Rechtsstaatlichkeit

Präsident Widodos Krieg gegen Drogen

Drogendelikte werden in Südostasien in der Regel hart bestraft. Der Konsum geht in Indonesien dennoch nicht zurück.
Polizeirazzia in einem Ecstasy-Labor 2018 in Bogor. Eko Siswono Toyudho/picture-alliance/AA Polizeirazzia in einem Ecstasy-Labor 2018 in Bogor.

Wer Indonesien besuchen will und bestimmte Medikamente benötigt, sollte aufpassen, denn ohne offizielle Verschreibung und ärztliches Attest sollte niemand Pharmaka mitbringen. Der Zoll kann Fragen stellen und darf Arzneimittel einbehalten, wenn keine Dokumente vorliegen. Noch schlimmer ist, wenn Beamte entscheiden, dass bestimmte Substanzen absichtlich versteckt wurden. Dann steht eine Anklage wegen Drogenschmuggel ins Haus. Es ist nirgendwo schön, eine Urlaubs- oder Geschäftsreise so zu beginnen, aber in Indonesien kann es besonders böse enden.

Illegale Drogen, „Narkoba“ genannt, sind hier kein Kavaliersdelikt. Überführten Schmugglern, Händlern, Herstellern und selbst Konsumenten drohen Gefängnisstrafen von zwei bis 20 Jahren. Je nach Art und Menge sind auch lebenslange Haft oder sogar die Todesstrafe möglich.

Urteile fallen nur selten milde aus. Fidelis Arie Sudewarto hatte Glück und musste nur acht Monate ins Gefängnis und sollte eine Geldstrafe von umgerechnet 67 000 Dollar zahlen. Er hatte versucht, Cannabis anzubauen, um damit die qualvollen Leiden seiner Frau – einer Krebspatientin – zu lindern. Nur auf starken Druck von Zivilgesellschaft und Medien hin wurde das Bußgeld schließlich ausgesetzt.

Nach der Definition der staatlichen Drogenbehörde BNN sind sämtliche Rausch- und Betäubungsmittel, Psychopharmaka und süchtig machende Substanzen Narkoba. Manche haben pflanzliche Grundlagen – wie etwa Cannabis, Kokain, Opium und seine Derivate. Andere sind synthetisch, aber auch gefährlich – wie etwa die Pharmazeutika Valium und Mandrax oder die Partydroge Ecstasy. Indonesien ist ein hauptsächlich muslimisches Land, der Genuss von Wein ist im Islam verboten, und auch andere alkoholische Getränke können zu den Narkoba gezählt werden. 

Mit dem Hinweis, bis zu 30 Menschen stürben täglich an den Folgen von Drogenmissbrauch, rief Präsident Joko Widodo kurz nach seinem Amtsantritt 2015 den „Krieg gegen Drogen“ aus. Drastische Maßnahmen folgten, bis hin zum Erschießen von Schmugglern, Schiebern und Dealern, die sich Festnahmen widersetzten. Im öffentlichen Raum hängen nun Warnungen vor Drogenmissbrauch aus. Derlei flimmert auch in Werbepausen über die Fernsehbildschirme.


18 Exekutionen in zwei Jahren

In den Jahren 2015 bis 2016 wurden in Indonesien 18 Drogenstraftäter hingerichtet. Darunter waren auch Ausländer. Indonesische und internationale Menschenrechtsorganisationen fordern die Abschaffung der Todesstrafe – bisher vergeblich. Laut BNN gab es 2017 fast 50 000 Strafverfahren wegen illegaler Drogen, 79 mutmaßliche Drogendealer wurden bei der Festnahme erschossen.

