Außenpolitik

Paradigmenwechsel in der EU

Laut einer neuen Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) findet innerhalb der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU derzeit ein Paradigmenwechsel statt. Die EU verschiebt ihren Fokus von einer Stabilisierung und Transformation von Nachbarstaaten und -regionen hin zum Aufbau ihrer eigenen Resilienz gegenüber Krisen.
Federica Mogherini, die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, mit Jean-Claude Juncker, dem Kommissionspräsidenten. picture-alliance/dpa Federica Mogherini, die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, mit Jean-Claude Juncker, dem Kommissionspräsidenten.

Beobachter seien überrascht von der gesteigerten Aufmerksamkeit für die GASP, schreibt Annegret Bendiek, eine Wissenschaftlerin bei der SWP in Berlin, in einer kürzlich veröffentlichten Studie. Insbesondere in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) hat es bedeutende Reformen und Reformvorschläge gegeben. Zudem ist die EU bestrebt, ihre Institutionen durch einen schrittweisen Übergang vom Einstimmigkeits- zum Mehrheitsprinzip effizienter zu machen.

Bendiek begründet das Wiederbeleben der GASP mit mehreren politischen und juristischen Dynamiken. Darin eingeschlossen sind externe Faktoren wie:

  • die Rückkehr des Krieges nach Europa durch die Annexion der Krim durch Russland,
  • die Bedrohung durch Terrorismus und
  • die zunehmende Unberechenbarkeit der USA.

Das alte Paradigma war nach Ansicht Bendieks zu ambitioniert. Die 1993 durch den Vertrag von Maastricht etablierte GASP sollte Europa dazu befähigen, seine Nachbarn zu stabilisieren und transformieren. Allerdings konnte die EU bisher nicht dazu beitragen, Konflikte in ihrer europäischen, nahöstlichen und afrikanischen Nachbarschaft zu lösen oder einzudämmen. Stattdessen ist die GASP laut Beobachtern zu einem Instrument weniger mächtiger Mitgliedstaaten geworden.

Ziel der GASP ist jetzt das Aufbauen von Resilienz gegenüber internen und externen Bedrohungen – festgelegt in der neuen Globalen Strategie der EU vom Juni 2016. Darin wird Resilienz als Fähigkeit definiert, die EU gegen Angriffe zu verteidigen, Schäden zu reparieren und Strukturen aufzubauen, die weniger anfällig gegenüber Bedrohungen sind.

Ihre Umsetzung ist bereits in Arbeit, auch wenn einige Beobachter kritisieren, dass die Strukturen und Instrumente dafür nicht klar definiert sind. Der geplante Austritt Britanniens aus der EU hat diesen Prozess beschleunigt. Wie Bendiek schreibt, arbeitet die EU bereits daran, ihre Politikkohärenz in folgenden Bereichen zu verbessern:  

  • in der Sicherheitsunion,
  • der Verteidigungsunion und
  • der EU-NATO-Kooperation.

Die Sicherheits- und Verteidigungsunion sind formal getrennt, allerdings sollen Querschnittsthemen von Innen- und Außenpolitik in einem „integrierten Ansatz“ bearbeitet werden. Solche Themen sind beispielsweise Migration und Cybersicherheit.

Die Sicherheitsunion wird vor allem von der Europäischen Kommission vorangetrieben und zielt darauf ab, die europäische Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen zu vertiefen. Unter anderem hat die EU bereits ein Terrorabwehrzentrum im Europäischen Polizeiamt (Europol) eingerichtet, das Waffenrecht verschärft und eine Antiterrorismusrichtlinie verabschiedet.

Die Verteidigungsunion ist ein Projekt von Außen- und Verteidigungsministern zur engeren Koordination der Verteidigungsanstrengungen der Mitgliedstaaten. Beispielsweise soll die Einrichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds gemeinsame Investitionen in Forschung und Entwicklung ermöglichen.

Zur ihrer Verteidigung hat die EU schon immer mit der NATO zusammengearbeitet. Bendiek zeigt, dass beide Institutionen andere Länder stabilisieren wollen. Ihre Handlungen sollten sich daher ergänzen. Zudem planen die beiden Organisationen, bei der Verteidigung gegen Cyberangriffe stärker zusammenzuarbeiten.

Laut Bendiek wird die entstehende Sicherheits- und Verteidigungsunion zunehmend mächtiger werden. Schon jetzt arbeitet sie an typischen innenpolitischen Themen wie Migration, Cybersicherheit und Terrorismusbekämpfung mit. Beispielsweise hat die EU militärische Maßnahmen gegen Schmuggler ergriffen, um Menschenhandel und illegalen Waffenhandel zu verhindern.

In vier Bereichen wären laut Bendiek Reformen nötig:

  1. Die EU sollte ein Weißbuch zur Sicherheit und Verteidigung verabschieden, um europäische Interessen zu definieren und strategische Fragen zu klären.
  2. Die Ämter des Kommissionspräsidenten und des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik sollten fusioniert werden.  
  3. Entscheidungen sollten durch Mehrheitsbeschlüsse statt Einstimmigkeit getroffen werden.
  4. Das Europäische Parlament sollte die GASP kontrollieren.


Link
Bendiek, A., 2017: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU: Von der Transformation zur Resilienz.
https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2017S19_bdk.pdf

 

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