Überblick Leben mit Behinderungen

Teilhabe statt Diskriminierung

Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf soziale, wirtschaftliche und politische Teilhabe, werden aber weltweit benachteiligt. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über verschiedene Beiträge auf E+Z/D+C, die Defizite bei der Inklusion von Menschen mit Behinderungen beleuchten – und Lösungswege aufzeigen.
Menschen mit Behinderungen auf einer Demonstration in Jakarta, Indonesien, 2019. Menschen mit Behinderungen auf einer Demonstration in Jakarta, Indonesien, 2019.

Die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen ist global weiterhin weit verbreitet. Besonders schwer haben sie es in Entwicklungs- und Schwellenländern, deren Infrastruktur und soziale Sicherungssysteme schwach ausgeprägt sind. Wo Staaten kaum Mittel haben, um Bedürftige zu unterstützen, haben Menschen mit Behinderungen wenig Chancen auf Teilhabe.

Traditionell wurden sie oft als „verflucht“ betrachtet. Doch vielerorts setzt ein Umdenken ein. In Togo hat es erstmals ein Mann mit Behinderung ins Parlament geschafft. Diesen politischen Wandel thematisiert Samir Abi, der für die zivilgesellschaftliche Organisation Visions Solidaires in Togo arbeitet. In seinem Beitrag geht er unter anderem auf die wichtige Rolle inklusiver Schulen ein.

Wie der Medienwissenschaftler Karim Okanla aus Benin berichtet, gibt es in seinem Land keine systematische Unterstützung für Menschen mit Behinderungen durch die Regierung. Er schildert, wie blinde und sehbehinderte Menschen ein Leben am Rande der Gesellschaft führen, und wie ein katholischer Priester in Benin an seiner Mission festhält, Bedürftige zu unterstützen – obwohl er selbst erblindet ist.

Nahezu jede gesellschaftliche Krise trifft Menschen mit Behinderung besonders stark. Das gilt auch für die Covid-19-Pandemie. Seit ihrem Ausbruch war es beispielsweise für Menschen mit Behinderungen in Indonesien besonders schwer, sich über Gesundheitsthemen zu informieren, wie die Journalistin Ika Ningtyas berichtet. Das liege insbesondere an einem eingeschränkten Zugang zu digitalen Informationsangeboten. Hoffnung machen dagegen Organisationen, die sich für die Interessen Marginalisierter einsetzen, in Indonesien beispielsweise das Institute for Inclusion and Advocacy of Persons with Disabilities.

Behinderung und Armut – ein Teufelskreis

Menschen mit Behinderungen haben oft wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sodass ihr Armutsrisiko relativ hoch ist. Arme wiederum haben häufig schlechten Zugang zu medizinischer Versorgung und somit ein höheres Risiko, unter körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen zu leiden. Rainer Brockhaus von der Christoffel-Blindenmission (CBM) zeigt diese Zusammenhänge in seinem Beitrag für E+Z/D+C auf. Er betont: Auch Entwicklungsprojekte und humanitäre Hilfe müssten noch wesentlich besser auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen eingehen.

Notwendig ist seiner Meinung nach ein zweigleisiger Ansatz: Zum einen müssen Menschen mit Behinderungen in allen Entwicklungsprogrammen berücksichtigt werden. Zum anderen sind spezielle Maßnahmen für mehr Chancengerechtigkeit nötig, um sie so zu fördern, dass sie nicht noch weiter zurückbleiben.

Teilhabe ist ein Menschenrecht

Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist nicht nur eine moralische Pflicht, sondern längst ein gesetzlich verbrieftes Recht. Rainer Brockhaus gibt in einem weiteren Text einen Überblick darüber, welche wichtigen internationalen Vereinbarungen behinderte Menschen schützen. Dazu zählen etwa die UN-Behindertenrechtskonvention, aber auch die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, zu deren Prinzipien es gehört, niemanden zurückzulassen ("leave no one behind") und die am weitesten hinten Stehenden zuerst zu erreichen ("reach the furthest behind first"). Es bleibt allerdings noch viel zu tun, um diese Ziele zu erreichen.

Als eines der ersten Länder unterzeichnete Bangladesch im Jahr 2007 die UN-Behindertenrechtskonvention. Dennoch fehlt es in dem Land – wie in vielen anderen auch – weiterhin an behindertengerechter Infrastruktur, wie Sharlin Akther vom Bangladesh Business & Disability Network in Dhaka kritisiert. Sie berichtet darüber, wie Menschen mit Behinderungen bereits als Kinder diskriminiert werden und blickt auf Bemühungen der Regierung und der Zivilgesellschaft, die Situation zu verbessern.

Schwere körperliche und psychische Beeinträchtigungen können verschiedene Ursachen haben. Kriege und bewaffnete Konflikte gehören dazu. Während äußerliche Verletzungen oft leicht erkennbar sind, bleiben die traumatischen Folgen verschiedener Formen von Gewalt oft unter der Oberfläche oder werden verdrängt. Im Gespräch mit meiner Kollegin Sabine Balk beschreibt die Psychologin Vilma Duque anhand des Beispiels Guatemala, wie wichtig Trauma-Arbeit in Nachkriegsgesellschaften ist.

In der Januar-Ausgabe unserer Digitalen Monatsausgabe haben wir dem Thema Trauma einen ganzen Schwerpunkt gewidmet. Sie können das Heft hier kostenlos als PDF herunterladen.

Bessere Integration von Menschen mit Behinderung

Ein Weg zur besseren Integration von Menschen mit Behinderung führt über den Sport. Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbands, erklärte mir in unserem Interview, inwiefern der Sport integrativ wirken kann und wie sein Verband mit anderen Ländern kooperiert, um den Austausch mit Entwicklungs- und Schwellenländern zu fördern. Er hielt auch mit seiner kritischen Meinung zu den Paralympischen Winterspielen in Peking Anfang 2022 nicht hinter dem Berg.

Ein Kommentar meiner Kollegin Sabine Balk führt schließlich verschiedene Aspekte der globalen Situation von Menschen mit Behinderungen zusammen. Sie betont, dass der Einsatz gegen Diskriminierung und für Teilhabe geboten ist – sowohl aus menschenrechtlicher als auch aus ökonomischer Sicht: Der Staat profitiert mehr, wenn er Menschen mit Behinderungen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert, als wenn die Gemeinschaft für ihren Lebensunterhalt aufkommen muss.

Sabine Balk weist auch auf den wichtigen Aspekt hin, dass Inklusion maßgeblich eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit ist: Pflegearbeit leisten weltweit vor allem Frauen. Wenn aber Mütter, Schwestern und Töchter ihre Angehörigen mit Behinderungen versorgen müssen, haben sie selbst weniger Chancen, Geld zu verdienen und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Sie werden also ihrerseits marginalisiert.

Ihr Beitrag war zugleich das Editorial unserer Digitalen Monatsausgabe 2022/09.


Jörg Döbereiner ist Redakteur bei E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit / D+C Development and Cooperation.
euz.editor@dandc.eu

 

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