Internationale Migration

Internationale Solidarität

Internationale Migranten spielen in der Armutsbekämpfung eine zentrale Rolle. Sie könnten auch zur Entwicklung ihrer Herkunftsländer viel beitragen. Die MDG-Agenda hat diese Bevölkerungsgruppe völlig übersehen.
Anonyme Beratung für illegale Migranten im Gesundheitsamt Frankfurt am Main Rumpenhorst/picture-alliance/dpa Anonyme Beratung für illegale Migranten im Gesundheitsamt Frankfurt am Main

Es ist kein Geheimnis, dass die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) bis 2015 nicht erreicht werden. Von den acht Zielen, die 2000 festgelegt wurden, haben afrikanische Länder trotz nachweislicher Bemühungen nur wenige erfüllt.

In Togo zum Beispiel werden bis 2015 wahrscheinlich nur zwei der Ziele umgesetzt sein: Zum einen hat Togo bei der Primärbildung für alle Erfolge zu verzeichnen. Hier konnte das Land den Anteil der Kinder, die das letzte Grundschuljahr erreichten, von 38 Prozent im Jahr 1991 auf 74 Prozent im Jahr 2012 erhöhen. Der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen ist aber immer noch deutlich (64 zu 83 Prozent). Zum anderen könnte Togo das Ziel erreichen, die Verbreitung von HIV/Aids zu stoppen und eine Trendumkehr zu erwirken. Das Land reduzierte den Anteil der HIV-Infizierten von 4,2 Prozent im Jahr 2005 auf 3,2 Prozent in 2009.

Das erste MDG ist aber die größte Herausforderung. Es geht darum, den Anteil der Menschen zu halbieren, die nicht genug zu essen bekommen, und den Anteil der Menschen zu halbieren, die mit weniger als der Kaufkraft von einem Dollar pro Tag auskommen müssen. Hier tut sich Afrika schwer.

Für Erfolg werden Migranten eine wichtige Rolle spielen. Das zeichnete sich bereits Ende der 1980er Jahre ab. Damals stiegen die Geldtransfers in afrikanische Länder stark an, weil Arbeitsmigranten ihre häufig in Armut lebenden Familien finanziell unterstützten. Beispielsweise verzehnfachten sich die Heimatüberweisungen in Togo laut UN-Daten allein von 2000 auf 2011 um auf umgerechnet 337 Millionen Dollar.

In manchen Ländern machen solche Transfers mittlerweile fünf bis zehn Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Die Rücküberweisungen der Auswanderer haben geholfen, die Konsumausgaben in Afrika zu steigern, und treiben so das Wirtschaftswachstum an. Zudem stärken sie die Staatshaushalte, weil die Steuereinnahmen steigen. In ihrem Bericht zu den Entwicklungsländern 2012 benennt die United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) die Bedeutung der Geldtransfers der Migranten. Sie gelten als innovative Finanzierungsmöglichkeit für die Entwicklung dieser Länder. Nach 2015 wird die Bedeutung der Heimatüberweisungen sicherlich weiter wachsen.

Diese Transfers dienen also nicht nur den Familien, die das Geld bekommen. Die Angehörigen nutzen die Mittel derweil oft, um in die Bildung der Kinder und die medizinische Versorgung zu investieren. Das ist für das langfristige Wohlergehen besonders wichtig.

Ähnlich hat auch die innerafrikanische Migration die Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung verändert. Die Landbevölkerung profitiert von Geldtransfers aus der Stadt und der Zusammenhalt zwischen Angehörigen wird gestärkt. Seit jeher ist die Familie die Instanz, die sozialen Schutz vor Armut bietet. Das gilt besonders in Zeiten sozialer Krisen oder Umweltkatastrophen, wenn alle anderen Sicherungssysteme ausfallen.

 

Mögliche Ansatzpunkte

Die Auswanderer spielen also eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Herkunftsländer und somit auch für die Selbstverwirklichung der Menschen dort. Diese Dimension muss die Post-2015-Agenda berücksichtigen. Die Migranten sind es nämlich, die bereits jetzt einen großen Beitrag für die Entwicklung ihrer Heimatländer leisten.

Auch für die Länder, in denen sie arbeiten sind sie eine Bereicherung. Trotzdem erleben sie oft Leid, werden diskriminiert und ihre Menschenrechte werden verletzt. Viele Staaten weigern sich immer noch, die UN-Konvention zu den Rechten von Wanderarbeitern und deren Familien zu ratifizieren. In der Konsequenz werden viele Migranten Opfer von Ausbeutung und Schikanen aller Art.

Besonders beim Recht, sich frei bewegen zu können, wird die Ungleichheit deutlich, die immer noch zwischen Bevölkerungsgruppen herrscht: Ob man eine Ein- oder Ausreisegenehmigung bekommt, hängt oft davon ab, welche Hautfarbe man hat, ob man einen europäischen, amerikanischen oder afrikanischen Pass hat oder ob man reich oder arm ist. Ganze Bevölkerungsgruppen werden gegängelt und Opfer von Demütigungen aller Art, wenn sie in Konsulaten und Botschaften ein Visum beantragen. Als die UN den 18. Dezember zum Tag der internationalen Migranten ernannten, betonten sie ihr Bestreben, das Recht auf Mobilität von und für jeden anzuerkennen und zu stärken. Es bleibt abzuwarten, welche Bedeutung diesem Tag nach 2015 zukommt.

Viele illegale Einwanderer werden ausgebeutet – ob in Werften im Libanon, auf Baustellen in Deutschland und anderen EU-Mitgliedsländern oder in privaten Haushalten in aller Welt. Behörden können das nur schwer bekämpfen, da die Migranten nicht gemeldet sind. Aber gerade diese Arbeiter tragen wesentlich zum Wachstum der Gastländer bei. Ihnen müsste statt Ausgrenzung und Ausbeutung eine angemessene soziale Absicherung zustehen. Das ist notwenig für die persönliche und menschenwürdige Entwicklung der Migranten. Sie könnte sich zudem positiv auf den Beitrag der Arbeiter zur globalen Entwicklung auswirken und gehört deshalb auf die Post-2015-Agenda.

Ohnehin muss es für Migranten einfacherer und billiger werden, Geld in die Heimat zu überweisen.  Finanzinstitute haben schon früh den Segen der Transaktionen erkannt. Sie erheben hohe Gebühren auf formale Überweisungen. Auch Gastländer betreiben häufig restriktive Politik in Bezug auf internationale Geldtransfers, um Mittel möglichst in ihrem Land zu behalten. Es geht aber um Geld, das sich die Migranten hart erarbeitet hatten.

In einer Welt multilateraler Märkte, Globalisierung von Gedankengut, Technik und menschlichen Verhaltensweisen, kann Entwicklung nicht ohne internationale Solidarität und Zusammenarbeit funktionieren. Die verschiedenen Krisen, mit denen sich die Nationen konfrontiert sehen – von Kriegen bis Klimawandel – erfordern Global Governance und internationale Solidarität. Internationale Solidarität muss sich dabei in einer menschenwürdigen Behandlung von Migranten und Flüchtlingen niederschlagen. Ohne Solidarität gibt es indessen für die menschliche Spezies keine Zukunft. 

 

Samir Abi ist Wirtschaftswissenschaftler und Leiter der nichtstaatlichen Organisation Visions Solidaires in Togo.
samirvstg@gmail.com

 

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