Kenia

Trügerische Ruhe

Sechs Monate nach der Bildung einer Regierung der nationalen Einheit in Kenia ist wieder Ruhe ins Land eingekehrt. Die große Koalition zwischen der Party of National Unity (PNU) und dem oppositionellen Orange Democratic Movement (ODM) hält noch – trotz anders lautender Prophezeiungen. Laut einem jetzt veröffentlichten Bericht der Minority Rights Group International (MRG) bedeutet dies aber noch lange nicht, dass die neue Regierung ihre Anfang des Jahres gemachten Versprechen eingehalten hat.

Kurz nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Dezember 2007 war es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Anhängern beider Parteien gekommen. Dabei wurde gemordet und geplündert, vergewaltigt und gefoltert: Bei diesen scheinbar ethnisch motivierten Konflikten kamen bis zu 1 500 Menschen ums Leben, etwa 400 000 wurden vertrieben. Bis heute leben viele der Opfer in provisorischen Lagern – auch wenn die neue Regierung kurz nach ihrem Amtsantritt schnelle Besserung versprochen hatte. Doch nach der erzwungenen Auflösung vieler Vertriebenenlager floss die zugesagte Hilfe nur spärlich. Diejenigen, die Geld für den Neuanfang bekamen, waren meist Kikuyu, also Mitglieder der größten ethnischen Gruppe in Kenia, die Präsident Mwai Kibaki und die PNU unterstützt.

Minderheiten und indigene Gruppen gingen dagegen meist leer aus. Sie verloren ihr Land nicht unbedingt aus politischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen. Bis heute wurden sie dafür nicht entschädigt. Deshalb warnt die MRG in ihrem Bericht: Durch diese Ungleichbehandlung könne ethnische Gewalt jederzeit wieder ausbrechen.

Auch darüber hinaus sieht die NRO die Bilanz der kenianischen Regierung höchst kritisch. Wichtige politische Projekte seien noch nicht implementiert worden, heißt es. Zwar wurden zwei neue Ministerien geschaffen – eins für den marginalisierten Norden, eins für die im Westen des Landes vernachlässigten Fischer. Dies liegt jedoch laut MRG-Bericht nur an der Tatsache, dass beide Parteien ihre Wähler in den betroffenen Regionen halten wollen. Beobachter bemängeln, dass die neuen Ministerien nichts ausrichten können – ihre finanziellen Ressourcen seien dafür zu gering.

Auch das Versprechen, im ersten gemeinsamen Regierungsjahr endlich die Verfassung zu ändern, wurde noch nicht ernsthaft in Angriff genommen. Seit Jahren schon steht dies auf der Agenda – auch jetzt könnte es aber wieder am politischen Willen mangeln. Immerhin hat der ODM-Minister für Landwirtschaft ein Konzept für ein höchst umstrittenes Projekt vorgelegt: die Landreform. So dringlich das Thema aber auch ist, es wird – so die Erwartung – am Einspruch der PNU scheitern. Dort nämlich sitzen diejenigen, die das meiste Land besitzen – die Kikuyu.

Für einen weiteren Rückschlag hatte die ODM gesorgt, als einer ihrer Minister eine umfassende Amnestie vorschlug. Diejenigen, die an der jüngsten politisch motivierten Gewalt beteiligt waren, sollen juris­tisch nicht belangt werden. So war es nach den gewaltsamen Konflikten im Zusammenhang mit den Wahlen von 1992 und 1997 geschehen. Menschenrechtsorganisationen warnen deshalb, dass die vom Staat geförderte Kultur der Straflosigkeit weitere Konflikte schüren würde. Doch auch die PNU kritisierte den Vorschlag, immerhin sind die meisten Inhaftierten Anhänger der ODM.

Die MRG empfiehlt in ihrem Bericht deshalb vor allem die juristische Aufarbeitung der Gewaltakte und die Verabschiedung einer Verfassungsreform – dafür müsse der Druck auf die kenianische Regierung im In- und im Ausland erhöht werden. (sz)

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Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.