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„Welche andere Möglichkeit haben wir denn?“

Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, die amerikanische Entwicklungshilfe einzufrieren, hat den Zugang zu HIV-Therapien in Südafrika erschwert, besonders für Migrant*innen und andere marginalisierte Menschen. Infolgedessen ist ein gefährlicher Schwarzmarkt entstanden.
Eine HIV-positive Sexarbeiterin in Johannesburg trägt antiretrovirale Medikamente bei sich, die ihr von der Regierung zur Verfügung gestellt wurden. Viele Sexarbeiter*innen sind jedoch mittlerweile auf den Schwarzmarkt angewiesen, um an diese Arzneimittel zu gelangen. picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Louise Dewast
Eine HIV-positive Sexarbeiterin in Johannesburg trägt antiretrovirale Medikamente bei sich, die ihr von der Regierung zur Verfügung gestellt wurden. Viele Sexarbeiter*innen sind jedoch mittlerweile auf den Schwarzmarkt angewiesen, um an diese Arzneimittel zu gelangen.

Die 31-jährige Erica Mbambu (Name geändert) ist ohne Papiere aus dem benachbarten Simbabwe nach Südafrika eingewandert. Sie verdient ihren Lebensunterhalt als Sexarbeiterin in den illegalen Bordellen der südafrikanischen Handelshauptstadt Johannesburg. Sie ist HIV-positiv.
Ein Jahrzehnt lang behandelte sie ihre Krankheit mit den kostenlosen antiretroviralen Medikamenten, die staatliche südafrikanische Kliniken an alle HIV-Infizierten im Land ausgaben – unabhängig davon, ob sie die Staatsbürgerschaft oder eine Aufenthaltsgenehmigung hatten oder ausländische Arbeitskräfte ohne Papiere waren. 

„Für Menschen wie mich war Südafrika das Land, in dem man heute ankommen, sich morgen kostenlos testen lassen und innerhalb einer Woche beginnen konnte, antiretrovirale Medikamente einzunehmen“, sagt sie. In diesem Jahr aber ist dieses System zusammengebrochen.

Die größte Epidemie der Welt 

Südafrika leidet unter der weltweit größten HIV-Epidemie. Doch zusammen mit seinen Nachbarländern Simbabwe, Mosambik und Malawi hat es in den letzten Jahren bemerkenswerte Fortschritte gemacht und Todesfälle sowie Neuinfektionen verringert. Im vergangenen Jahr versorgte das südafrikanische Behandlungsprogramm – es ist das weltweit größte – etwa sechs der 7,8 Millionen Menschen in Südafrika, die nachweislich mit HIV infiziert sind, mit antiretroviralen Therapien (ART). ART werden oft in Tablettenform verabreicht. Sie senken die Konzentration des HI-Virus im Körper und verringern die Wahrscheinlichkeit, dass die betroffene Person das erworbene Abwehrschwächesyndrom (Acquired Immune Deficiency Syndrome – AIDS) entwickelt. 

Wandgemälde zur HIV/Aids-Sensibilisierung in einer Klinik am Stadtrand von Kapstadt im Jahr 2009.

Sexuell übertragbare Krankheiten

HIV/Aids plagt Südafrika weiterhin

Acht Milliarden Dollar hat das US-Programm „President’s Emergency Plan for AIDS Relief“ (PEPFAR) seit seinem Start im Jahr 2003 in Südafrika investiert. Im vergangenen Jahr gaben die USA mehr als 450 Millionen Dollar für die Bekämpfung von HIV in Südafrika. 

Zwei Jahrzehnte lang konnten öffentliche Krankenhäuser in Südafrika Menschen wie Erica Mbambu kostenlos mit ART versorgen. Seit 2016 war auch Präexpositionsprophylaxe (PrEP) verfügbar, die eine HIV-Infektion im Vorfeld verhindern konnte.

Wie Mbambu arbeitet auch Irene Jani, eine 28-jährige Migrantin ohne Papiere aus Malawi, als Sexarbeiterin in einem Slum in Johannesburg. Sie hat ungeschützten Sex mit Kunden; dafür zahlen diese mehr. Dank eines kostenlosen, weitgehend von der US-Regierung finanzierten PrEP-Medikaments konnte sie es bisher vermeiden, sich mit HIV zu infizieren. 

Im Januar dieses Jahres unterzeichnete Donald Trump jedoch eine Verordnung, mit der alle Auslandshilfen, einschließlich der Finanzierung von PEPFAR- und USAID-Programmen, eingestellt wurden. 

Dass diese Finanzmittel eingefroren wurden, ist für Südafrika verheerend: Mehr als 8000 Gesundheitsfachkräfte haben ihren Job verloren, Kliniken wurden geschlossen, Behandlungen unterbrochen und wichtige Forschungsprojekte eingestellt. 

