Peacebuilding

Großer Erfolg

Mit dem Friedensabkommen im Jahr 2000 hat Burundi eine Frauenquote in öffentlichen Ämtern eingeführt: Heute müssen offiziell 30 Prozent aller Posten mit Frauen besetzt werden. Es hapert jedoch an der Umsetzung. Gleichberechtigtes Miteinander erfordert auch mehr als nur eine Quote.
Politisch aktiv: Eine Frau in Burundis Hauptstadt Bujumbura lässt sich für die allgemeinen Wahlen 2010 registrieren. blickwinkel/Blinkcatcher/picture-alliance Politisch aktiv: Eine Frau in Burundis Hauptstadt Bujumbura lässt sich für die allgemeinen Wahlen 2010 registrieren.

Die Ermordung des ersten demokratisch gewählten Präsidenten in Burundi, Melchior Ndadaye, löste am 21. Oktober 1993 die längste und auch an Menschenleben teuerste Krise für alle Bürger Burundis aus. Die Folgen des Krieges zwischen den Bevölkerungsgruppen Hutu und Tutsi sind bis heute zu spüren. Er hat viele Menschen ohne jeglichen Halt zurückgelassen und viele Familien dezimiert. Die Straßen der Hauptstadt Bujumbura sind seitdem voll bettelnder Frauen und Kinder.

Im Bürgerkrieg verloren staatliche Institutionen ihre Legitimation und Funktionsfähigkeit. Obwohl sich die Konfliktparteien lange dagegen sträubten, erwiesen sich am Ende Verhandlungen als einzig möglicher Ausweg. Beim Friedensprozess unter dem Vorsitz von Nelson Mandela in Arusha, Tansania, entstand am 20. August 2000 ein Friedensabkommen.

Dieses Friedensabkommen sah eine Frauenquote von 30 Prozent in allen öffentlichen Ämtern vor. Dies war eine Überraschung, denn keine Konfliktpartei hatte solch eine Quote gefordert. Die wenigen Frauen, die ein politisches Amt innehatten, verdankten das de facto der Gnade männlicher Politiker. Im Folgenden werden die Entstehung der Quote und die Erfahrungen damit skizziert.


Der Kampf der Frauen

Unter dem burundischen Krieg litten Frauen besonders. Viele wurden zu Witwen und mussten plötzlich die Rolle des Familienoberhaupts übernehmen – oft ohne Einkommen oder gar ohne ein Dach über dem Kopf zu haben. Vergewaltigte Frauen brachten die Kinder ihrer Vergewaltiger zur Welt, und vertriebene Frauen flüchteten sich in Flüchtlingslager in Burundi, Ruanda, Tansania und der Demokratischen Republik Kongo.

Seit 1993 entstanden viele Frauenorganisationen und Initiativen – darunter zum Beispiel die CAFOB (Collectif des Associations et Organisations Non-gouvernementales Féminines) und die SPPDF (Synergie des Partenaires pour la Promotion des Droits de la Femme). Andere Initiativen bemühten sich, Witwen zu organisieren. Die Witwenvereinigung von Kinama (ABANIKI) zum Beispiel hilft Frauen in einem Ortsteil von Bujumbura, Einkommensquellen zu erschließen. Viele Frauenorganisationen werden von internationalen zivilgesellschaftlichen Organisationen und mittlerweile auch vom burundischen Ministerium für Nationale Solidarität unterstützt.

Bernardine Sindakira von der SPPDF sagt, die Frauenorganisationen hätten die Quote durchgesetzt. Dabei waren sie zunächst von den Friedensverhandlungen in Arusha ausgeschlossen worden. Sie erreichten dann aber, dass Ugandas Präsident Yoweri Museveni, der die Friedensinitiative zeitweilig leitete, ihnen den Beobachterstatus zugestand. Später wurden sie dann Teinehmer anerkannt.

Unter anderem formulierten sie eine international beachtete Deklaration. Sie trug dazu bei, dass der UN-Sicherheitsrat am 31. Oktober 2000 die Resolution 1325 verabschiedete. Sie ruft Konfliktparteien auf, Frauenrechte zu schützen und Frauen gleichberechtigt in Friedensverhandlungen einzubeziehen.


Schwieriges Engagement

Der vermutlich wichtigste Erfolg der burundischen Frauenorganisationen war aber sicherlich sie die Frauenquote von 30 Prozent auf allen Entscheidungsebenen öffentlicher Institutionen. Sie ist wichtig, um die Geschlechterrollen zu verändern. Frauen haben in Burundi traditionell keine Stimme in der Öffentlichkeit, wo sie sich Entscheidungen der Männer entgegenstellen könnten.

