Geberverantwortung

„Mandat für den Wandel"

Immense Geldsummen werden benötigt, um Entwicklungsländern bei der Bewältigung des Klimawandels zu helfen. Dieses Geld darf nicht mit der offiziellen Entwicklungshilfe vermischt werden, sagt Saleemul Huq vom International Institute for Environment and Development. Die reichen Nationen haben das Problem verursacht und müssen den Betroffenen dafür eine Kompensation geben.


[ Interview mit Saleemul Huq ]

Lässt sich präzise sagen, wie viel Geld die Entwicklungsländer für die Anpassung an den Klimawandel brauchen?
Es gibt natürlich noch viele Dinge, die wir nicht genau wissen, aber die Zahlen, die diskutiert werden, deuten auf eines hin: Es wird sehr viel Geld gebraucht werden. Die Weltbank spricht von 10 bis 40 Milliarden Dollar im Jahr, Oxfam rechnet eher mit 80 Milliarden. Die UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) geht davon aus, dass die Menschheit im Jahr 2030 insgesamt 100 Milliarden Dollar jährlich dafür ausgeben müsste. Diese Zahlen illustrieren das Ausmaß des Problems, auch wenn das Geld noch nicht sofort benötigt wird.

Welche Mittel stehen heute zur Verfügung?
Insgesamt sind eine Milliarde Dollar für Anpassungszwecke vorgesehen, und der Bedarf wird über die Jahre steigen. Bei der Conference of Parties (Vertragsstaatenkonferenz) – kurz COP – in Kopenhagen Ende nächsten Jahres werden wir das Fünf- bis Zehnfache brauchen. Die Zahlen werden weiter steigen, wie auch die Auswirkungen des Klimawandels immer sichtbarer werden.

Wie sollte dieses Geld verwaltet werden? Die Weltbank hat Interesse bekundet, die Hauptverteilerfunktion zu übernehmen.
Richtig, das hat sie, wie auch verschiedene andere multilaterale Organisationen wie das UNDP oder die Global Environmental Facility. Mein persönlicher Favorit für diese Aufgabe ist der Adaptation Fund. Er wurde im vergangenen Jahr auf der COP in Bali eingerichtet und hat die beste demokratische Legitimation, da er nicht von Geberregierungen kontrolliert wird. Der Adaptation Fund basiert auf regionaler Repräsentation, so dass die Länder, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind – etwa die kleinen Inselstaaten – wirklich mitbestimmen können.

Aber haben in multilateralen Angelegenheiten nicht die großen Industriestaaten das Sagen? Ich hatte immer den Eindruck, dass arme Entwick­lungsländer nicht die Kapazitäten haben, entscheidend in internationale Verhandlungen einzugreifen.
Es besteht diesbezüglich gewiss keine Gleichheit. Einzelne Regierungen haben damit zu kämpfen, alle drei Monate eine kompetente Delegation zur COP zu schicken – so häufig finden derzeit Treffen statt, um die in Bali verabschiedete Verhandlungsagenda umzusetzen. Allerdings gibt es auch einige Ländergruppen, bei denen es anders aussieht. Dazu gehören insbesondere:
– die kleinen Inselstaaten,
– die afrikanischen Länder und
– die am wenigsten entwickelten Länder.

Diese Gruppen sind ziemlich effektiv geworden. Ein Ergebnis ist, dass der Adaptation Fund Governance-Kriterien erfüllt. Ob das bei den Effizienzkriterien ebenfalls der Fall ist, bleibt abzuwarten, wenn er nächstes Jahr seine Arbeit aufnimmt.

Wenn es für einzelne Regierungen mühsam ist, mit dem Tempo der COPs Schritt zu halten, tun sie dann im Inland genug, um ihre armen Staaten auf den Klimawandel vorzubreiten?
Es passiert inzwischen einiges, und die Arbeit der Regierungen in diesem Bereich wird zunehmend besser. Die meisten haben nationale Pläne zur Anpassung an den Klimawandel, kurz NAPAs, erarbeitet. Sie wissen also, was getan werden muss, wenn sie das Geld einmal haben.

Welche Maßnahmen müssen als erstes getroffen werden? Ich nehme an, die einzelnen Länder unterscheiden sich da.
Zunächst gibt es gar nicht so große Unterschiede. Als erstes müssen Kapazitäten und Bewusstsein geschaffen werden. Die Leute müssen verstehen, was auf dem Spiel steht, auch die politischen Führer. Dann erst können sie klimarelevante Maßnahmen in die bestehenden Politiken zur Agrar- und Forstwirtschaft, Wasserversorgung, industrielle Entwicklung und so weiter integrieren. Auf dieser Basis muss in tatsächliche Infrastruktur investiert werden. Die Einzelheiten werden dann tatsächlich von Land zu Land differieren, je nachdem, wovon sie betroffen sind, vom steigenden Meeresspiegel, von Erdrutschgefahr, Zyklonen oder anderem.