Den amtlichen Statistiken zufolge geht die Zahl der Drogendelikte dennoch nicht zurück. Die BNN ließ die Lage in 13 Provinzen untersuchen – und die Ergebnisse weisen darauf hin, dass rund 3,5 Millionen Indonesier – 2,2 Prozent der Bevölkerung – drogenabhängig sind. 72 Prozent davon dürften Männer sein. Ein Resultat der Untersuchung war, dass ein Drittel der Betroffenen versucht, auf sich gestellt von dem Suchtmittel loszukommen. Andere suchen private Entzugszentren oder -kliniken auf.

Evy Harjono hat Second Chance gegründet, eine zivilgesellschaftliche Organisation, die sich um Häftlinge kümmert. Aus ihrer Sicht sind Armut und Bevölkerungswachstum die wesentlichen Ursachen des Drogenmissbrauchs. Die Regierung ist darauf fokussiert, Infrastruktur zu schaffen, um Armut langfristig zu reduzieren. Doch unter wirtschaftlicher Not werden viele Menschen noch lange leiden.

„Wir müssen auf vielen Ebenen ansetzen“, sagt Harjono. „Momentan gibt es zu wenige Zentren für medizinischen Entzug. Wer ins Gefängnis kommt, landet dort bei Dealern, Drogenproduzenten und anderen Kriminellen.“ Sie fordert mehr Entzugskliniken und Reha-Zentren, wie sie Abhängigen eigentlich laut Gesetz auch zustehen.

Staatlichen Angaben zufolge sitzen zurzeit über 260 000 Häftlinge in 600 Gefängnissen, 482 Vollzugsinstitutionen und 118 Untersuchungshaftanstalten ein. Die meisten dieser Einrichtungen sind überfüllt und in miserablem Zustand. Harjono beklagt, die Gefangenen würden kaum auf ein Leben in Freiheit vorbereitet. Vielen fehle jegliche berufliche Qualifizierung, und mit etwaigen Ersparnissen hätten sie Anwälte bezahlt. Vorbestrafte sind zudem sozial stigmatisiert. Zivilgesellschaftliche Akteure gehen davon aus, dass viele schnell in alte Gewohnheiten zurückfallen und dass andere ins organisierte Verbrechen abdriften.

Second Chance arbeitet in elf der 34 indonesischen Provinzen. Sie macht Aus- und Fortbildungsangebote, die zur Selbstständigkeit verhelfen sollen. Das Spektrum reicht von Alphabetisierung über handwerkliche Fähigkeiten bis hin zu Theaterspielen. Schon in der Haft kann ein bisschen Geld verdient werden, und selbst kleine Rücklagen erweisen sich nach der Entlassung oft als wichtig.

Der Drogenkrieg stellt Indonesien vor große Herausforderungen. Zum Archipel gehören über 17 000 Inseln. Viele kleine, informelle Häfen erleichtern den Schmuggel. Rund 5000 BNN-Beamte arbeiten mit der Polizei und der Armee zusammen. Doch für skrupellose kriminelle Syndikate ist der illegale Drogenhandel ein Milliardengeschäft. Sie schrecken vor Gewalt nicht zurück und tun, was sie können, um den Schwarzmarkt zu kontrollieren. Sie nutzen die Schwäche und Verwundbarkeit der Abhängigen aus. Die inhumane Todesstrafe schreckt hartgesottene Kriminelle nicht ab.

Es verschärft die Probleme, dass zwischen Opfern und Tätern nicht unterschieden wird. Und es ist auch nicht hilfreich, dass das Recht harte Drogen mit hohem Suchtpotential wie Heroin mit vergleichsweise harmloseren Substanzen wie Cannabis gleichsetzt. Erst im frühen 20. Jahrhundert hat die niederländische Kolonialmacht dieses Hanfprodukt verboten. Mittlerweile fragen sich viele Indonesier, in welchem Maß der Krieg gegen die Drogen eigentlich Schaden abwendet – und in welchem Maß er Leiden verursacht.


Edith Koesoemawiria ist freie Journalistin in Jakarta und Frankfurt.
hidayati@gmx.de

 

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