Kommunale Partnerschaften

Dünger für Demokratie

Kommunale Partnerschaften verbin­den und beteiligen Menschen un­mit­tel­bar. Wer Klima­schutz und Menschen­rechte auf seine Fahnen schreibt, braucht Bürger­meis­ter und Initiativen, die lokal dafür handeln. Je demokratischer, desto besser.

Selten weckte eine Naturkatastrophe eine ähnliche Hilfsbereitschaft in Deutschland wie der Tsunami, der an Weihnachten 2004 über Südostasien hereinbrach. Die einst rund 300 Hilfsprojekte gelten heute als abgeschlossen. Engagiert hatten sich, neben Einzelbürgern und Schulen, vor allem Kommunen.

Obwohl der Tsunami längst keine Schlagzeile mehr wert ist, pflegen viele Kommunen ihre Kontakte weiter – bis heute. Mit Vermittlung von InWEnt ermöglichte vor sechs Jahren zum Beispiel die Stadt Schwetzingen den Bau eines Waisenhauses in Sri Lanka. 25 Kinder, die durch die Flut ihre Eltern verloren, fanden ein neues Zuhause und haben bis heute dort Schulunterricht. Dramatische Fernsehbilder sind passé; trotzdem wird Schwetzingen das Waisenhaus weit über staatliche Programme hinaus unterstützen: Der Gemeinderat garantierte finanzielle Hilfe bis zum Jahr 2016.

„Staatliche Entwicklungsarbeit sollte viel mehr auf Kooperationen zwischen Kommunen setzen“, empfiehlt Wiesbadens Oberbürgermeister Helmut Müller. Lokal gewählte Bürgervertreter handeln in Müllers Augen in vielen Fällen nachhaltiger als eine Zentralregierung oder gar ein ausländischer Staat das könnten, weil sie Probleme nicht nur statistisch durchschauten, sondern gewohnt seien, örtliche Besonderheiten mit zu bedenken.

Unmittelbarkeit zählt: „Wenn wir den Gedanken der demokratischen Selbstverwaltung im Ausland ernst nehmen, müssen sich Menschen vor Ort füreinander interessieren, Kontakte miteinander pflegen, einander mailen und Anteil nehmen“, meinte Müller auf einer von KfW-Entwicklungsbank und Kon­rad-Adenauer-Stuftung ver­anstalteten Kon­fe­renz über Ent­wick­lung auf kommunaler Ebene im November in Frankfurt. Nicht nur Umweltkatastrophen wie der Tsunami vor sechs Jahren oder das jüngste Erdbeben auf Haiti, auch der Effekt von Bürgerkriegen oder einer geplatzten US-Immobilien-Blase seien immer lokal.

Aufgaben sind ähnlich

Ein zweiter, wichtiger Grund für kommunale Entwicklungspartnerschaften ist die Verwandtschaft der Inhalte, um die sich kommunale Arbeit in aller Welt dreht: Ein Bürgermeister aus Nicaragua steht vor ähnlichen Problemen wie sein deutscher oder italienischer Amtskollege: Abwassertechnik, Müllbeseitigung, öffentlicher Verkehr, Feuerwehr, Schulen und Krankenhäuser sind typische Kerngebiete, in denen Rathausmitarbeiter Erfahrungen austauschen können – übrigens in beide Richtungen, betont Oberbürgermeister Müller. Auch für Wiesbaden seien manche Probleme mit traditionellen Mitteln unlösbar geworden: „Dazu zählen ganz aktuell der Bedarf an Tagesmüttern und eine Kinderbetreuung, die unsere Stadt aus eigener Kraft nicht finanzieren kann.“ Zurzeit erwägt Hessens Landeshauptstadt, wie sie das Modell von Mikrofinanzierungen, das arme Länder mit Hilfe großer Entwicklungsbanken wie der KfW nutzen, für deutsche ­Tagesmütter „reimportieren“ könnte. Wie Kleinstkredite im Alltag funktionieren, kann Wiesbaden in seiner nicaraguanischen Partnerstadt Ocotal begutachten.

Herrschaftswissen für Volksvertreter

Daviz Simangos großer Wunsch ist mehr dezentrale Selbstverwaltung. Der Bürgermeister von Mosambiks zweitgrößter Stadt Beira gehört auf nationaler Ebene der Opposition an. Er beklagt, wie oft ausländische Budgethilfe an seinem Rathaus vorbeigeschleust wird. Auch wichtige Informationen werden oppositionellen Politikern systematisch vorenthalten. „Einen Austausch über Verwaltungsfragen mit einer deutschen Stadt würde ich mir von Herzen wünschen“, sagte der Gründer des Movimento Democrático de Moçambique (MDM) in Frankfurt. „Bisher haben wir keine Partnerstadt.“

Mosambiks größtes Problem ist, dass nur 43 Kommunen von insgesamt 128 ­Distrikten demokratisch gewählte Bürgermeister haben, schildert Simango. Die übrigen Führungen werden von Mosambiks Zentralregierung ernannt, unter autoritärer Kontrolle der Regierungspartei. Viele Geberländer versäumen in Simangos Augen die Chance, Sachverstand auch auf kommunaler Ebene zu vermitteln und Korruption an ihrer lokalen Wurzel zu bekämpfen. Größte Hürde auf dem Weg in eine funktionierende Demokratie ist nach seinen Worten der „Egoismus von Zentralregierungen“.

Der Deutsche Städtetag wäre durchaus gewillt, in diesem Sinne nicht nur Geld, sondern kommunales Wissen zu exportieren. Mehr dezentrale Kooperation zwischen Partnerstädten gäbe der internationalen Entwicklungszusammenarbeit neuen Schub, glaubt die Referentin für Auslandsangelegenheiten, Sabine Drees. Als Vorbild sieht sie Köln, eine Stadt, die trilaterale Kontakte sowohl nach Israel als auch in palästinensische Autonomiegebiete pflegt.

Von globalen Werten zu lokalen Visionen

„Auch zwischen armen Städten sind Kooperationen sinnvoll“, ergänzt Mary Jane Ortega, ehemals oppositionelle Bürgermeisterin der philippinischen Provinzhauptstadt von La Union. Unter ihrer charismatischen Führung gewann San Fernando zahlreiche Preise für gute Kinderbetreuung, transparente Verwaltung und eine wegweisende Umweltpolitik. Saubere Luft und gesundes kommunales Wasser bestimmten ihr Wahlprogramm. Ortegas Erfolgsrezept: Sie schaffte es, ihren Landsleuten die Vision eines „Botanischen Gartens“ im Norden der Philippinen zu vermitteln. Von San Fernandos Erfahrungen im Aufbau von Grünanlagen und beim Recycling profitiert heute wiederum die indische Millionenstadt Hyderabad.

Von einer DED-Fortbildung für öffentliche Verwaltung in Berlin, erzählt Mary Jane Ortega, sei sie kurz nach ihrer Wahl zur Bürgermeisterin „als neuer Mensch“ ins Rathaus heimgekehrt. Damals habe sie erkannt, wie eng demokratische Arbeit davon abhängt, gute Inspirationen für die eigenen politischen Ziele zu finden. Dazu gehörte auch ein für alle Bürger komponierter Song über die Vision San Fernandos als Gartenstadt, der über einen eigenen Radiokanal ausgestrahlt wurde. „Natürlich waren auch wir von unserer nationalen Regierung abhängig, um interkommunal zu kooperieren. Vor allem aber hatten wir eine Vision“, sagt Ortega.

Peter Hauff

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