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Die Weltordnung der Oligarchen

Eine neue Art von Oligarch*innenen ist auf dem Vormarsch: Sie sind häufig autoritär, wenig an Stabilität interessiert, dafür aber sehr daran interessiert, Macht auszuüben – sei es durch politische Positionen oder technologische Dominanz. Welche Weltordnung schwebt ihnen vor?
Russische Holzpuppen namens Matroschka, die den russischen Präsidenten Wladimir Putin, den US-Präsidenten Donald Trump und den chinesischen Präsidenten Xi Jinping darstellen, in einem Souvenirladen in Moskau. picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Alexander Zemlianichenko
Russische Holzpuppen namens Matroschka, die den russischen Präsidenten Wladimir Putin, den US-Präsidenten Donald Trump und den chinesischen Präsidenten Xi Jinping darstellen, in einem Souvenirladen in Moskau.

Als Michail Gorbatschow 1985 mit den Reformen begann, die sechs Jahre später zum Ende der Sowjetunion führen sollten, setzte an anderer Stelle ein anderer folgenschwerer Prozess ein. In drei Ländern des Globalen Südens kamen Oligarchen an die Macht: José Sarney, Nachkomme einer alten Zuckerrohrfamilie, wurde zum Präsidenten Brasiliens gewählt und häufte schließlich ein Vermögen an, das wir auf 1,5 bis 2,5 Milliarden Dollar schätzen. General Ibrahim Babangida ergriff in Nigeria in einem gewaltfreien Staatsstreich die Macht und erlangte anschließend ein Vermögen, das wir auf 15 bis 30 Milliarden Dollar schätzen. Und Hun Sen, ein ehemaliger Regimentskommandeur der Roten Khmer, wurde zum Premierminister Kambodschas ernannt, ein Amt, das es ihm ermöglichte, ein Familienvermögen anzuhäufen, das wir heute auf 1 Milliarde Dollar schätzen. 

Nach unseren Analysen am Center for the Study of Oligarchs war 1985 das erste Jahr seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in dem die Zahl der Oligarch*innen, die Länder regieren, sowohl im Globalen Süden als auch im Norden zu steigen begann – ein Trend, der seither angehalten hat. Im Gegensatz zu anderen Definitionen, die Oligarch*innen als Mitglieder einer Oligarchie definieren – einer Regierungsform, in der die Macht von einer kleinen Gruppe von Menschen ausgeübt wird –, beziehen wir uns im Folgenden bei Oligarch*innen jedoch nicht nur auf eine bestimmte Herrschaftsform. Wir verstehen unter Oligarch*innen wirtschaftliche oder politische Akteur*innen, die entweder Reichtum oder Macht erlangen – und dann das eine nutzen, um das andere zu bekommen. Diese reichen und mächtigen Eliten sind überall auf der Welt und in der gesamten Weltgeschichte zu finden.

 

Die Bahamas gelten als Steuerparadies.

Oligarch*innen regieren einige der weltweit größten Volkswirtschaften

Im Jahr 2025 haben bisher 33 Oligarch*innen als Staats- bzw. Regierungschef*innen gedient oder tun dies noch immer. Dies zeigt, wie viel Einfluss sie weltweit haben. 82 % der Oligarch*innen stammen aus Ländern des Globalen Südens, und bis auf eine Ausnahme handelt es sich ausschließlich um Männer. Sechs der 20 größten Volkswirtschaften der Welt werden von Oligarchen regiert. Dazu gehören Chinas Xi Jinping, dessen Vermögen wir auf 1,6 Milliarden Dollar schätzen, Donald Trump in den USA, dessen Vermögen zuletzt auf 7,5 Milliarden Dollar geschätzt wurde, Wladimir Putin aus Russland, der unserer Schätzung nach 6 Milliarden Dollar kontrolliert, Prabowo Subianto, Indonesiens Präsident, mit einem Familienvermögen von etwa 135 Millionen Dollar, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der 100 Millionen Dollar kontrolliert, und der reichste der sechs, Mohammed bin Salman, der de facto Herrscher Saudi-Arabiens, dessen Vermögen auf mindestens 100 Milliarden Dollar geschätzt wird. Noch anschaulicher ist die folgende Zahl: 48 % des heutigen globalen BIP wird von Ländern erwirtschaftet, die von Oligarch*innen regiert werden.

