Zivile Krisenprävention

Große Worte, wenig Taten

Die Bundesregierung hat vor drei Jahren beschlossen, ihre Handlungsfähigkeit auf dem Gebiet der zivilen Krisenprävention zu stärken. Doch getan hat sie kaum etwas, beklagt das Institut für Entwicklung und Frieden an der Universität Duisburg-Essen (INEF).

Der Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ aus dem Jahr 2004 sah unter anderem vor, die nichtmilitärischen Instrumente zur Konfliktbearbeitung auszubauen. Das Ziel ist ein kohärentes, auch international abgestimmtes Vorgehen für Länder, in denen eine Gewalteskalation zu befürchten ist. Das ist ein hoher Anspruch, räumt INEF-Mitarbeiter Christoph Weller in einer im Mai vorgelegten Bewertung ein. Denn zwischen verschiedenen Ministerien sowie nichtstaatlichen Organisationen (NROs) ist kaum völlige Einigkeit zu erzielen, welche Schritte im Einzelfall präventiv wirken: Aussagen hierüber sind stets mit Unsicherheit behaftet und von Eigeninteressen der Beteiligten beeinflusst. Zudem kann man für zivile Konfliktbearbeitung nur schwer politische Unterstützung gewinnen, weil das Ausbleiben von Gewalt unspektakulär und der Beitrag präventiver Maßnahmen schwer messbar sind.

Weller vermisst jedoch Schritte der Bundesregierung, diese Probleme anzugehen. Um Krisen früher zu erkennen und Einwirkungsstrategien zu entwickeln, müssten die Ministerien ihre Frühwarnsysteme stärker vernetzen und Analysen mit NROs austauschen, die in den betroffenen Ländern arbeiten. Das ist laut Weller aber bislang kaum geschehen. So sei der Versuch, einen Ländergesprächskreis Nigeria aufzubauen, im Wesentlichen misslungen. Auch habe die Regierung versäumt, der Öffentlichkeit die Bedeutung von ziviler Krisenprävention besser zu vermitteln.

Zudem streiten laut Weller verschiedene Ministerien auf dem Feld der Krisenprävention um die Definitionsmacht in der Außen- und Sicherheitspolitik. Besonders das Verteidigungsministerium wolle sich nicht in eine Gesamtstrategie einordnen. Es präsentiere sich aber zugleich als Akteur der Krisenprävention, um Haushaltsmittel zu sichern. Dabei komme ihm die Vorherrschaft des traditionellen Sicherheitsdenkens zugute: Finanzmittel flössen weiterhin bevorzugt an das Militär, obwohl militärische Mittel kaum zu Krisenvorbeugung geeignet seien. Für Krisenprävention dagegen werde kein zusätzliches Geld bereitgestellt, so dass der Aktionsplan ein „Nischenprojekt vereinzelter ministerieller Arbeitseinheiten und Fraktionsmitglieder“ zu bleiben drohe.

Das INEF-Papier, das unter anderem amnesty international, drei Mitglieder des Beirats „Zivile Krisenprävention“ sowie der sicherheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag mitunterzeichnet haben, fordert institutionelle Reformen und deutlich mehr Geld für Präventionsarbeit. Die Bundesregierung solle einen prominenten Sonderbeauftragten für das Politikfeld ernennen und für ausgewählte Länder interinstitutionelle Kommissionen einrichten. Zivile Krisenprävention, so das Papier in Anspielung auch auf die Differenzen zwischen den beteiligten Ministerien, sei „nicht konfliktfrei zu haben“.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte dazu, mehr Kohärenz im Bereich Krisenprävention sei ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung. Mit dem Ressortkreis, dem die Beauftragten für Krisenprävention der verschiedenen Ministerien angehören, und dem Beirat aus Vertretern der Zivilgesellschaft, der den Ressortkreis berät, sei dies auch institutionalisiert worden. Im Mittelpunkt stehe aber die Ressortabstimmung; neue oder zusätzliche Institutionen seien nicht die Lösung. Wer das Vorherrschen eines am Militär orientierten Sicherheitsdenkens beklage, verkenne zudem, dass zahlreiche Maßnahmen etwa der Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der zivilen Krisenprävention dienten, ohne als solche besonders gekennzeichnet zu sein. Dennoch wolle die Bundesregierung die Haushaltsmittel für Krisenprävention wenn möglich weiter erhöhen. (bl)

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