Frauenrechte

Zweischneidige Reform

In Kenia hatten regulär beschäftigte Frauen bis 2007 Anrecht auf zwei Monate bezahlten Mutterschaftsurlaub. Als dieser Anspruch um einen weiteren Monat verlängert wurde, begannen die Privatunternehmen weniger Frauen in gebärfähigem Alter einzustellen. Gesellschaftlich werden arbeitende Frauen jedoch zunehmend akzeptiert: Die Zahl der alleinerziehenden Mütter, die sich auf Stellen bewerben, ist gestiegen und es arbeiten mehr Frauen in höheren Positionen.


Von Larisa Brown

Im Jahr 2007 führte Kenia ein neues Arbeitsgesetz ein, das den Anspruch auf Mutterschaftsurlaub von zwei auf drei Monate erhöhte. Das gilt zusätzlich zu dem Monat Jahresurlaub, der allen Arbeitnehmern zusteht. Die Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs war eine Reaktion auf Veränderungen in der kenianischen Gesellschaft, in der zunehmend eine Mittelschicht entsteht. Mehr alleinstehende Frauen bewerben sich auf Arbeitsplätze und insgesamt gehen mehr Frauen arbeiten. Frauen mit Ausbildung werden heute weniger stigmatisiert als in der Vergangenheit.

Ungleichheit zwischen Männern und Frauen

Laut Kenias staatlichem Statistikamt sind in dem ostafrikanischen Land zwei Millionen Menschen regulär beschäftigt. Obwohl Frauen mehr als die Hälfte der Bevölkerung stellen, beträgt ihr Anteil am formellen Sektor nicht ganz 29 Prozent und ist letztlich sogar zurückgegangen. Zuvor lag er bei über 30 Prozent.

Besonders deutlich war dieser Rückgang nach der Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs. Zwischen 2008 und 2009 stieg die Zahl der Arbeitnehmer um 56 000, wobei 73 000 Männer mehr und 16 700 Frauen weniger als vorher in einem Angestelltenverhältnis standen.

Diese Beschäftigungszahlen sind kein zwingender Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen der Reform und dem sinkenden Anteil von Frauen im formellen Sektor. Aber offenbar hat der Mutterschaftsurlaub in ganz Kenia gewaltige Auswirkungen. Venantio Karanja Mwangi leitet die private kenianische Arbeitsagentur Venavic: „Der Schwangerschaftsurlaub ist eine große Herausforderung. Die Arbeitgeber zögern, Frauen zwischen 20 und 40 einzustellen. Sie wollen sie nicht während einer Schwangerschaft bezahlen.“

Arbeitgeber seien zudem überzeugt, dass junge Mütter nach dem Mutterschaftsurlaub mehr Fehltage aufweisen, etwa wenn ihre kleinen Kinder krank werden: „Nachdem ein Unternehmen einer Frau eine Absage erteilt hatte, rief ich dort an, um die Gründe zu erfahren. Das Kind der Frau war noch kein Jahr alt und man befürchtete, sie werde wegen des Kindes zu häufig fehlen.“

Einerseits zeugt der längere Mutterschaftsurlaub von einem positiven Einstellungswandel der Gesellschaft. Das Gesetz soll mehr Frauen ermöglichen, in höheren Positionen zu arbeiten und gleichzeitig Kinder großzuziehen. Andererseits beklagen führende Vertreter des Privatsektors die Belastung für Unternehmen, wenn sie arbeitende Mütter unterstützen müssen, ohne Arbeitsleistung dafür zu bekommen.

Für kleine Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern seien die Auswirkungen des Mutterschaftsurlaubs besonders gravierend, sagt Mwangi. Wenn eine kleine Firma nur eine Buchhalterin habe, könne sie schlecht drei Monate ohne sie auskommen, argumentiert der Arbeitsvermittler.

Deshalb stellt sich vielen Frauen das Problem, dass sie für ihre Rückkehr nach dem Mutterschaftsurlaub keine Arbeitsplatzgarantie haben. Ihre Vertretung übernimmt ihren Platz häufig auf Dauer. „Im vergangenen Jahr lagen mir die Aussagen von sechs Frauen vor, die Mutterschaftsurlaub genommen hatten und bei ­ihrer Rückkehr ihren Arbeitsplatz besetzt vorfanden“, berichtet Mwangi. „Zurückkehrende Mütter werden häufig in niedrigere Positionen zurückgestuft, damit ihr Ausfall die Firma nicht so stark beeinträchtigt.“

Schwanger und gefeuert

Es kommt auch vor, dass Frauen der Mutterschaftsurlaub verweigert wird und sie entlassen werden, sobald sich Anzeichen einer Schwangerschaft zeigen. Vergangenen September beschuldigte die kenianische Gewerkschaft für Schneider und Textilarbeiter ein Unternehmen in der Global Export Processing Zone am Athi River, 24 Frauen unrechtmäßig entlassen zu haben. Die Gewerkschaft wirft dem Unternehmen vor, die Frauen wegen ihrer Schwangerschaft gefeuert zu haben, damit sie den Mutterschaftsurlaub nicht in Anspruch nehmen konnten.

