Fehlende Gleichberechtigung

Wo Frauen arbeiten und Männer entscheiden

In Burundi haben sich die Frauen zwar ein Stück weit wirtschaftlich emanzipiert, doch alte Traditionen bremsen sie aus. Noch immer gelten Männer als die Entscheider – im Haushalt und anderswo.
Wasserholen ist eine der Aufgaben burundischer Bäuerinnen. Ton Koene Wasserholen ist eine der Aufgaben burundischer Bäuerinnen.

Oberflächlich betrachtet geht es für die Burundierinnen voran: Selbst in abgelegenen Dörfern gibt es Frauen, die ihr eigenes Geld verdienen, manche ziehen sogar ihr eigenes Geschäft auf. Viele schließen sich Wirtschaftskooperativen an, die sie unterstützen und ihnen auch zahlenmäßig Gewicht geben. Auch öffentliche Veranstaltungen wie der Internationale Frauentag helfen dabei, dass sich Frauen von traditionellen Rollenbildern befreien. 

Bei genauerer Betrachtung aber zeigt sich, dass Frauen in Burundi aufgrund der vorherrschenden Traditionen immer noch schlechter gestellt sind als Männer – besonders auf dem Land, wo die meisten Burundierinnen leben. Männer haben traditionell das Sagen in häuslichen Angelegenheiten. Viele profitieren davon, dass ihre Frauen arbeiten – lassen sie aber nicht mitentscheiden, wie ihr Geld ausgegeben wird.

Mariam Nahimana etwa ist eine 46-jährige Mutter von vier Kindern. Sie lebt in Buterere, außerhalb von Bujumbura, und arbeitet den ganzen Tag auf den Reisfeldern. Ihr Mann hat keinen festen Job, was sie zur Hauptversorgerin der Familie macht. Aber sie klagt nicht. „Ich arbeite gern”, sagt Mariam. So sei sichergestellt, dass die Familie überhaupt ein Einkommen habe, ergänzt sie.

Adelaide ist schlechter dran. Sie hat fünf Kinder und lebt im Landesinneren, in Bukeye in der Provinz Muramvya. Sie beackert kleine Parzellen Land, manchmal mit einem Kind auf dem Rücken und zwei anderen neben ihr. Ihr Mann verbringt den ganzen Tag außer Haus, meist trinkt er. Oft kommt er betrunken nach Hause, und mitunter schlägt er dann Adelaide, etwa weil das Abendessen nicht fertig ist. Zur Erntezeit verkauft er den Reis – und behält das ganze Geld. 

Das ist gelebtes Patriarchat und leider gerade für Dörfer recht typisch. Oft treffen dort Männer die Entscheidungen für die Familie. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO), leben die meisten Burundierinnen auf kleinen Familienhöfen. Hauptsächlich sie sind es, die pflügen, aussäen, jäten und ernten. Außerdem kümmern sie sich um Konservierung, Verarbeitung, Transport und Vermarktung der Erzeugnisse. Die Männer hingegen arbeiten eher in Betrieben, die Industriepflanzen produzieren. Oder sie arbeiten gar nicht.

Zu wenig Teilhabe

Frauen auf dem Land haben oft wenig Kontrolle über ihre Einkünfte, und traditionell auch weniger Rechte als Männer im Hinblick auf Erbe und Landbesitz. Ihre Situation wird zudem dadurch verschlechtert, dass sie kaum Zugang zu modernen landwirtschaftlichen Techniken haben.

Auch Kredite bekommen Frauen kaum, denn dafür braucht es meist ein Bankkonto, Sicherheiten und, wenn es um einen bäuerlichen Betrieb geht, erhebliche Eigeninvestitionen. Nur wenige Frauen erfüllen diese Kriterien. Manche nehmen informelle Kredite auf und zahlen Wucher-Zinsen.

Die schwache Position der Frauen hat Tradition. Ein burundisches Sprichwort sagt: „Wer keine gute Frau hat, ist nicht reich“. Das zeigt, wie stark die Kultur von Frauen fordert, ihre Männer zu unterstützen.

