Freiwillige Helfer

„Agenten des Wandels“

Salud Familiar Comunitaria Intercultural (SAFCI), die Gesundheit von Familie, Gemeinschaft und aller Kulturen, wird seit 2008 in der bolivianischen Verfassung garantiert. Das Individuum wird nicht isoliert, sondern im Kontext seines Lebensumfeldes gesehen. „Buen Vivir“, gutes Leben, soll allen möglich sein. Gesundheitspolitisch ist das Ziel eine ganzheitliche Versorgung von Prävention über Therapie bis hin zu Rehabilitation, wobei alle Akteure des Gesundheitswesens einschließlich Dorfgesundheitshelfer kooperieren sollen. Irma Condori vom zivilgesellschaftlichen Consejo de Salud Rural Andino in Bolivien erläuterte Barbara Kühlen und Susanne Schmitz im Interview, was bei der Umsetzung dieses Rechts bedacht werden muss.
Voluntary health worker in Ecuador Condori Voluntary health worker in Ecuador

Was müssen Regierung und Gesundheitsbehörden nun tun, um SAFCI, das umfassende Recht auf Gesundheit, umzusetzen?
Sie sollten damit beginnen, Entscheidungsträger und die Zivilgesellschaft über SAFCI zu informieren, die zugrunde liegende Idee bekannt machen und bewerben, ohne mit Details zu verwirren. Diese Gesundheitspolitik lässt sich nur umsetzen, wenn alle die Idee verstehen – dass und warum es beispielsweise wichtig ist, traditionelle Gesundheitshelfer einzubinden, Gemeinschafts- und Basisorganisationen auf der ersten Ebene zu stärken und mit ihnen zusammen zu arbeiten.

Was muss folgen?
Dann muss festgelegt werden, welche Akteure welche Rollen und Funktion übernehmen. Es muss regionale Kontext-Analysen geben, um realistische Aktionspläne zu entwickeln, die die Potenziale und Möglichkeiten jeder Gemeinschaft berücksichtigen. Bei der Ressourcenverteilung überwiegt leider auch in Bolivien bis heute der assistentialistische Ansatz.

Was bedeutet das?
Das heißt, dass bisher spezialisierte Krankenhäuser in wenigen Großstädten Priorität haben, während der Ausbau von Gesundheitseinrichtungen auf der ersten Ebene nicht vorankommt. Für ein wahrhaft partizipatives Gesundheitsmanagement fehlt es dort an Ressourcen und Personal. SAFCI-Politik lässt sich aber nur umsetzten, wenn alle eingebunden werden und teilhaben. Bisher gibt es leider nur einige isolierte Bemühungen, danach zu arbeiten.

Welche Rolle kommt den freiwilligen Gesundheitshelfern zu?
Sie sollten eine fundamentale Funktion bei der Gesundheitsförderung übernehmen. Es handelt sich um Führungspersönlichkeiten, die selbst den örtlichen Gemeinschaften angehören. Sie können Mitverantwortung, Eigenfürsorge sowie Prävention hervorragend fördern. Ich sehe sie als Agenten des Wandels, die die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und staatlichem Gesundheitssystem verbessern können. Sie können zu wahren Protagonisten einer ganzheitlichen Gesundheitsversorgung werden, wenn sie offiziell anerkannt und unterstützt werden.

Was muss dafür geschehen?
Die SAFCI-Politik unterstreicht zwar die Bedeutung dieser Agenten des Wandels. Es gibt aber bislang keine konkreten Ansätze der formalen und nachhaltigen Anerkennung ihrer Arbeit. Gesundheitsbehörden und -personal auf nationaler und lokaler Ebene erkennen sie oft nicht an. Manchmal schätzen nicht einmal ihre eigenen Gemeinschaften ihr ehrenamtliches Engagement auf angemessene Weise.

Warum ist die Rückbesinnung auf das Konzept der Basisgesundheitsversorgung so wichtig?
Wir stehen immer noch vor den gleichen Herausforderungen wie damals, als dieses Konzept beim Gipfel der Weltgesundheitsorganisation WHO in Alma-Ata vor 34 Jahren formuliert wurde. Die Welt ist noch komplexer geworden, die Ungleichheit größer. In Bolivien wächst bei einigen Entscheidungsträgern und Führungspersönlichkeiten – vor allem in der indigenen Zivilgesellschaft – das Bewusstsein, dass Menschenrechte verteidigt und Ursachen von Ungleichheit bekämpft werden müssen. Genau das liegt der Alma-Ata-Erklärung zu Grunde. Es ist jetzt ein günstiger Moment, Partizipation auf individueller und kollektiver Ebene voranzutreiben – als Recht und als Pflicht. Sie ist das Fundament von „Gesundheit für alle“.

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