Stadtleben

Wie Expats Kriminalität in Europa und Brasilien sehen

Deborah Delbue ist eine junge Brasilianerin, die in Hamburg promoviert. „Ich fühle mich in Deutschland sicher“, sagt sie. „Als ich hier ankam, fand ich es seltsam, Gebäude ohne Wachpersonal und hohe Mauern zu sehen.“ Sie war überrascht, dass einige Balkone fast auf Straßenniveau liegen. In ihrer Heimatstadt sähe das aus wie eine Einladung für Einbrecher.
Balkone wie diese in Frankfurt/Main würden in Rio de Janeiro wie eine Einladung auf Einbrecher wirken. DEM Balkone wie diese in Frankfurt/Main würden in Rio de Janeiro wie eine Einladung auf Einbrecher wirken.

Delbue kommt aus São Gonçalo im Bundesstaat Rio de Janeiro, sie lebte dort in einer Gated Community (siehe Hauptartikel). In ihren Augen ist Hamburg grundsätzlich deutlich sicherer, wenn auch nicht frei von Kriminalität. In die Wohnung eines Freundes sei eingebrochen worden, berichtet Delbue. „Solche Vorfälle sind vergleichsweise selten“, fügt sie hinzu, „und persönliche Angriffe sind noch seltener.“ Ihrer Erfahrung nach betrifft die Kriminalität in Hamburg vor allem den Besitz der Menschen, ohne dass Leib und Leben bedroht werden. 

In Brasilien haben die Menschen sich an das Risiko von Gewaltverbrechen gewöhnt. In Europa ist die Lage besser, wie die Expats aus eigener Erfahrung wissen. Einer von ihnen, der Luis genannt werden möchte, zog nach London. „Das erste Mal, dass mir der Unterschied wirklich auffiel, war drei Wochen nach meiner Ankunft hier“, sagt er. „Ich ging mit einem Freund in einen Club und fuhr um 3 Uhr morgens allein mit dem Bus nach Hause. Ich war nervös und schaute mich um, aber es passierte nichts.“

Inzwischen ist er es gewohnt, nachts mit Kopfhörern durch London zu laufen und auf sein Handy zu schauen. „In Rio de Janeiro würde ich das nie tun“, sagt er. „Man muss immer auf der Hut sein.“ In England dagegen macht er sich keine Sorgen, an einer Straßenecke ausgeraubt oder in eine Schießerei zwischen Banden verwickelt zu werden.

Deutscher Expat

Auch Europäer in Brasilien merken den Unterschied. „Auf den Straßen von Rio darf man nichts Wertvolles mit sich führen und schon gar nicht sollte man jemandem seine Wertsachen zeigen“, sagt Bruno Costas, ein Deutscher, der vor zehn Jahren nach Brasilien kam. „Hier gibt es keine Polizeipräsenz, und so sterben unschuldige Menschen.“ Seiner Erfahrung nach sind Raubüberfälle und Tötungsdelikte in deutschen Städten viel seltener, sodass sich die Menschen dort viel weniger Sorgen machen.

Costas wohnt in einer Favela, einem jener Armenviertel, die Wohlhabende für kriminell halten, deren Bewohner aber oft den Zusammenhalt der Gemeinschaft schätzen (siehe meinen Beitrag hierzu auf www.dandc.eu). Der deutsche Auswanderer fühlt sich dort sicher: „Ich glaube, dass ich innerhalb meiner Favela mehr Sicherheit habe als außerhalb, denn die Bewohner kennen sich.“ Er weiß, dass in Rio viele Menschen Waffen haben – und viele von ihnen keine Polizisten sind.


Thuany Rodrigues ist Journalistin in Rio de Janeiro.
thuanyrodriigues@gmail.com

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