Homophobie

Unmenschlich

Die Situation für Homosexuelle in Libyen war immer schwierig, aber seit ISIS einige Gebiete kontrolliert, hat sich die Situation noch verschlimmert. Die islamischen Extremisten bezichtigen drei junge Männer der Homosexualität und richteten sie im April in einer Moschee in Derna im Osten von Libyen hin. Die Szene war grausam: Die drei Angeklagten wurden nebeneinander gezwungen in einer Plastikwanne zu knien. Dort wurden ihnen in den Hinterkopf geschossen, während eine große Zahl von Menschen zuschaute.
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Die einzige Informationsquelle in Derna sind der Rundfunk und die Website von ISIS selbst. Die Terrorgruppe erlaubt keinen unabhängigen Journalismus in der Stadt. Am Tag nach der Hinrichtung veröffentlichte ISIS auf ihrer Website Bilder davon mit dem Titel: „Muslimische Massen bezeugen die Bestrafung dreier Homosexueller.“ Laut eines Zeugen, der anonym bleiben will, traut sich in Derna keiner über die Morde zu sprechen.

Menschenrechtsaktivisten erklären, dies sei das erste Todesurteil gegen Homosexuelle in der Geschichte des modernen Libyens. „Was ISIS gemacht hat, ist ein abscheuliches und unsägliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit,“ sagt der Aktivist Mohammad Khalifa.

Mohamed Allagui, Libyens Vertreter des Internationalen Strafgerichtshofs und ehemaliger Justizminister, glaubt, dass jedes Gericht ohne staatliche Legitimität unwirksam sei. Dennoch gibt er zu Bedenken, dass Homosexualität ein heikles Thema ist: „Es ist schwer, in einer konservativen und religiösen Gesellschaft darüber zu reden, zumal Homosexualität der islamistischen Lehre und den moralischen Werten des Landes widerspricht.“

Homosexuelle werden schon seit Jahrzehnten in Libyen verfolgt. Das libysche Recht verbietet alle außerehelichen sexuellen Aktivitäten und bestraft Homosexualität zwischen Männern mit drei bis fünf Jahren Gefängnis. Der 20-jährige Adam Annan sagt: „Wir werden andauernd verfolgt. Unglücklicherweise, wird unser Menschenrecht von vielen als abnorm betrachtet.“

Aktivist Muhammed Jumaa findet es „ungerecht und unvernünftig“, dass Menschen, die andere Menschen des gleichen Geschlechts lieben, verhaftet werden. Laut der ehemaligen Gesundheitsministerin Libyens Fatima Hamroush, „es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Homosexualität keine psychische Erkrankung ist oder bestraft werden muss.“ Sie fügt hinzu: „Die Kriminalisierung kommt von unserer religiösen Überzeugung und unserer muslimischen Erziehung.“

Früher war es ganz anders. „Vor Gaddafis Putsch 1969 waren sexuelle Beziehungen zwischen zwei Personen und außerehelicher Kontakt – ob zwischen Mann und Frau, zwischen zwei Männern oder zwei Frauen – straffrei, vorausgesetzt beide Seite waren damit einverstanden,“ sagt Rechtsanwalt Wael Ben Ismail. „In den 1970er-Jahren wurden die Gesetze geändert. Seitdem werden alle außerehelichen Beziehungen als Straftat gesehen.“


Reda Fhelboom ist Journalist und Menschenrechtsaktivist aus Libyen. Zur Zeit lebt er in Tunesien.
fhelboom@yahoo.com

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