Die Studie eines internationalen Forscherteams hat diese kulturelle Voreingenommenheit empirisch bestätigt (Sikhu Okonya et al, 2019). Zum Thema Entscheidungsfindung im Haushalt von Bauernfamilien fragten die Wissenschaftler provokant: „Entscheiden Männer, während Frauen arbeiten?“

Weil eine massive Kluft zwischen den Geschlechtern sichtbar wurde, kommt die Studie zu dem Schluss, dass es eine praktisch anwendbare Strategie brauche, um Frauen stärker an Entscheidungen zu beteiligen – und mehr Mut, um bestehende Geschlechternormen anzupassen. Den Autoren zufolge treffen traditionell hauptsächlich Männer die Entscheidungen – sowohl im Haushalt als auch darüber hinaus.

Wie in den meisten Ländern gibt es in Burundi etwas mehr Frauen als Männer – laut Weltbank machen sie 50,4 Prozent der Bevölkerung aus. Dennoch zeigt der Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums 2021, dass ihre wirtschaftlichen Chancen 15 Prozent geringer sind als die von Männern – das ist leicht besser als der globale Durchschnitt. Allerdings sind Burundierinnen dreimal weniger politisch repräsentiert als Männer, und liegen hier unter dem globalen Durchschnitt.

Im Wandel begriffen

Ein Bericht des UN-Entwicklungsprogramms (United Nations Development Programme – UNDP) von 2012 zur Gleichstellung in der öffentlichen Verwaltung in Burundi zeigte, dass Einstellungs- und Beförderungsverfahren nicht streng jenen Gesetzen und Vorschriften entsprechen, die auf eine stärkeren Frauenanteil abzielen. Laut dem Bericht mangelt es an Daten zur Beteiligung von Frauen an der Verwaltung. Ihr schlechterer Zugang zu Bildung führe dazu, dass es zu wenige qualifizierte Frauen gebe, die in die öffentliche Verwaltung eintreten und dort aufsteigen könnten, so der Report.

Manches ändert sich inzwischen. Im Februar 2021 wurde eine Investitions- und Entwicklungsbank für Frauen gegründet, die ihnen dabei helfen soll, landwirtschaftliche Betriebe auf- und auszubauen. Im Juni 2021 gab die Weltbank Burundi 80 Millionen US-Dollar zur Förderung der Beschäftigung von Frauen und jungen Menschen. Etwa 120 000 Menschen profitierten davon, darunter 16 000 Rückkehrer aus dem Ausland.

Auch Gesetze sollen die Beschäftigung von Frauen voranbringen. Gemäß Verfassung muss die burundische Regierung zu mindestens 30 Prozent aus Frauen bestehen. Die Nationalversammlung – das Unterhaus des Parlaments – verlangt sogar, Regierungsbehörden zur Hälfte mit Frauen zu besetzen.

Zudem wenden sich Frauenorganisationen gegen frauenfeindliche Traditionen, wie etwa die Praxis, Töchter nicht zur Schule zu schicken. Der burundische Verband der Ingenieurinnen ermutigt Mädchen dazu, technische oder wissenschaftliche Fächer zu studieren. Und der burundische Juristinnenverband setzt sich für ein gleiches Recht auf Landbesitz ein. Auch andere Gruppen ermächtigen Burundierinnen dazu, sich zu organisieren, um auch zahlenmäßig stärker zu werden.

All diese Ansätze rütteln an alten Traditionen und Einstellungen. Sie sind, immerhin, ein guter Anfang.

Links

Sikhu Okonya, J., et al., 2019: The role of women in production and management of RTB (root, tuber, banana) crops in Rwanda and Burundi: do men decide, and women work?
https://www.researchgate.net/publication/335084368

UNDP, 2012: Gender equality and women’s empowerment in public administration: Burundi case study.
https://www.undp.org/sites/g/files/zskgke326/files/publications/BurundiFinal%20-%20HiRes.pdf


Mireille Kanyange arbeitet als Journalistin für Radio Isanganiro in Burundi.
mika.kanyange@gmail.com

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