Medizinische Fremdenfeindlichkeit

Wenig überraschend treffen die Kürzungen marginalisierte Menschen wie Erica Mbambu und Irene Jani am härtesten. Diskriminierende Einstellungen gegenüber Migrant*innen ohne Papiere verschärfen das Problem zusätzlich. „Die Krankenpfleger*innen weigern sich nun, uns Medikamente zu geben“, sagt Erica Mbambu. „Sie berufen sich auf Trump und sagen, dass die verbleibenden Medikamente für südafrikanische Staatsbürger*innen und ausländische Arbeitskräfte mit Aufenthaltsgenehmigung reserviert sind.“ Auch Irene Jani bekommt keine Prophylaxe-Medikamente mehr von den Kliniken, zu denen sie Zugang hat.

Simbabwische Migrant*innen warten am trockenen Flussbett des Limpopo, um nach Südafrika zu gelangen.

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Unwillkommen im Nachbarland

Erschwerend kommt hinzu, dass die Anti-Einwanderungsgruppe „Operation Dudula“ die Eingänge einiger öffentlicher Krankenhäuser blockiert und Migrant*innen ohne Papiere vertreibt, die medizinische Versorgung aller Art suchen, von Schwangerschaftsvorsorge über HIV-Behandlung bis hin zu Malaria-Diagnosen. „Operation Dudula“ bedeutet in der weit verbreiteten Sprache isiZulu „Operation Vertreibung“.

Es sei nicht die offizielle Politik der südafrikanischen Regierung, Menschen aus dem Ausland ohne Papiere die HIV-Behandlung zu verweigern, sagt Sandile Buthelezi, Generaldirektor des National Department of Health: „Jede*r Südafrikaner*in, der*die Klinikgelände blockiert, um Menschen lebenswichtige Versorgung zu versagen, muss damit rechnen, verhaftet zu werden.“

Doch die beruhigenden Worte des Direktors seien nichts als heiße Luft, sagt Tino Hwakandwe, ein Interessenvertreter der Zimbabwe Refugee Alliance in Südafrikas Hauptstadt Pretoria. „Krankenpfleger*innen sagen Migrant*innen ohne Papiere, sie sollen sich in ihren Heimatländern behandeln lassen. Und dann verkaufen sie ihnen unter der Hand HIV-Medikamente.“

Gefährlicher Schwarzmarkt

Erica Mbambu ist dazu übergegangen, medizinisches Personal zu bestechen, um an ihre Tabletten zu kommen. „Ich zahle Schmiergeld, weil ich nicht vorzeitig an unbehandeltem AIDS sterben möchte“, sagt sie. „Meine Kinder brauchen mich.“ 

Irene Jani hingegen kauft Medikamente, die aus dem 1500 Kilometer entfernten Malawi über die Grenze geschmuggelt werden. Die Tabletten werden auf der Straße für etwa 30 Dollar pro Monatsration verkauft. „Krankenpfleger*innen in Malawi stehlen die Medikamente aus den Apotheken staatlicher Krankenhäuser, weil Gesundheitsfachkräfte dort so schlecht bezahlt werden“, erklärt Jani. Ihre Bezugsquelle ist jedoch prekär: Auch die Kliniken in Malawi sind auf Finanzmittel von USAID angewiesen.

HIV-Medikamente ohne ärztliche Aufsicht einzunehmen, sei „ein Spiel mit dem Feuer“, sagt Ndiviwe Mphothulo, Präsident der Southern African HIV Clinicians Society. „Gefälschte HIV-Medikamente könnten auf den Markt gelangen und resistente Stämme von Syphilis, HIV oder Gonorrhö stärken. Menschen, die diese Medikamente ohne vorherige Leber- und Nierenuntersuchungen einnehmen, riskieren Organschäden.“

Jani fühlt sich unwohl mit den Medikamenten vom Schwarzmarkt, hat aber keine Wahl, wenn sie kein HIV bekommen will. Mbambu steht vor dem gleichen Dilemma und fragt: „Welche andere Möglichkeit haben wir denn?“

In einer Analyse zu den Folgen der PEPFAR-Kürzungen warnte die renommierte südafrikanische HIV-Expertin Linda-Gail Bekker gemeinsam mit ihren Co-Autor*innen, dass die Entscheidung der Trump-Regierung bis zum Jahr 2034 zu „bis zu 565.000 HIV-Neuinfektionen und 601.000 HIV-bedingten Todesfällen in Südafrika“ führen könnte. Der dauerhafte Verlust der US-Mittel könnte Jahrzehnte des Fortschritts zunichtemachen. Schon jetzt bedroht das Einfrieren der Mittel das Leben der am stärksten gefährdeten Menschen in Südafrika.

Ray Mwareya ist ein freier Reporter. Er berichtet über Gesundheitsthemen in Afrika. 
raybellingcat@gmail.com 

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