Abfallmanagement

Leben im Dreck

In den Straßen der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu ist Müll allgegenwärtig. Der Ballungsraum Kathmandu bräuchte ein besseres Abfallmanagement. Dafür gibt es viele Vorschläge, aber es wird nur wenig getan.
Kathmandus Flüsse sind stark verschmutzt. Frank Bienewald/ImageBroker/Lineair Kathmandus Flüsse sind stark verschmutzt.

Kathmandus Straßen, Plätze, Bürgersteige und Wasserläufe sind übersät mit Müll. Die Menschen entsorgen ihren Müll auf öffentlichen Flächen, weil es kein geregeltes Abfallmanagement gibt. In der Regenzeit hat das besonders gravierende Folgen, weil Festabfälle das Abwassersystem und die Entwässerungskanäle verstopfen. Das führt zu Überschwemmungen in der ganzen Stadt.

Laut der Statistikbehörde lebten im Jahr 2013 1,7 Millionen Menschen im Ballungsraum Kathmandu Metropolitan City (KMC). Die Stadt ist sehr dicht bevölkert. Die Ressourcen sind knapp, der Druck auf die Infrastruktur ist enorm. Die Verwaltung ist nicht in der Lage, alle notwendigen Dienstleistungen anzubieten, wozu auch die Abfallbeseitigung gehört. Jahrzehntelange politische Unruhen und das schwere Erdbeben im April 2015 haben die Lage verschlimmert. Die Menschen sorgen sich um ihr tägliches Überleben – nicht um Müll, Hygiene und sanitäre Anlagen.

Früher waren die Bewohner Kathmandus selbst für die Entsorgung ihres Mülls zuständig. Organische Abfälle wurden kompostiert, und das wenige verwendete Plastik wurde meist wiederverwertet. Aber mit dem Bevölkerungswachstum und der wirtschaftlichen Entwicklung seit den 1960er Jahren wuchsen die Müllmengen. Derzeit kommen jeden Tag in Kathmandu rund 450 Tonnen fester Müll zusammen, ohne dass es ein System für dessen Entsorgung gibt. Es hat sich eingebürgert, den Abfall einfach in Flüssen zu entsorgen.

1971 half die deutsche Entwicklungsorganisation GTZ, die inzwischen GIZ heißt, beim Aufbau einer Mülldeponie in Gorkana. 1986 ging die Anlage erstmals in Betrieb. In den folgenden 14 Jahren wurde sie jedoch immer wieder zeitweise geschlossen, bis ihr Betrieb im Jahr 2000 endgültig eingestellt wurde. Seitdem hat die Verwaltung der KMC mehrere Deponien in und außerhalb der Stadt eingerichtet, aber sie sind meist nur temporär.

Von 1994 bis 2000 nutzte die KMC die westlichen Ufer der Flüsse Bishnumati und Bagmati als Müllhalden. Die Deponie am Bishnumati musste jedoch geschlossen werden, weil sie Vögel anzog, die eine Gefahr für die startenden Flugzeuge des nahe gelegenen Flughafens waren. Später wurde ein Gebiet am Zusammenfluss der beiden Flüsse genutzt, doch aufgrund von Protesten und Sorgen um die Umwelt wurde die Deponie 2005 ebenfalls geschlossen.

Pläne für neue Müllhalden stoßen meist auf starken Widerstand (siehe Kasten). Die Menschen fordern den Bau von Krankenhäusern, Schulen und besseren Straßen; sie wollen, dass ihre Häuser an Wasser- und Stromleitungen angeschlossen werden. Und sie wollen keine Mülldeponien in ihrer Nähe haben.


Tote Flüsse

Der Müll hat den Bagmati optisch verschandelt, und biologisch ist der Fluss tot. In dem Wasser gibt es praktisch kein Leben mehr, und an den Ufern gibt es nur vereinzelte Flecken, auf denen etwas wächst. Damit sank auch die Attraktivität der Sehenswürdigkeiten entlang des Flusses und seiner Nebenläufe. Nepals Wirtschaft hängt stark von den Einnahmen aus dem Tourismus ab. Schon allein deshalb kann sich der Himalaya-Staat die Vernachlässigung seines kulturellen Erbes nicht leisten. Gleichwohl sind alle Flussufer zu informellen Müllhalden geworden.

