Syrien

Es gibt keinen sicheren Ort in Syrien für Rückkehrer

Auf Millionen syrische Flüchtlinge wächst in Aufnahmeländern der Druck, in das vom Krieg gezeichnete Land zurückzukehren. Doch dort drohen ihnen schwerste Verletzungen ihrer Menschenrechte, wie ein Bericht zeigt.
Syrische Soldaten am Grenzübergang Zamrani kontrollieren die Papiere von Geflüchteten, die aus dem Libanon nach Syrien zurückkehren. picture-alliance/Photoshot Syrische Soldaten am Grenzübergang Zamrani kontrollieren die Papiere von Geflüchteten, die aus dem Libanon nach Syrien zurückkehren.

Seit Beginn des Krieges in Syrien im Jahr 2011 sind mehr als 13,3 Millionen Menschen vor Terror und Gewalt geflohen. Rund die Hälfte davon haben das Land verlassen. Die meisten suchten Zuflucht in den Nachbarländern Türkei, Libanon, Jordanien, Irak und Ägypten. Mehr als eine Million Menschen sind nach Europa geflohen.

Wie viele Geflüchtete nach Syrien zurückgekehrt sind, ist schwer zu sagen, auch weil viele von ihnen über informelle Routen in das Land kommen. Laut den Vereinten Nationen waren es seit 2016 etwa 280 000 Menschen, wobei die tatsächliche Zahl weit höher liegen dürfte.

Anfeindungen in Aufnahmeländern

Mit der Situation der Zurückkehrenden beschäftigt sich die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) in einem Bericht mit dem Titel „You are going to your death” („Du gehst in deinen Tod“). Laut dem Report ist ein Grund für die Rückkehr zum einen die inzwischen vermeintlich friedliche Situation vor Ort. Tatsächlich wird in Syrien kaum noch militärisch gekämpft. Mithilfe seiner Verbündeten konnte Machthaber Baschar al-Assad einen Großteil des Territoriums zurückerobern. Vor diesem Hintergrund rief die Regierung Geflüchtete öffentlich dazu auf, nach Syrien zurückzukehren.

Zum anderen erhöht laut dem Bericht die angespannte wirtschaftliche Situation in den Nachbarländern den Druck auf syrische Flüchtlinge. Insbesondere im Libanon hat sich die Lage dramatisch verschlechtert – durch die wirtschaftliche Krise 2019, die Verbreitung von Covid-19 und auch die Explosionskatastrophe in der Hauptstadt Beirut 2020. Die etwa 1,5 Millionen Syrer im Libanon sehen sich demnach zunehmend Anfeindungen der Bevölkerung und Behörden ausgesetzt, die sie für die schlechte Situation verantwortlich machen. (Zur Situation syrischer Flüchtlinge im Libanon siehe Mona Naggar auf unserer E+Z/D+C-Plattform.)

Auch in der Türkei, wo etwa 3,6 Millionen syrische Geflüchtete leben, hat sich laut AI die Situation zugespitzt. Die Ressentiments der Bevölkerung gegenüber den Geflüchteten hätten 2019 zu einer Veränderung der Politik geführt. Syrische Flüchtlinge würden aufgefordert, in ihre Heimat zurückzukehren, Straftäter unverzüglich abgeschoben.

Aufgrund der zunehmenden populistischen Strömungen innerhalb ihrer Bevölkerung haben auch einige Länder in Europa wie Dänemark und Schweden ihre Politik geändert, wie AI berichtet. Insbesondere Menschen aus Damaskus und Umgebung, einer vermeintlich friedlichen Region unter Kontrolle von Assad, liefen Gefahr, nach Syrien abgeschoben zu werden.

Verschleppung, Folter, Hinrichtungen

Doch es gebe für zurückkehrende Flüchtlinge keinen sicheren Ort in Syrien, warnt AI. In dem Bericht dokumentiert die Organisation schwerste Menschenrechtsverletzungen an 66 Menschen, darunter 13 Kinder. Sie waren zwischen Mitte 2017 und Frühjahr 2021 in ihre Heimat zurückgekehrt.

Die Betroffenen beziehungsweise deren Angehörige, Anwälte und Mitarbeitende von Hilfsorganisationen berichten von willkürlichen Inhaftierungen, sexueller Gewalt, systematischer Folter, Verschleppung und außergerichtlichen Hinrichtungen durch syrische Geheimdienste. Verübt worden sei die Gewalt an Grenzübergängen sowie in Hafteinrichtungen und Foltergefängnissen des syrischen Regimes. Fünf der Rückkehrenden seien in Haft verstorben, der Verbleib von 17 Menschen sei bis heute nicht bekannt. Die Geheimdienste hätten es gezielt auf zurückkehrende Flüchtlinge abgesehen und betrachteten sie als Oppositionelle, Verräter, Terroristen oder Spione des Auslands, heißt es im Bericht.

In der Konsequenz appelliert AI an die internationale Staatengemeinschaft, syrischen Flüchtlingen internationalen Schutz zu gewähren. Wenn Menschen in ein Land zurückgeführt würden, in dem sie Gefahr liefen, inhaftiert, gefoltert und verschleppt zu werden, verstoße dies gegen das Völkerrecht. Jede Praxis, die Geflüchtete direkt oder indirekt zur Rückkehr nach Syrien zwinge, sei deshalb sofort einzustellen.


Link
Amnesty International, 2021: You are going to your death. Violations against Syrian refugees returning to Syria.
https://www.amnesty.org/en/documents/mde24/4583/2021/en/


Dagmar Wolf ist Redaktionsassistentin bei E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit /D+C Development and Cooperation.
euz.editor@dandc.eu

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