In der Praxis müssen viele Frauen in Kenia schon um ihr Recht auf einen Monat Urlaub im Jahr kämpfen, gar nicht zu reden von drei Monaten voll bezahltem Mutterschaftsurlaub. „Manchmal müssen Frauen sich entscheiden, ob sie ein Kind haben oder ihren Job behalten wollen“, sagt Mwangi. Er verweist auf einen Fall, in dem eine Computerexpertin mit befristetem Vertrag entlassen wurde, als sie schwanger wurde.

Laut Mwangi können Frauen, die über 35 Jahre alt sind, interessante Jobs in Unternehmen bekommen, aber für Frauen im gebärfähigen Alter sei die Lage schwieriger geworden: „Im Vorstellungsgespräch werden Frauen nach ihrem Familienstand, ihren Kindern und danach gefragt, ob sie weiteren Nachwuchs planen. Die Gesprächsführer graben manchmal tief, weil sie beurteilen wollen, ob über den Jahresurlaub ­hinaus Arbeitsunterbrechungen zu erwarten sind.“

Die Karriereleiter hinauf

Mwangi macht seinen Job seit 12 Jahren. Insgesamt sieht er die Lage optimistisch: „Die kulturellen Ansichten verändern sich“, sagt er. „Es gibt mehr Frauen in hohen Positionen, da die Arbeitgeber ihren Wert zunehmend schätzen.“ Ihn freut es zu beobachten, dass mehr Frauen die Karriereleiter erklimmen. „Und es gibt alleinstehende, unabhängige Mütter, die es schaffen, Arbeitsleben und Familie unter einen Hut zu bringen.“

Dies ist allerdings nicht leicht zu erreichen. Für viele arbeitende Frauen in Kenia ist die Kinderbetreuung ein großes Problem. Wer kümmert sich um das Baby, wenn der Mutterschaftsurlaub vorbei ist? Und ist die Lösung gut für das Kind? Das Pendeln zur Arbeit kann sehr zeitaufwändig sein und Verkehrsstaus lassen sich nicht voraussehen. Professionelle Kinderbetreuung ist teuer, so dass manche Eltern sich dafür entscheiden, die Kinder zuhause einzuschließen. Andere setzen auf informelle Kinderbetreuung und lassen Nachbarn oder Großeltern die Kinder beaufsichtigen. Eine andere Option ist, Schulabbrecher als billige Babysitter zu beschäftigen. Manche Frauen, die in der Stadt arbeiten, lassen die Kinder bei den Großeltern in den ländlichen Gebieten und sehen ihren Nachwuchs nur sehr selten (siehe Kasten).

Aus gesundheitlichen Gründen wird allgemein empfohlen, ein Kind sechs Monate lang zu stillen, um seine gute Entwicklung zu gewährleisten. Drei Monate Mutterschaftsurlaub sind dafür nicht ausreichend. Deshalb müssen in Kenia viele Vollzeit arbeitende Mütter ihren Babys Nährstoffe vorenthalten. Sie beneiden Frauen in europäischen Ländern, die längeren Mutterschaftsurlaub erhalten.

Da immer mehr Frauen arbeiten gehen, entstehen in Kenia neue Betreuungseinrichtungen für Kinder, die noch nicht im Schulalter sind. Einige Unternehmen investieren in Mitarbeiterkindergärten. Beispiele sind der größte Mobilfunkanbieter des Landes Safaricom sowie das Software-Unternehmen Craft Silicon. Wenn heute neue Wohngebiete gebaut werden, sind meistens auch Kindergärten vorgesehen.

Die Kinderbetreuungseinrichtungen bieten wiederum auch mehr Frauen einen formellen Arbeitsplatz. Für die große Mehrheit der kenianischen Mütter jedoch, die keiner regulären Arbeit nachgehen und kaum gebildet sind, bleiben solche Einrichtungen unerreichbar – weder um dort zu arbeiten noch um die Kinder unterzubringen.

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