Handelspolitik

Mehr als Marktöffnung

Die EPA-Verhandlungen der EU mit Staatengruppen in Afrika, Karibik und Pazifik sind ins Stocken geraten. Die EU täte gut daran, die Konditionen anzupassen und mehr auf die Wünsche ihrer Partner zu hören. Aber auch die Partnerländer sollten an ihrer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten und lokale Märkte stärken. Dann können die EPAs den betroffenen Regionen wahre Vorteile bringen.


Von Heiko Schwiderowski

Es ist ruhig geworden um die Economic Partnership Agreements, die EPAs: Sowohl die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen (NROs) und ihre „No-EPA-Initiative“ als auch die Europäische Kommission (EK) scheinen sich derzeit eine Auszeit zu nehmen. Die EK bemüht sich nicht sonderlich darum, weitere Abkommen mit den Staaten der AKP-Region (Afrika, Karibik, Pazifik) auszuhandeln. Selbst aus den Medien ist das Thema verschwunden – auch angesichts der Schuldenkrise in der Eurozone. Dabei wäre es aus Sicht der deutschen Wirtschaft durchaus wünschenswert, die Verhandlungen möglichst bald abzuschließen. Dass es weiterhin ungewiss ist, ob es reduzierte Zolltarife geben wird, ist für deutsche Ex­porteure ebenso unbefriedigend wie für die Unternehmen in den AKP-Partnerländern. Im Interesse beider Parteien sollte die EU ihre Konditionen in einigen Punkten überdenken und den Einwänden der AKP-Staaten mehr Gehör schenken.

Beispielsweise sehen die EPAs für sogenannte sensitive Produktgruppen Übergangsfristen und gar komplette Ausnahmen vor. Die Einnahmen aus diesen Bereichen sichern die Existenz für große Teile der Bevölkerung in der AKP-Region. Würden sie wegfallen, würde der entstehende Kaufkraftverlust auch den Absatz europäischer Waren dort erschweren. Es kann daher weder der europäischen noch der lokalen Seite daran gelegen sein, diese Einnahmequelle innerhalb kürzester Zeit zum Versiegen zu bringen. Nicht zuletzt konterkariert ein solches Vorgehen auch die Anstrengungen der Entwicklungszusammenarbeit, beschäftigungswirksame Wirtschaftszweige zu fördern. Die EK sollte zusammen mit den AKP-Ländern die Auswahl dieser Produkte und die Dauer der Übergangsfristen noch einmal überprüfen.

Des Weiteren müssen jene Förderprogramme besser erläutert werden, mit denen die EK die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in den Partnerländern stärken möchte. Auch hier muss die EK auf einzelne Länder eingehen: Projektvorschläge sollten von den Partnern selbst eingebracht, nachgefragt und weniger „am grünen Tisch“ in Brüssel konzipiert werden.

Bisher schaffen es vor allem die EU-Exportsubven­tionen und ihre verheerenden Konsequenzen in die ­Medien: Der Export von EU-Milchprodukten in die SADC, die südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft, oder von Geflügelfleisch (besser gesagt: Geflügelabfällen) hat jedermann den Widerspruch zwischen europä­ischer Entwicklungsarbeit und Agrarlobby vor Augen geführt. All das vollzog sich zu Lasten der Menschen in den Entwicklungsländern. Deren Existenz stand auf dem Spiel, obwohl oder gerade weil sie zuvor an europäisch oder bilateral geförderten Projekten zu nachhaltiger Landwirtschaft teilgenommen hatten. Die Doppelbelastung für den europäischen Steuerzahler darf an dieser Stelle auch nicht verschwiegen werden.

Ende der Agrarsubventionen

Allerdings kann das Problem aus zwei Gründen ­relativiert werden:
1. Die EU-Agrarexportsubventionen sollen im Jahr 2013 abgeschafft werden. Dann wäre die Überflutung insbesondere afrikanischer Märkte mit europäischen minderwertigen Nahrungsmitteln sehr wahrscheinlich vom Tisch.
2. Auch ohne die EU-Agrarsubventionen werden die afrikanischen Märkte mit Nahrungsmitteln überflutet, die außerhalb des Kontinents produziert werden. Im Vergleich zu den Importen aus der EU sind die Einfuhren aus Asien und Amerika von wesentlich größerer Bedeutung. Die Produzenten in Afrika müssen sich also auch auf eine andere Art und Weise wappnen, als nur auf das Ende der subventionierten EU-Exporte zu warten. Dies gelingt nur durch höhere Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Unternehmen – und nicht durch das Schließen der Grenzen.

