Our view
Die Macht der Milliarden
  
                Dadi Prayoga
              Die Pirat*innen sind zurück – und sie haben die Reichen und Mächtigen im Visier: Die Totenkopfflagge aus der Animeserie „One Piece“, in der Piraten gegen Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch kämpfen, erlebt derzeit ein Revival. Von Nepal und Bangladesch bis Madagaskar, Marokko oder Peru weht sie über den Protesten insbesondere junger Menschen. Sie hat schon Regierungsstürze erlebt und war selbst bei Demonstrationen gegen die Politik von Donald Trump in den USA zu sehen.
So unterschiedlich die Bewegungen sind, sie eint die Wut auf korrupte Eliten und wachsende Ungleichheit. Und es ist kein Wunder, dass sich dieser Frust gerade jetzt Bahn bricht: Die weltweite Vermögenskonzentration hat riesige Ausmaße angenommen. Das Vermögen der Milliardär*innen hat sich seit 2015 weltweit mehr als verdoppelt, während Armut mittlerweile kaum noch sinkt.
Der steigende Einfluss der Superreichen
Wer viel Geld besitzt, hat auch mehr Möglichkeiten, Einfluss auf Politik zu nehmen – und das nutzen Vermögende zunehmend, wie Oxfam Anfang des Jahres feststellte. Das kann im Sinne des Gemeinwohls erfolgen, etwa über Stiftungen, Spenden oder Investitionen. Zu oft aber geht es vorrangig darum, Vermögen zu sichern und zu mehren, oder die eigenen politischen Vorstellungen durchzusetzen.
In Ländern des Globalen Südens dominieren vielerorts Eliten, deren Einfluss auf den Ungerechtigkeiten der Kolonialzeit fußt. Sie halten Land oder Rohstoffquellen, kontrollieren politische Ämter, beeinflussen Justiz oder Medien. Andernorts beeinflussen Drogenbosse oder Konzerne die Politik. Wer sich private Sicherheit leisten kann, hat wenig Interesse an grundlegender sozialer Versorgung. Das Ergebnis: kaum Fortschritt für den Großteil der Bevölkerung – und wachsende Wut auf jene, die Fortschritt blockieren.
Auch in den USA ist die Fusion von Reichtum und Macht nicht mehr zu übersehen. Superreiche investierten Millionen in Donald Trumps Wahlkampf, und er regiert in ihrem Sinne, schützt fossile Industrien und versucht Regulierung von Digitalunternehmen zu verhindern. Insbesondere die Tech-Milliardär*innen verfügen über enorme Macht: Ihre Plattformen bestimmen weltweit, welche Themen sichtbar werden – und damit, wie Menschen denken und handeln. Diese Allianz aus nationalistischer Politik und Tech-Eliten bedroht die gesamte regelbasierte Weltordnung.
Obwohl Europa weiterhin zu den Regionen mit der geringsten Ungleichheit zählt, wächst auch hier die Kluft und die Zahl der Superreichen steigt. Auch hier versuchen sie, durch Lobbyismus oder Medienmacht Einfluss zu nehmen, oder flüchten in Steueroasen. Innerhalb Europas ist Deutschland eines der Länder mit der höchsten Vermögenskonzentration.
Extreme Ungleichheit gefährdet Demokratie
Wenn Reichtum zu viel politischen Einfluss bekommt, ist das schlecht für die Gesellschaft, für das Klima und für Entwicklung. Viele verantwortungsvolle Vermögende fordern daher selbst eine stärkere Besteuerung. Die G20 diskutierten 2024 eine globale Milliardärssteuer; Frankreich debattiert Abgaben auf Vermögen ab 100 Millionen Euro.
Klar ist: Extreme Ungleichheit zerstört Demokratie. Sie ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Wenn Korruption zum Erfolg führt und Geld sich Einfluss kauft, untergräbt das auch das Vertrauen in das politische System. Eine Politik, die Reiche hofiert, während Armut und Unsicherheit steigen, bereitet den Nährboden für populistische Kräfte – und nicht selten für Autoritarismus.
Eva-Maria Verfürth ist Chefredakteurin von E+Z.
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