Seit 2005 nutzen die Behörden eine temporäre Deponie im Bezirk Nuwakot. Deren Kapazität ist jedoch so gering, dass auch angrenzende Gelände genutzt werden. Außerdem gab es Streit um das Hauptgelände. Infolgedessen leiden die Flüsse. Auch das einzige Müllsammel- und Verwertungszentrum von Kathmandu ist zu klein.  

Der Müll wird zunehmend zum Gesundheitsrisiko in der dichtbevölkerten Hauptstadtregion. Land, Wasser und Lebensmittel sind kontaminiert. Die Müllhaufen stinken. Häufig wird Abfall verbrannt und verschmutzt die Luft. Vor allem die arme Bevölkerung ist den Gesundheitsrisiken ausgesetzt, nicht zuletzt wegen der Verunreinigung des Trinkwassers durch den Müll. Viele öffentliche Wasserstellen liegen neben Müllhaufen. So können sich durch Wasser übertragene Krankheiten ausbreiten. Durch verstopfte Abflüsse staut sich Wasser, und die so entstehenden Pfützen sind Brutstätten für Moskitos und andere Krankheitsüberträger.

Wie in anderen Großstädten in Entwicklungsländern wurde auch in Kathmandu das Abfallmanagement vernachlässigt. Selbst die Mülldeponie in Gokarna funktionierte nie richtig und löste seit ihrer Gründung Proteste aus. Weder die Zentralregierung noch die Stadtverwaltung haben das Problem gelöst, obwohl öffentliche Unternehmen eingebunden wurden.

Eine Schwierigkeit besteht in der mangelnden Stadtplanung. Viele Straßen sind zu eng für die Lastwagen der Müllabfuhren, und auch für Müllcontainer fehlt oft der Platz – ganz zu schweigen von Kompostieranlagen. Die Bevölkerung interessiert sich trotz der Unannehmlichkeiten kaum für das Problem. Es ist nicht mehr üblich, organischen von anorganischem Müll zu trennen. Viel einfacher ist es, den Abfall irgendwo abzuladen oder zu verbrennen.

Auch die Kastenzugehörigkeit spielt eine Rolle. Müllarbeiter gehören meist der marginalisierten Dalit-Kaste an. Straßenkinder und Lumpensammler sammeln Müll ein und sortieren ihn. In den Augen der meisten Nepalesen ist der Umgang mit Müll keine ehrenwerte Arbeit. Kein Wunder also, dass das 2011 verabschiedete Abfallmanagement-Gesetz nicht strikt umgesetzt wird. Die bittere Ironie dieser Haltung ist, dass jeder in der Stadt inmitten von Dreck lebt. 


Möglicher Ausweg

Um das zu ändern, benötigt Kathmandu dringend vernünftige, offizielle Mülldeponien, die gut verwaltet werden. Die Politiker müssen mit den Bürgern vor Ort verhandeln, und die Anrainer müssen finanziell ausreichend entschädigt werden. Auch Schulen und Gesundheitseinrichtungen in der Nähe von Mülldeponien könnten besonders unterstützt werden. Zur Finanzierung des Abfallmanagements könnte die Regierung auf die Unterstützung von Umwelt- und Klimafonds oder Hilfsorganisationen zurückgreifen.

Kathmandu braucht einen Paradigmenwechsel zu einem ganzheitlichen Ansatz der integrierten Abfallwirtschaft. Umwelteffizienz und soziale Akzeptanz sind genauso wichtig wie Wirtschaftlichkeit. Neben Entsorgung gehören auch Müllvermeidung und Recycling dazu. Verhaltensänderungen müssen sowohl in Privathaushalten als auch in der Industrie stattfinden. Organischer Müll, Plastik- und Papiermüll müssen getrennt entsorgt werden, um sie so gut wie möglich wiederzuverwenden. Die Menschen müssen lernen, Müll als Ressource zu begreifen und nicht als Belastung.

Die Herausforderungen sind enorm, aber politische Entscheidungsträger können etwas ändern. Es müssten Anreize geschaffen werden, damit die Menschen ihren Müll verantwortungsbewusst entsorgen. Möglich wäre ein Pfandsystem für Getränkedosen und -flaschen wie in Deutschland, wo Mülltrennung seit den 1990er Jahren praktiziert wird.

 

Roshan Sharma ist Fachmann für das Management natürlicher Ressourcen. Er absolviert derzeit einen Postgraduierten-Studiengang an der Technischen Universität Köln.
roseanstore@hotmail.com

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