Wesentlich kritischer sind die EU-Agrarsubventionen für die hiesige Landwirtschaft zu beurteilen. Dieser mit deutlichem Abstand größte Einzelposten im EU-Haushalt stellt die höchste Hürde für sämtliche Einfuhren aus der (verarbeitenden) Landwirtschaft in die EU dar. Die künstlich niedrigen Produktionskosten in der EU machen es insbesondere für „Neulinge“ aus den afrikanischen Ländern zu einem schier hoffnungslosen Unterfangen, in die EU zu exportieren. Dabei könnten die AKP-Länder den europäischen Markt gerade mit landwirtschaftlichen Produkten bedienen. Am Rande sei zudem angemerkt, dass die ordnungspolitisch fragwürdigen Subventionen den europäischen Nehmerländern bisher keine nennenswerten Fortschritte gebracht haben.

Dies alles entspricht nicht dem Geist der EPAs, die einen fairen Umgang miteinander anstreben. Die Verhandlungsführer der EU-Kommission können gegenüber den AKP-Vertretern nur dann glaubwürdig auftreten, wenn sie eine langfristige Strategie für den Aufbau wettbewerbsfähiger Strukturen in den AKP-Ländern mit EU-Mitteln vorweisen und gleichzeitig mit dem Ausstieg aus den EU-Agrarsubventionen beginnen. Doch so lange können die Menschen im Süden nicht warten. Auch andere Länder außerhalb des AKP-Raumes haben es geschafft, trotz der nichttarifären Handelshemmnisse in die EU zu exportieren. Es sind nicht nur Äpfel aus Neuseeland oder Südfrüchte aus Lateinamerika, die den Weg nach Europa finden, trotz der immensen Förderung der hiesigen Landwirtschaft. Es sind auch einfachste Konsumartikel aus Asien dabei. Die Frage ist, weshalb vergleichbare Produkte aus der Region Subsahara-Afrika hierzulande noch gänzlich unbekannt sind.

Das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der afrikanischen Wirtschaft zu steigern, ist in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit viel zu lange zu kurz gekommen. Freilich ist dies auch ein Versäumnis der lokalen Entscheidungsträger. So wird beispielsweise auch der intraregionale Handel bis heute vernachlässigt, Arbeitsplätze schaffen kann er daher kaum. Ursache sind in erster Linie Defizite in der Infrastruktur – es fehlen moderne Transportwege und eine zuverlässige Energieversorgung.

Genau hier müssen die EPAs ansetzen: Die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern darf nicht bei den (begrenzten) Möglichkeiten Halt machen, die EU-Märkte zu bedienen. Die Handelsmöglichkeiten auf den regionalen Märkten, in den Nachbarstaaten ebenso wie im Inland, müssen steigen. Dann wird es schwerer sein, Produkte von außen einzuführen, die auch vor Ort hergestellt werden, und Arbeitsplätze werden geschaffen.

Außerdem müssen sich die Waren aus den AKP-Ländern auf internationalen Märkten bewähren, denn ohne Wettbewerb gibt es auch keine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Quoten für Verkäufe in die EU und garantierte Preise würden langfristig das Gegenteil von wettbewerbsfähigen Strukturen bewirken. Dies hat zuletzt das Zuckerprotokoll der EU demonstriert: Mosambik, das eine gut funktionierende Zuckerproduktion hatte, hat sich auf die gesichert erscheinenden Einnahmen verlassen und Investitionen in diese Industrie vernachlässigt. Heute liegt dieser Industriezweig brach – ohne Hoffnung, dass er als ­Devisenbringer dem Land und seinen Menschen wird helfen können.

Die EK tut gut daran, die Verträge mit den AKP-Staaten nachzujustieren. Eine faire Partnerschaft verlangt auch Rücksichtnahme auf die Einwände der anderen Seite. Es liegt jedoch auch im eigenen Interesse der AKP-Länder, an der Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Unternehmen konsequenter zu arbeiten als bisher. Die Chancen auf nationalen, regionalen und internationalen Märkten können nur dann zur Armutsbekämpfung genutzt werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen in den Ländern geschaffen werden. Die EPAs bieten dazu eine gute Gelegenheit.

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