Wie Sie schon sagten, sprechen wir hier von enormen Geldmengen. Bisher haben die Geber ihr Jahrzehnte altes Versprechen, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für offizielle Entwick­lungshilfe (ODA) auszugeben, nie erfüllt. Kürzlich haben die Geberländer zusammen rund 100 Milliarden Dollar für ODA ausgegeben. Glauben Sie wirklich, dass sie den Entwicklungsländern Gelder in der gleichen Größenordnung bereitstellen werden, um mit dem Klimawandel fertig zu werden?
Sie waren in der Vergangenheit knauserig, ja. Aber aus Prinzip diskutieren wir nicht über ODA, wenn wir über Anpassung sprechen. Der Klimawandel ist etwas, was die reichen Nationen verursacht haben, und sie müssen die Opfer entschädigen. Außerdem können sie den Auswirkungen selbst nicht entkommen. Die Holländer werden rund 10 Milliarden Dollar jährlich brauchen, um die Deiche zu verstärken, die sie vor der Nordsee schützen. Es wird teuer werden, Städte wie London oder Hamburg zu sichern. Und wenn die reichen Nationen Geld für ihre eigene Anpassung ausgeben, können sie unmöglich nicht auch andere Länder unterstützen, vor allem da diese Länder ganz offensichtlich Opfer des Fehlverhaltens des Nordens sind. Natürlich stehen ihre eigenen Bedürfnisse an erster Stelle, aber sie werden sich nicht vor denen anderer drücken können.

Wo soll das ganze Geld herkommen? Die Lage der nationalen Haushalte ist jetzt schon angespannt.
Bisher ging es um ODA, die aus den nationalen Budgets stammt. Die für die Anpassung benötigten Gelder werden aus anderen Quellen kommen. Die Menschheit braucht neue Steuern, und die werden künftig Umweltverschmutzern auferlegt. Es gibt Vorschläge, Cap-and Trade-Erlöse mit fünf Prozent zu besteuern, so dass beim Handel mit Emissionsrechten Geld generiert würde. Solche Mechanismen können der Öffentlichkeit überzeugend dargelegt werden, sehr viel überzeugender als etwa Einkommensteuern. Auch Abgaben auf Flugtickets werden diskutiert. Dabei würden rund 10 Milliarden Dollar jährlich zusammenkommen – und so viel ist nach dem COP-Treffen in Kopenhagen notwendig.

Wie hängen die globale Finanzkrise und die globale Klimakrise zusammen?
Es gibt zwei Trends. Zum einen werden die Unternehmen – insbesondere der fossilen Brennstoffindustrie – Veränderungen aufschieben wollen, mit dem Argument, dass sie sich in Krisenzeiten keine größeren Inves­titionen leisten können. Andererseits besteht offensichtlich die Notwendigkeit größerer Investitionen zur Stabilisierung der Nachfrageseite der Weltwirtschaft. Investitionen in die Infrastruktur erneuerbarer Energien sind ökologisch sinnvoll, genau wie Anpassungsinvestitionen. Dank der derzeitigen Finanzkrise ist beides auch in weltwirtschaftlicher Hinsicht absolut angesagt. Vorwärts blickende Politiker werden das verstehen.

Wie schätzen Sie bisher die Rolle der großen Industriemächte bei den Klimaverhandlungen ein?
Die EU war bisher ohne Zweifel am progressivsten. Führende Politiker Europas argumentieren schon lange, dass etwas getan werden muss, um den Klimawandel zu mäßigen und langfristig Katastrophen zu verhindern. Sie haben sich auch für die Unterstützung schwacher Länder ausgesprochen. Die USA unter
George Bush dagegen waren unwillig, überhaupt irgendetwas zu tun. Allein um zuzugeben, dass überhaupt ein Problem besteht, brauchte dieser Präsident Jahre. Japan, Kanada und Australien stehen irgendwo zwischen der EU und den USA.

Aber die USA werden bald einen neuen Präsidenten haben.
Die Wahl Barack Obamas ist sehr ermutigend. John McCain war zwar seiner Partei in Klimafragen lange voraus, aber Obamas Wahlkampfrhetorik zum Thema Energie war sehr viel stringenter. Er wird nicht so stark unter dem Druck der Lobby für fossile Energien stehen, wie das bei McCain der Fall gewesen wäre. Und ganz sicher hat er ein Mandat für den Wandel.

Fragen von Hans Dembowski.

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