Wildparks

Naturschutz wird als Antagonist betrachtet

Schutzgebiete im Kongobecken stehen derzeit unter heftiger Kritik. Staatliche Wildhüter sollen schwere Gewalttaten an Anwohnern verübt haben. Die deutsche Regierung unterstützt die Schutzgebiete finanziell.
Auch im Lobéké-Nationalpark in Kamerun gibt es Konflikte zwischen Wildhütern und der Bevölkerung. Fabian von Poser/Lineair Auch im Lobéké-Nationalpark in Kamerun gibt es Konflikte zwischen Wildhütern und der Bevölkerung.

Die aktuellen Vorwürfe sind nicht neu: 2016 reichte die Nichtregierungsorganisation „Survival International“ Klage gegen die Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ein, um Menschenrechtsverletzungen durch Wildhüter anzuprangern.

Ein Team des Postgraduiertenprogramms des Seminars für Ländliche Entwicklung (SLE) der Humboldt-Universität zu Berlin hat vergangenes Jahr drei Monate in Kamerun verbracht, um die Governance des Schutzgebiets im Lobéké-Nationalpark zu beleuchten. Der Konflikt zwischen Wildhütern und lokaler Bevölkerung war auch Thema vor Ort.

In jedem der besuchten Dörfer erhoben die Bewohner Gewaltvorwürfe gegen Wildhüter. Bemerkenswert war allerdings, dass die Mehrheit der Befragten angab, direkte Gewaltanwendung nicht selbst erlebt zu haben, sondern sich auf die Erzählung anderer stützte. Der Argwohn gegenüber den Wildhütern war aber groß. Die Wildhüter stehen der Bevölkerung ebenfalls misstrauisch gegenüber. Sie berichteten, sich während ihrer Patrouillen unsicher und bedroht zu fühlen. In ihrem Job ginge es um Leben und Tod, so ein junger Ranger: „Wenn ich heute eine Waffe konfisziere, ist es nicht die Waffe, die mich morgen tötet.“

Der Konflikt wird durch folgende Faktoren verschärft:

  • Der 2014 von WWF und der lokalen Organisation CEFAID begründete Beschwerdemechanismus gegen Menschenrechtsverletzungen durch Parkangestellte scheint nicht zu funktionieren: Der Mechanismus war den meisten der Befragten unbekannt.
  • Safari-Unternehmen haben in der Pufferzone des Parks die Rechtsdurchsetzung übernommen und kooperieren – ohne Einbeziehung ausgebildeter Wildhüter – mit dem kamerunischen Militär. Nach Aussagen der lokalen Bevölkerung geht dieses gewaltsam gegen sie vor und hindert sie an der Nutzung ihrer Wälder.
  • Der kamerunische Staat vernachlässigt seine Wildhüter: Ihre Arbeitsbedingungen sind schwierig, was für viel Frustration der mehrheitlich jungen Männer sorgt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieser Frust ihr Verhalten negativ beeinflusst.

Die internationale Aufmerksamkeit von Menschenrechtsverstößen in Schutzgebieten ist zu begrüßen. Doch: der Fokus auf den Konflikt zwischen Wildhütern und lokaler Bevölkerung scheint verfehlt. Er stellt nicht das größte Problem dar.

Schutzgebiete sind von sogenannten Pufferzonen umgeben. In Lobéké überlappen sich dort Konzessionen privater Unternehmen und lokale Agrarwirtschaftszonen. Die daraus resultierende Rechtsunsicherheit nützt vor allem den (inter-)nationalen Holz- und Bergbaufirmen sowie Safari-Unternehmen, welche sich der Kontrolle der Parkverwaltung weitestgehend entziehen. Die Einschränkungen, die diese Konzessionen für die lokale Bevölkerung bedeuten, finden in der medialen Debatte bislang kaum Beachtung.

Der Konflikt zwischen Wildhütern und Lokalbevölkerung ist Symptom eines größeren Grundproblems vor Ort: Naturschutz wird als Antagonist zu sozio-ökonomischer Entwicklung wahrgenommen. Dies ist nicht verwunderlich: Die Bevölkerung ist extrem arm und hat kaum Alternativen zur Jagd und Waldnutzung. Beides ist jedoch stark eingeschränkt. Darüber hinaus zeigt der kamerunische Staat in der Pufferzone nur schwache Präsenz, Basisinfrastruktur wie Straßen, Schulen oder Brunnen ist kaum vorhanden.

Viele der Befragten sehen die Parkverwaltung in der Pflicht, für ihre Grundbedürfnisse zu sorgen. Diesen hohen Erwartungen kann die überforderte Verwaltung aber nicht entsprechen.

Angesichts dieser Probleme fordern viele den Stopp von Geberzahlungen. Die bereits chronisch unterfinanzierten Schutzgebiete des Kongobeckens würden dann nicht mehr weiterbestehen können. Das wäre fatal – für bedrohte Tierarten wie Gorillas und Waldelefanten, doch auch für die Menschen vor Ort. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Schutzgebiete nach Auflösung entweder an private Unternehmen verpachtet oder von kriminellen Jägern eingenommen würden. Vor allem letztere Gruppe hat kaum Interesse, die Nutzungsrechte der lokalen Bevölkerung zu respektieren – und kann nur schwierig zur Rechenschaft gezogen werden.


Referenz
Lambini, C., et al, 2018: Konflikte, Partizipation und Co-Management in Schutzgebieten: Eine Fallstudie über den Lobéké-Nationalpark in Kamerun. SLE Studienreihe 2018 (im Druck).


Henrice Stöbesand gehörte dem Team des Seminars für Ländliche Entwicklung (SLE) an der Humboldt-Universität in Berlin an, das die Verwaltung des Schutzgebiets im Lobéké-Nationalpark untersuchte.
henrice.stoebesand@posteo.de

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