwei Staaten

Das Songwebecken liegt auf dem Gebiet von vier tansanischen und zwei malawischen Distrikten. Zum Beispiel liegen 13 Prozent des Territoriums des tansanischen Distriktes Mbeya im Einzugsgebiet des Grenzflusses. Grundsätzlich ist die Entwicklungsstrategie dieses Distriktes auf den nachhaltigen Erhalt der natürlichen Ressourcenbasis für zukünftige Generationen ausgerichtet.

Indessen orientiert sich die Entwicklungsplanung im Distrikt streng an den Verwaltungsgrenzen. Dass 13 Prozent des Territoriums dem physischen und sozioökonomischen Charakter zu einer komplexen Flusslandschaft gehören, nehmen die Beamten in der Distrikthauptsstadt Mbeya nicht wahr.

Die Menschen im Flussgebiet selbst verstehen die biophysischen Charakteristika im Einzugsgebiet durchaus, aber es gelingt ihnen nicht, dieses Wissen auch in den institutionellen Verwaltungsbereich zu etablieren. Außerdem reichen Verhandlungen zwischen Ressourcennutzern nicht über Distriktgrenzen hinweg - und schon gar nicht über die Landesgrenze.

Im gesamten Songwe-Einzugsgebiet wächst die Bevölkerung. Die geschätzten Wachstumsraten schwanken zwischen eins und fast vier Prozent, sie sind also insgesamt nicht besonders hoch. Dennoch wird die Landwirtschaft einen steigenden Ressourcenbedarf decken müssen. Das gilt besonders, weil auch nahe liegende Städte Ressourcen brauchen. Wichtig sind zum Beispiel Brennholz und Holzkohle. Schon heute ist illegale Rohstoffausplünderung nicht ungewöhnlich.

Beide Länder verfolgen, unterstützt von internationalen Gebern, seit einigen Jahren Dezentralisierungspolitik. Allerdings zeigen Forschungsergebnisse, dass beide Dezentralisierungsprogramme unter technischen Missverständnissen leiden - aber auch darunter, dass Governance-Funktionen zu schnell auf lokale Gemeinschaften übertragen wurden. Das beeinträchtigte die anfänglich nötige Unterstützung und resultierte in Verwirrung auf der lokalen Ebene.

Die örtliche Bevölkerung sieht Vorteile darin, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen selbst zu fällen. Sie ist aber kaum in der Lage, die biophysischen und sozioökonomischen Zusammenhänge im gesamten Einzugsgebiet zu überschauen. Immerhin ist sie für solche Kausalitäten sensibel, was von den Beamten nicht unbedingt behauptet werden kann. Der Landbevölkerung fehlt aber auch die nötige Verwaltungs- und Verfahrenskompetenz, um ihr Wissen in politische Planungsprozesse einfließen zu lassen.

Obwohl vielfältige sozioökonomische Beziehungen über die Grenze hinweg bestehen und beide Seiten die Ressourcenbewirtschaftung der jeweils anderen klar erkennen, gab es lange keinerlei gemeinsame Entscheidungsfindung. 2004 wurde dann das Songwe River Transboundary Catchment Management Project (SRTCMP) etabliert. Doch auch diese Initiative hat bislang die komplexen Zusammenhänge nur ungenügend dokumentiert. Es herrscht ein eklatanter Mangel an verlässlichen Planungsdaten. Besonders wichtig wäre es, positive und negative Effekte der Ressourcenbewirtschaftung quantitativ zu erfassen.

Der hydrologische Kreislauf im Einzugsgebiet des Flusses ist ein zentrales Element der Lebenssicherheit der dort lebenden Menschen. Dieser Kreislauf bietet eine Reihe von Indikatoren, die zur Berechnung der nötigen Daten genutzt werden können. Dabei geht es um
– Sedimente vom Oberlauf des Flusses, die im Unterlauf oder im Mündungsgebiet deponiert werden;
– Hochwasser, die häufig von nicht angepasster Ressourcenbewirtschaftung verursacht werden und das Ufersystem bedrohen; sowie um
– Chemische Verunreinigungen aus der landwirtschaftlichen Aktivität, die Flora und Fauna beeinträchtigen.

Fazit

Umwelt und Gesellschaft leiden unter Belastungen, die durch das private Handeln Einzelner Distrikt- wie Landesgrenzen überschreitend entstehen. Die bestehenden administrativen Strukturen sind überfordert:

– Sie begreifen noch kaum, dass die Ressourcenbewirtschaftung auf das ganze Einzugsgebiet erfassende Informationsflüsse und ein entsprechendes Entscheidungssystem aufbauen muss.
– Sie erkennen mögliche Kompensationsansprüche gar nicht an. Nötig wäre deshalb ein neuartiges Rechtsverständnis auf der Basis des Verursacherprinzips im gesamten Songwebecken

Die im Einzugsgebiet lebenden Menschen begreifen die genannten Kausalitäten eher als städtische Beamte. Es besteht also Hoffnung, dass der laufende Prozess der politischen Dezentralisierung künftig dazu beitragen wird, die Probleme in den Griff zu bekommen. Daran, dass grenzüberschreitende Koordination nötig ist, wird aber kein Weg vorbeiführen.

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