Menschenrechte

Schlechte Tradition

In vielen afrikanischen Ländern werden Frauen aus traditionellen Gründen im Genitalbereich beschnitten. Nicht wenige sterben an dem Eingriff, viele andere leiden noch lange daran. Vor einem Jahr hat Eritrea diese Praktik unter Strafe gestellt.

Schon seit der Unabhängigkeit 1991 wollte die Regierung Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) abschaffen. Das Verbot, das sie im März 2007 erlassen hat, sanktioniert Beschneidung, Mitwisserschaft und Beihilfe mit bis zu zehn Jahren Haft. Bisher sind die Wirkungen des Gesetzes nur punktuell, Verfahrenswege müssen sich erst herausbilden. „In jedem Fall stärkt das Gesetz Gegnern von FGM den Rücken“, weiß Frauenrechtsexpertin Diana Kuring. „Hebammen weigern sich inzwischen mit Hinweis auf das Gesetz, Frauen nach der Geburt eines Kindes wieder zuzunähen.“

Diese Erfolge sind aber auch Früchte langjähriger Aufklärungsarbeit. Denn viele Verantwortliche hatten Sorge, dass ein Gesetz die Praktiken in die Illegalität drängen könnte, wenn die Gesellschaft dafür noch nicht bereit sei. Protest gegen Beschneidung hatte sich vor allem während des langjährigen Befreiungskrieges gebildet, in dem Frauen und Männer gemeinsam gekämpft haben. Die Frauenunion, der weibliche Arm der Befreiungsbewegung, war dabei eine treibende Kraft.

In den neunziger Jahren noch wurden neun von zehn Mädchen beschnitten – die allermeisten als Säuglinge. Verlässliche Zahlen für den Rückgang gibt es nicht, da bisher nur Mädchen ab 15 Jahren beachtet wurden. Der Gynäkologe Christoph Zerm, der seit 2000 regelmäßig Eritrea bereist und sich mit dem Thema weiblicher Genitalverstümmelung beschäftigt, schätzt aufgrund der Angaben von eritreischen Kollegen, dass sich die Zahl der Betroffenen seitdem etwa halbiert hat.

„Seit der Jahrtausendwende etwa war das Thema fast täglich in der Presse“, berichtet Zerm. Dennoch ist es schwer, uralte Traditionen zu brechen. „Als sich Anfang 2007 zwei Distrikte FGM-frei erklärt haben, wuss­te die Regierung, dass die Gesellschaft so weit ist“, erzählt der Arzt, der in Kontakt zum eritreischen Gesundheitsministerium steht.

Jedes Jahr werden laut der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DWS) etwa drei Millionen Mädchen an ihren Geschlechtsorganen beschnitten – die meisten davon in Afrika. Je nach Schwere des Eingriffs unterscheidet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vier verschiedene Typen. Abgeschnitten werden mindestens die Klitoris, oft aber auch die Schamlippen. Bei der sogenannten Infibulation – der schlimmsten Form – wird die gesamte Genitalie herausgeschnitten und zugenäht, so dass nur eine kleine Öffnung zum Wasserlassen bleibt. Nicht wenige Mädchen sterben an den Folgen des Eingriffs – an Entzündungen oder weil sie verbluten. Zudem ist Genitalverstümmelung einer der Gründe für die hohe Müttersterblichkeit in Afrika.

Die Begründungen für diese Handlung sind sehr unterschiedlich. Nach Angaben von terre des femmes beruhen sie meist auf Überlieferungen. Verfechter sehen die Tradition als Vorbereitung auf das Erwachsensein, als Schutz der Jungfräulichkeit und als Reinigungsritual. (cir)

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