Gesundheit

Tödlicher Durchfall

Mehr als zwei Millionen Menschen sterben jährlich an Durchfall­erkrankungen. Zudem stellen diese Infektionen enorme finanzielle Belastungen für Familien und ganze Volkswirtschaften dar – nicht nur in Uganda. Durch bessere Sanitärverhältnisse und Impfungen wäre das leicht zu vermeiden.


[ Von Bastian Schnabel ]

In Entwicklungsländern erkranken vor allem unter Fünfjährige an Durchfall: Nach aktuellsten Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2009) sterben daran rund zwei Millionen Kinder jährlich. Besonders Cholera ist zunehmend zum Problem geworden: Zwischen 1998 und 2006 steckten sich rund 79 Prozent mehr Menschen mit der Infektionskrankheit an als zuvor. Allein in Simbabwe wird derzeit von mehr als 100 000 Infizierten ausgegangen.

Durchfallerkrankungen können die Entwicklung eines Landes nachhaltig beeinträchtigen: mikroökonomisch durch finanzielle Belastungen für medizinische Hilfe und körperlichen Ausfall Einzelner, makroökonomisch durch Arbeitausfälle und die entsprechenden Folgen für die Volkswirtschaft.

Da man davon ausgeht, dass Faktoren wie etwa die Klimaerwärmung, chronischer Wassermangel und Bevölkerungswachstum zu mehr Neuinfektionen führen werden, ist zu untersuchen, wie diese Krankheiten die sozioökonomischen Strukturen der betroffenen Regionen beeinflussen. Die Great Lakes Region in Ostafrika ist einer der „Hotspots“ für Durchfallkrankheiten, Uganda ist besonders betroffen. Zwischen 2003 und 2006 stieg dort die Anzahl an Neuinfektionen im ländlichen Raum prozentual von 4,4 Prozent auf 9,8 Prozent, in urbanen Gebieten von 2,2 auf 7,3 Prozent.

Mangelndes Hygienebewusstsein

Der Autor hat in drei verschiedenen Distrikten in Südostuganda Haushalts- und Einkommensstrukturen untersucht, um herauszufinden, inwieweit derartige Erkrankungen arme Haushalte in ländlichen und urbanen Gebieten bereits belasten. Berück­sichtigt wurden Kosten für Krankheitsprävention, medizinische Behandlung – auch Transport in Kliniken, Medikamente, spezielle Diäten und Nahrungsmittelergänzungen – und Arbeitsausfall betroffener Personen und der sie pflegenden Angehörigen. Nach Erkenntnissen der African Medical and Research Foundation (AMREF) hängt Ugandas problematische Gesundheitslage großteils damit zusammen, dass Gesundheitseinrichtungen oft weit entfernt sind und es teuer ist, sie zu erreichen.

Hauptgründe für die hohe Verbreitung von Durchfallkrankheiten sind der desolate Zustand der öffentlichen Gesundheits- und Wasserversorgung, zunehmende Urbanisierung und mangelndes Hygienebewusstsein. Nach Angaben des Uganda Bureau of Statistics sind im städtischen Raum weniger Menschen betroffen als auf dem Land. Allerdings wird nicht zwischen Slums und oft von Expatriates bewohnten Villengegenden differenziert.

Eigene Untersuchungen zeigten, dass Infektionen mit Durchfall­erregern überdurchschnittlich häufig in Slums vorkommen. Das ist vermutlich auf die prekäre Sanitärsituation sowie auf die generell beengten Lebensverhältnisse dort zurückzuführen ist. Die meisten Slums rund um Ugandas Hauptstadt Kampala sind nicht an das Abwassernetz angeschlossen, es herrscht Mangel an sanitären Anlagen. Hunderte von Menschen teilen sich oft einige wenige Latrinen.

Auch für Trinkwasser stehen die Menschen stundenlang Schlange, weil es nur eine Leitung gibt. Durchschnittlich kostet eine Durchfallerkrankung rund 20 Prozent, die Vorsorge bis zu 10 Prozent des Monatseinkommens eines Haushalts. Leitungswasser ist in urbanen Gebieten oft nicht trinkbar. Es bedarf großer Mengen an Holzkohle und Feuerholz, um das Wasser abzukochen, was nicht nur die Umwelt belastet, sondern auch teuer ist.

Gesundheits-Armuts-Falle

Professionelle medizinische Behandlung kostet sehr viel Geld. Die ugandische Regierung hat mit Einführung der National Health Policy (1999) die Gebühren für öffentliche und staatliche Gesundheitseinrichtungen abgeschafft, die es jedoch fast nur in größeren Städten gibt. Die meisten Kliniken sind chronisch unterfinanziert, qualifizierte Fachkräfte fehlen. Daher suchen viele Erkrankte lieber private oder von NGOs finanzierte Gesundheitseinrichtungen auf. Durchschnittlich kostet eine Behandlung sechs bis sieben Prozent des monatlichen Haushaltseinkommens – auch werden die Ausgaben für Medikamente oft nicht vom öffentlichen Gesundheitssystem getragen. Auf dem Land ist eine Behandlung um rund 20 Prozent teurer als in urbanen Gebieten, weil es weniger öffentliche Einrichtungen gibt und Anfahrtswege weiter sind.

Weniger drastisch schlägt sich der Arbeitsausfall auf den privaten Haushalt nieder, da die Betroffenen, anders als bei Krankheiten wie Gelbfieber oder Malaria, nur kurzzeitig ausfallen. Da viele arme Menschen im informellen Sektor oder in der Landwirtschaft beschäftigt sind, können Familienmitglieder ihre Arbeiten übernehmen. Das ist besonders dort üblich, wo die Mehrheit von der Landwirtschaft lebt.
Am teuersten kommen die von Durchfall betroffenen Menschen medizinische Behandlung, Nahrungsmittelergänzungen und Krankheitsvorsorge zu stehen. Medikamente, Transport oder Arbeitsausfall spielen im Vergleich dazu eine eher niedrige Rolle.

Mit etwa 35 Prozent greift die Mehrheit auf Ersparnisse zurück, um die anfallenden Kosten oder die geringeren Einnahmen zu bewältigen. Weitere 20 Prozent verkaufen Besitz – besonders die urbane Bevölkerung, da sie besseren Zugang zu Luxusgütern wie etwa Mobiltelefonen hat. Andere verschulden sich bei Familienangehörigen oder Nachbarn oder schränken ihren Konsum ein. Leider wirkt sich all das negativ auf die Haushaltsfinanzen aus und verhindert so ökonomische Entwicklung. Viele verarmen oder verlieren ihre Existenz, weil sie Haus und Land verkaufen mussten, um die Behandlung zu bezahlen. Diese „Gesundheits-Armuts-Falle“ (Medical Poverty Trap) behindert auch die Gesamtentwicklung eines Landes.

Dabei könnten Durchfallkrankheiten einfach und effektiv verhindert werden, indem:
– das Wasser- /Abwasser- sowie das öffentliche Gesundheitssystem ausgebaut werden,
– Hygiene- und Sanitärmaßnahmen auf nationaler Ebene, an Schulen und auf dem Land verstärkt werden,
– Impfungen durchgeführt werden, etwa gegen das Rotavirus, den Hauptverursacher tödlicher Durchfallinfektion bei Kindern. Diese senken die Kindersterblichkeit und sind, wie sich unter anderem in Vietnam zeigte, auch bezahlbar.

Für eine effektive Umsetzung sind aber mehr Gelder von bilateraler und multila­teraler Seite nötig.

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