Die Quotenregelung wurde zunächst eingehalten: Die obersten Ämter des Staates wurden 2005 sogar zu 40 Prozent von Frauen besetzt: Das Land hatte einen männlichen Präsidenten, einen männlichen Vizepräsidenten und eine weibliche Vizepräsidentin, einen männlichen Senatspräsidenten und eine weibliche Präsidentin der Nationalversammlung. Wegen parteipolitischer Konflikte wurden die zwei Frauen jedoch wieder durch Männer ersetzt.

Ein ähnlicher Trend ist auch in den Provinz- und Kommunalverwaltungen zu beobachten. Zurzeit werden nur 136 von 2908 Distrikten (Collines) von Frauen vertreten – das sind 4,7 Prozent statt 30 Prozent. „Es wird noch viel Mobilisierung und Unterstützung bedürfen, um die Quote auch wirklich auf allen Ebenen durchzusetzen“, meint Sindakira. Weiterhin bestünden für Frauen, die sich politisch engagieren möchten, hohe Hürden.

Viele Frauen haben pragmatische Bedenken – vor allem möchten sie sich eine einvernehmliche Ehe bewahren. Vorsicht ist auch angemessen. In zu vielen Ehen gibt es Gewalt, und wenn eine Ehe scheitert, verliert die Frau oft ihre komplette Lebensgrundlage. Eine Obstverkäuferin in Bujumbura bringt das folgendermaßen auf den Punkt: „Die Frau geht in die Parteiveranstaltungen, zu denen auch ihr Mann geht um ,Ärger zu vermeiden‘.“

Um politische Verantwortung zu übernehmen, müssen Frauen aber öffentlich aktiv werden. Wie die Kommunalpolitikerin Marie-Suzanne Ndayisaba aus Rohero ausführt, die der Regierungspartei CNDD-FDD-Partei angehört, müssen drei Faktoren gegeben sein:

  • Die Frau muss ausreichend Zeit haben.
  • Sie muss regelmäßige finanzielle Beiträge leisten.
  • Sie muss Ideen haben, wie die Partei Herausforderungen und Probleme lösen kann.

Der Einfluss von Frauen in den Entscheidungsinstanzen könnte in der Tat größer sein. Die Grundschullehrerin Régine Nizigama urteilt, bisher habe die Frauenquote nicht zur Veränderung der Machtverhältnisse geführt: „Die Frauen in Führungspositionen haben Bedenken, Ansprüche zu erheben, wenn die Männer einmal nein gesagt haben.“ Viele fürchteten auch, ihren Job zu verlieren und arbeitslos zu werden, wenn sie sich aktiv einmischten.

Ganz ohne Erfolg ist die Quote freilich nicht geblieben. Einer Untersuchung der SPPDF zufolge haben kommunale und regionale Politikerinnen in den Provinzen Makamba und Cbitoke erheblich dazu beigetragen, häusliche Gewalt zu reduzieren. Die Politikerinnen treten den Männern entgegen, die ihren Frauen die Verfügung über Güter des gemeinsamen Haushalts verbieten oder die polygam leben. Solche Vergehen sind mittlerweile ins Strafgesetzbuch aufgenommen worden und können sanktioniert werden.


Unerfüllte Quote

Laut Ndagijimana Donatien von der SPPDF ist allerdings selbst die Quote von 30 Prozent noch zu niedrig. Denn die Repräsentanz von Frauen in der Politik habe auch Einfluss auf die Rolle von Frauen in der Gesellschaft. Die Parteiprogramme beispielsweise würden den Problemen von Frauen zu geringe Bedeutung beimessen. Zu den relevanten Themen zählen etwa die Berücksichtigung von Frauen bei der Erbschaft, die Beteiligung von Frauen an der Verwaltung von Haushaltsgütern und an der Familienplanung, die Rechtslage bei Vergewaltigungen sowie die Bestrafung von Polygamie. In diesen Bereichen würden Gesetzesbrüche oft einfach toleriert.

Aus Donatiens Sicht ist die beste Lösung, eine noch höhere Frauenquote zu erkämpfen sowie weiterhin die Männer dafür zu sensibilisieren, die Belange ihrer Ehefrauen, Schwestern und Mütter zu berücksichtigen. Die SPPDF ist jedenfalls entschlossen, dafür zu kämpfen.

 

Anne Niyuhire beschäftigt sich im EIRENE-Büro Grands Lacs mit  Ruanda, DRC und Burundi zuständig ist. EIRENE Internationaler Christlicher Friedensdienst gehört zum Konsortium Ziviler Friedensdienst (ZFD), der vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert und von Engagement Global ­administrativ unterstützt wird.
eirene-grandslacs@eirene.org

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