Während der letzten 40 Jahre profitierten die Oligarch*innen von einer Welt, die unsicherer, ungleicher und institutionell instabiler geworden ist. Seit 2017, als Donald Trump seine erste Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten antrat und Mohammed bin Salman de facto Herrscher von Saudi-Arabien wurde, ist die liberale internationale Ordnung zunehmend in Auflösung begriffen. Gleichzeitig entstand eine neue Weltordnung der Oligarch*innen. Die Jahre von 1985 bis 2017 legten den Grundstein dafür, indem sie Oligarch*innen allmählich als Bestandteil der Weltwirtschaft und der internationalen Ordnung normalisierten.

Oligarch*innen profitieren von einer zunehmend instabilen Weltlage

Oligarch*innen können – je nachdem, ob sie zuerst zu Reichtum oder zu Macht gelangen – als unternehmerische oder politische Oligarch*innen klassifiziert werden, wobei ihr Reichtum und ihre Macht unterschiedlicher Art sein können. Reichtum kann selbst erworben, geerbt, durch Beziehungen erlangt oder eine Kombination aus allen drei sein. Macht gibt es in drei Formen: Entscheidungsmacht (z. B. als Staatsoberhaupt oder Regierungschef*in), Agenda-Setting (durch Medienbesitz oder finanzielle Beiträge zu politischen Aktivitäten) oder – wie die sogenannten „Tech Bros“ in den USA gezeigt haben – durch die Beeinflussung unseres Denkens und Handelns mittels Technologien wie Suchmaschinen oder künstlicher Intelligenz. Trotz ihrer Unterschiede und obwohl sie weitgehend unabhängig voneinander agieren, verfolgen Oligarch*innen ähnliche Strategien, die sie in eine gemeinsame Richtung führen. Wir nennen diese gemeinsame Richtung die „Weltordnung der Oligarch*innen“.

Die Weltordnung der Oligarch*innen ist durch sechs wesent­liche Merkmale geprägt. Erstens wird sie von drei strukturellen Faktoren angetrieben: Ungleichheit, Unsicherheit und institutionellem Wandel. Die zunehmende Vermögens- und Einkommensungleichheit hat dazu beigetragen, dass die Zahl der Oligarch*innen und ihr durchschnittliches Vermögen gestiegen sind, wodurch sie verschiedene Arten von Macht erwerben konnten. Zunehmende Unsicherheit schafft sowohl wirtschaftliche als auch politische Chancen, die Oligarch*innen besonders gut zu nutzen wissen. Und institutioneller Wandel, insbesondere der Niedergang öffentlicher Institutionen und der Rechtsstaatlichkeit, legt Oligarch*innen weniger Schranken auf und ermöglicht ihnen so, mehr Reichtum und Macht anzuhäufen.

Ein Oligarch, der all diese Faktoren für sich genutzt hat, ist Russlands Wladimir Putin. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus nahmen die Vermögens- und Einkommensunterschiede in Russland rapide zu, wodurch die erste Generation von Oligarch*innen entstand. Putin gewann beträchtliche öffentliche Unterstützung, indem er diese Oligarch*innen unter Kontrolle brachte – und zugleich selbst der Mächtigste von ihnen wurde. Gleichzeitig schuf die zunehmende Unsicherheit in dieser Zeit vielfältige Möglichkeiten zur Vermögensbildung und Machtakkumulation. Ohne diese Instabilität wäre Putins plötzlicher Aufstieg zur Macht Ende der 1990er-Jahre nicht möglich gewesen. Auch der Niedergang der Rechtsstaatlichkeit in Russland bot Putin die Möglichkeit, sowohl Reichtum anzuhäufen als auch – paradoxerweise – als starker Mann aufzutreten, der für Stabilität sorgt.

Zweitens wird die Weltordnung der Oligarch*innen immer autoritärer. Betrachtet man die sechs Oligarchen, die derzeit eine der 20 größten Volkswirtschaften der Welt regieren, so regieren sie alle autoritär. 47 % aller Oligarch*innen, die 2025 Staats- oder Regierungsoberhäupter waren, kommen aus Ländern, die von Freedom House als „unfrei“ eingestuft werden. Vor fünf Jahren waren es noch 42 %.

