Activismus

Menschenrechte in Gefahr

Die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat kürzlich ihren World Report 2017 veröffentlicht. Er gibt einen umfassenden Überblick über die Menschenrechtssituation in mehr als 90 Ländern. In seinem Einführungsessay warnt der HRW-Exekutivdirektor Kenneth Roth vor einer weltweit neuen Generation von autoritären Populisten.
Eine rechtsradikale indische Hindu-Gruppe feiert die Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump. picture alliance/AP Photo Eine rechtsradikale indische Hindu-Gruppe feiert die Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump.

Die Menschenrechte seien dazu da, Bürger vor staatlichem Missbrauch zu bewahren, erinnert Roth. Zahlreiche populistische Staatsoberhäupter würden sich um diese Werte aber nicht kümmern. Sie gäben vor, für „das Volk“ zu sprechen, und sähen Menschenrechte als Hindernis, die Nation vor angeblichen Bedrohungen und Übel zu verteidigen. Diese Populisten akzeptierten nicht, dass jeder Menschenrechte genieße, und machten ihre Anhänger glauben, sie selbst bräuchten diese Rechte niemals.

Als Gründe für den Aufstieg des Populismus im Westen sieht Roth, dass Menschen sich durch technologischen Wandel, die Weltwirtschaft und wachsende Ungleichheit zurückgelassen fühlten. Die Terrorismusgefahr verstärke das Angstgefühl. Einige Leute fühlten sich auch unwohl damit, dass sich die Gesellschaften ethnisch und religiös immer mehr durchmischten. Der Autor ärgert sich, dass einige Politiker behaupten, Menschenrechte nutzten allein Terrorverdächtigen, Asylsuchenden und anderen Minderheiten.

Populisten und ihre Anhänger verkennen in Roths Augen, dass man Rechte nicht einfach so, wie es einem gefällt, anwenden kann. Anderen Rechte abzusprechen, hieße, die eigenen Rechte aufs Spiel zu setzen. Viele westliche Politiker verlören ihr Vertrauen in die Menschenrechte, anstatt etwas gegen die populistische Gefahr zu unternehmen. Zudem kritisiert der HRW-Aktivist demokratische Politiker, die populistische Phrasen nachbeteten wie etwa die Forderung des ungarischen Präsidenten Viktor Orbán, die Grenzen Europas dicht zu machen. Roth nennt außerdem den neuen US-Präsidenten Donald Trump als Negativbeispiel, weil er Grundprinzipien von Toleranz verletze, Frauen beleidige, Minderheiten verunglimpfe, die freien Medien angreife und Migranten und Muslims stereotyp darstelle.

Roth sieht ähnliche populistische Tendenzen in vielen nichtwestlichen Ländern wie Russland, China, Indien, der Türkei, Ägypten und den Philippinen. Es gäbe einen weltweiten Trend von „starken Männern“, die hart gegen oppositionelle Stimmen und zivilgesellschaftliche Gruppen vorgingen und die unabhängigen Medien mundtot machten. Der Autor verurteilt auch die verheerenden Kriegsverbrechen des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, der schonungslos Zivilisten in den von der Opposition besetzten Landesteilen angegriffen hat, beispielsweise in Aleppo. Roth betrachtet auch die Vorbehalte einiger afrikanischer Staatschefs gegen den Internationalen Strafgerichtshof als selbstsüchtig (siehe Darleen Seda in E+Z/D+C).

Der HRW-Chef fordert „energisch für Grundrechte einzutreten und diese zu verteidigen“. Seiner Meinung nach sollen Menschenrechtsorganisationen Allianzen zwischen Gesellschaften und Ländern schmieden, die Nord-Süd-Kluft schließen und die Kräfte im Kampf gegen Autokraten bündeln. Die Medien sollten den gefährlichen Populismus aufdecken und seine langfristigen Auswirkungen darstellen. Sie sollten versuchen, Propaganda und manipulative „Fake News“ offenzulegen. Außerdem sieht Roth eine Verantwortung bei demokratischen Regierungen, die Menschenrechte zu verteidigen. Die Öffentlichkeit sollte darauf bestehen, wahrheitsgemäß von Politikern informiert zu werden. Fakten seien mächtig, deshalb würden Autokraten so viel Energie aufwenden, um unliebsame Wahrheiten zu unterdrücken.

In einem weiteren Essay schlägt die stellvertretende UN-Direktorin von HRW, Akshaya Kumar, vor, diejenigen, die Menschenrechte missbrauchen, beim Namen zu nennen und anzuprangern. Dies sei eine wichtige Strategie für Aktivisten, die neuerdings aber leider nicht mehr immer greife. Denn es gebe autoritäre Herrscher wie den philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte (siehe Alan Robles in E+Z/D+C), die sich mit ihren Gräueltaten sogar brüsteten. Als neue Taktik schlägt Kumar vor, diejenigen an den Pranger zu stellen, die die Täter unterstützen, indem sie Geld, Waffen oder andere Ressourcen zur Verfügung stellen. Diese seien vielleicht mehr von der öffentlichen Meinung abhängig als ihre Kunden.


Sabine Balk ist Redakteurin bei E+Z/D+C.
euz.editor@fs-medien.de


Link

HRW: World Report 2017.
https://www.hrw.org/sites/default/files/world_report_download/wr2017-web.pdf

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