Drittens stellt die Weltordnung, die diese Oligarch*innen für sich selbst erschaffen, den Rest der Welt vor schwierige Entscheidungen. Die Oxford-Historikerin Margaret MacMillan sprach kürzlich über drei aufstrebende Einflusssphären mächtiger Oligarchen: Xi in Ostasien, Trump in der westlichen Hemisphäre und Putin in Eurasien. Der Rest der Welt muss sich schnell entscheiden, welcher Einflusssphäre er sich anschließen oder widersetzen will. Diese Entscheidungen werden voraussichtlich zu Konflikten führen und zugleich den Akteur*innen, die die richtige Wahl treffen, enormen neuen Reichtum bescheren. Die Weltordnung der Oligarch*innen wird die Welt also voraussichtlich noch instabiler machen. 

Viertens geht es bei der Weltordnung der Oligarch*innen ebenso sehr um die Schaffung von Reichtum für die Oligarch*innen wie um die Anhäufung und Ausübung von Macht. Heute sind sieben der zehn reichsten Menschen der Welt Oligarchen: Elon Musk, Larry Ellison, Mark Zuckerberg, Jeff Bezos, Larry Page, Bernard Arnault und Jensen Huang. Die meisten von ihnen sind in den USA ansässige „Tech-Bros“. Das war vor nicht allzu langer Zeit noch anders. So wurde beispielsweise Larry Ellison von Oracle im letzten Jahr vom Nicht-Oligarchen zum faktischen Kontrolleur mächtiger Medienunternehmen wie CBS, TikTok und möglicherweise auch CNN, sollte das Unternehmen seines Sohnes mit Warner Bros. Discovery fusionieren. Er ist heute der zweitreichste Mensch der Welt und einer der mächtigsten unter den Oligarch*innen. 

Fünftens ist die Weltordnung der Oligarch*innen schwer zu verstehen, weil sie nicht in unsere vorgefertigten Kategorien passt. Einige Oligarch*innen regieren Staaten, aber sie führen sie anders, als Staaten bisher geführt wurden. Nayib Bukele aus El Salvador beispielsweise kombiniert oligarchische Methoden wie Kontrolle, Personal Branding und selektive Strafverfolgung mit geschicktem digitalem Populismus und Kryptokapital. Viele Oligarch*innen üben ihre Macht jedoch auf nichtstaatliche Weise aus: durch die Kontrolle der Medien, durch finanzielle Beiträge oder durch die Dominanz in der Medien- oder der Technologiebranche – man denke wieder an Larry Ellison. 

Sechstens wenden Oligarch*innen verschiedene Strategien an, um die internationale Ordnung nach ihren Vorstellungen umzugestalten. Diese Strategien basieren darauf, Ungleichheit, Unsicherheit und institutionellen Wandel zu verstärken und auszunutzen. Die Folgen für die Weltwirtschaft und die internationale Ordnung, wie beispielsweise der Verlust an Stabilität und Vorhersehbarkeit, spielen für die meisten Oligarch*innen dabei keine Rolle. 

Wohin sich die Welt entwickeln könnte

Was wären die Auswirkungen, wenn sich diese oligarchische Weltordnung durchsetzt? Wir wagen vier Prognosen:

  1. Oligarch*innen müssen immer weniger Staaten vereinnahmen, um Reichtum und Macht zu erlangen. Stattdessen besteht das Machtmodell der neuen Oligarch*innen darin, Macht auch außerhalb des Staates in technologiegestützten Formen auszuüben, die im Wesentlichen unreguliert sein werden. Neben Medien- und Technologieoligarch*innen erwarten wir mehr Oligarch*innen wie den Unternehmer Ricardo Salinas Pliego aus Mexiko oder El Salvadors Präsidenten Nayib Bukele, der zwar staatliche Macht hält, jedoch die öffentlichen Institutionen schwächt und die Rechtsstaatlichkeit untergräbt. Beide fördern nichtstaatliche Geldformen wie Kryptowährungen und setzen aggressive Social-Media-Strategien ein, um die Einstellungen und Verhaltensweisen ihrer Anhänger*innen zu beeinflussen.
  2. Wird die Weltordnung der Oligarch*innen friedlicher oder konfliktreicher sein? Das ist schwer zu sagen, aber die autoritären Züge vieler Oligarch*innen lassen vermuten, dass Gewalt, sei es in Form von Kriegen oder inneren Unruhen, wahrscheinlich zunehmen wird.
  3. Die Welt der Oligarch*innen wird weiterhin von Männern dominiert werden. Auch wenn gelegentlich eine kleopatraähnliche Figur auftauchen mag, werden Pfadabhängigkeit und Gatekeeping Frauen wahrscheinlich weiterhin an den Rand des Oligarchenclubs drängen.
  4. Die Weltordnung der Oligarch*innen wird keine regelbasierte, liberale Ordnung sein, die auf Multilateralismus und Zusammenarbeit ausgerichtet ist. Es wird vielmehr ein Zeitalter rivalisierender Machtblöcke sein, in dem sich alle Akteur*innen entscheiden müssen, welchem Block sie sich anschließen oder entgegenstellen wollen.

Wie die oligarchische Weltordnung verhindert werden kann

Kann die Weltordnung der Oligarch*innen gestoppt, gestört, umgekehrt oder zumindest eingedämmt werden? Die dauerhafte Umkehrung früherer oligarchischer Ordnungen erforderte meist strukturelle Brüche wie Kriege oder Revolutionen. So wurden beispielsweise die japanischen Zaibatsu, mächtige Unternehmenskonglomerate, aufgrund der Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg und der anschließenden amerikanischen Besatzung zerschlagen. Dies brach die Macht der Oligarch*innen, und die Zaibatsu wurden durch das Keiretsu-System ersetzt, das bis heute besteht und die Konzentration großer finanzieller Macht verhindern soll. Revolutionen wie die in Kuba 1959 und in Bolivien 1952 reduzierten den Reichtum und die Macht der Oligarch*innen durch Verstaatlichung. Dies sind jedoch seltene Ereignisse, daher sollte man nicht allzu optimistisch sein, dass die jüngsten Trends leicht gestoppt oder umgekehrt werden können, wenn sie sich einmal etabliert haben.

Eindämmung könnte eine realistischere Strategie sein. Wie wir an anderer Stelle geschrieben haben, könnte eine solche Eindämmung aus den folgenden Elementen bestehen: 

  • Gesellschaften sollten die Art, wie Oligarch*innen denken und handeln und welche Faktoren ihren Aufstieg ermöglichen, besser verstehen lernen.
  • Sie sollten sich auf Regelungen einigen, die den Handlungsfreiraum von Oligarch*innen einschränken. Diese sollten insbesondere ihr Vermögen und ihre politische Macht begrenzen sowie die Möglichkeiten, das eine zu nutzen, um das andere zu erwerben.
  • Die Zivilgesellschaft sollte eine breit angelegte und weitgehend nichtstaatliche Initiative starten, mit dem Ziel, den Einfluss der Oligarch*innen zu begrenzen.
  • Bekämpfung von Feuer mit Feuer, indem man die Taktiken der Oligarch*innen gegen sie selbst einsetzt – und so ihren Reichtum und ihre Macht verringert. Dazu könnten Finanzhandelsstrategien oder die Nutzung von KI- und Blockchain-Technologien gehören.
     

David Lingelbach und Valentina Rodríguez Guerra sind die Gründer des Zentrums für Oligarchenforschung (www.oligarchcenter.org), wo sie als Vorsitzender und stellvertretende Vorsitzende tätig sind. David Lingelbach ist Professor für Entrepreneurship an der Universität von Baltimore, und Valentina Rodríguez Guerra promoviert in Management an der Universidad de los Andes. Gemeinsam veröffentlichten sie 2023 das Buch „The oligarchs‘ grip: fusing wealth and power“ (Der Einfluss der Oligarchen: Die Verschmelzung von Reichtum und Macht). Ihre nächsten Bücher, „Games without thrones: 8 leadership lessons from oligarchs“ und „The oligarchs of the Americas: from the Conquistadores to Silicon Valley“, werden 2026 erscheinen.
dlingelbach@oligarchcenter.org und vrodriguez@oligarchcenter.org

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