Internationale Entwicklungsbanken

„Arbeitsteilung gefragt“

Die Zahl der internationalen Entwicklungsbanken wächst. Bruno Wenn, der Geschäftsführer des deutschen Entwicklungsfinanzierers DEG, rechnet aber nicht damit, dass es auf Dauer zu einem ideologischen Kampf zwischen den alten Instituten und den neuen, die die Schwellenländer lanciert haben, kommt. Seine Sicht hat er Hans Dembowski im Gespräch erläutert.
Arbeiterinnen einer DEG-finanzierten kenianischen Firma, die Fruchtsaft herstellt. Rüdiger Nehmzow/KfW Bildarchiv Arbeiterinnen einer DEG-finanzierten kenianischen Firma, die Fruchtsaft herstellt.

Damit Armut zurückgeht, müssen Arbeitsplätze entstehen. Privatunternehmen müssen also so erfolgreich sein, dass sie neue Leute anheuern. Können internationale Entwicklungsfinanzierer dazu beitragen, dass das geschieht?
Ja, das können sie:

  • Erstens können sie dazu beitragen, dass in Entwicklungs- und Schwellenländern die Infrastruktur entsteht, die Unternehmen brauchen, um Erfolg zu haben. Dabei geht es um Wasser und Strom, Entsorgung, Verkehrswege, Telekommunikation und so weiter. Kredite für Infrastrukturvorhaben sind auch ein klassisches Geschäftsfeld der internationalen Entwicklungsbanken.
  • Zweitens können sie darauf hinwirken, dass Staaten ein regulatorisches und institutionelles Umfeld schaffen, in dem Unternehmen gedeihen können. Dabei geht es beispielsweise um funktionierende Steuersysteme, die alle Akteure einigermaßen fair belasten und den Staat so finanzieren, dass er handlungsfähig ist und unter anderem die gerade erwähnte Infrastruktur bereitstellen kann. Wichtig ist auch ein Rechtswesen, das Streitfälle zügig und zuverlässig aufarbeitet. Bei diesen Dingen können und müssen internationale Institutionen kompetenten Rat geben.

In diesem Sinn definiert sich die Weltbank seit geraumer Zeit auch als „Wissensbank“. Kann sie denn mit dem klassischen Bankinstrument des Kredits in Sachen Regulierung, Institutionen und Qualität der Regierungsführung viel bewirken?
In der aktuellen Lage kommt es gar nicht so sehr auf die Darlehensvergabe internationaler Institutionen an. Geld ist weltweit billig zu bekommen. An fehlenden Finanzmitteln scheitert zurzeit kein Vorhaben. Mangel besteht aber an „bankfähigen“ Vorhaben, die klar konzipiert sind einschließlich der Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards und die so strukturiert sind, dass ihre Risiken kalkulierbar werden. Wenn das der Fall ist, sind sie für Banken attraktiv. Deshalb ist es so wichtig, dass internationale Akteure mithelfen, die Rahmenbedingungen für gute Ideen und deren Verwirklichung zu fördern und die Zahl der bankfähigen Vorhaben vor allem im Infrastrukturbereich zu erhöhen. Denn daran mangelt es.

Erfüllen die IFIs, die internationalen Finanzinstitutionen, denn ihre Aufgaben als Wissensbanken?
Grundsätzlich schon, aber leider gibt es eine Neigung, sich zu verzetteln. Die Arbeit der Weltbank und der regionalen multilateralen Entwicklungsbanken könnte noch besser koordiniert sein. Es gibt zum Teil Doppelarbeit, und manchmal überraschen die Akteure, die jeweils den Ausschlag geben. In Afrika beispielsweise ist die Weltbank vor Ort oft stärker präsent als die Afrikanische Entwicklungsbank, die eigentlich die größere regionale Kompetenz hat.

Regierungsberatung ist auch die Aufgabe der bilateralen GIZ.
Ja, ebenso wie  unsere Kollegen von der KfW Entwicklungsbank trägt sie dazu bei, vernünftige Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir als DEG tun das in unserem Handlungsfeld auch, indem wir unsere Kunden beraten. Die bilaterale Arbeit ist wichtig, und sie muss natürlich zur multilateralen Arbeit passen. Multilaterale Programme aber sind besonders einflussreich, daher sollten sich die multilateralen Akteure optimal koordinieren.

Müssen wir jetzt damit rechnen, dass die Koordination weiter leidet, weil das institutionelle Eigeninteresse der verschiedenen Institute, sich zu profilieren, angesichts der neugegründeten Entwicklungsbanken der Schwellenländer weiter wächst? Ein Beispiel ist die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) in Peking, der auch Deutschland und andere europäische Länder beigetreten sind. Ein anderes ist die New Development Bank in Shanghai, die die BRICS-Länder – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – gegründet haben. Die Banco del Sur in Lateinamerika ist schon ein paar Jahre älter.
Es besteht eine gewisse Gefahr, dass die „Verzettelung“ zunimmt. So könnten die einzelnen Akteure versuchen, ihre Mittel zu platzieren, indem sie sich alle auf die guten Investitionsvorhaben „stürzen“ und sich möglicherweise bei den Konditionen Konkurrenz machen. Das wäre kontraproduktiv, denn, wie gesagt, Geld ist nicht das Problem. Es wäre viel wichtiger, mit vereinten Kräften für die richtigen Rahmenbedingungen für nachhaltiges, umweltfreundliches und Wohlstand schaffendes Wachstum zu sorgen. Das könnte auch als eine Art Arbeitsteilung erfolgen: Die erfahreneren Akteure könnten Investitionsvorhaben mit Beratungsangeboten „bankfähig“ machen, andere Institute könnten diese Vorhaben dann finanzieren.

Aber die Schwellenländer haben doch andere normative Vorstellungen und neigen beispielsweise stärker zu Staatsinterventionen in Märkte. Werden die neuen IFIs nicht das Engagement der etablierten IFIs konterkarieren?

Ich glaube nicht, dass das zum großen Problem wird – und zwar aus zwei Gründen nicht:

  • Auch die neuen Institutionen refinanzieren sich an den Kapitalmärkten. Um dort Geld aufzunehmen, müssen sie eine Geschäftspolitik verfolgen, die den Investoren einleuchtet. Das bedeutet, dass sie gar nicht so anders „ticken“ werden als die etablierten Institute.
  • Obendrein haben sich Vorstellungen von Umweltschutz, sozialer Sicherung und Regierungsführung, die wir heute in den etablierten Industrienationen haben, als funktional erwiesen. Sie sind nicht eine Art von Luxus, den sich reiche Nationen leisten. Sie sind Grundlagen einer leistungs- und zukunftsfähigen Gesellschaft. Es hat einfach keinen Sinn, jetzt beispielsweise in umweltschädliche Produktionsverfahren zu investieren, weil Sie dann in ein paar Jahren Probleme bekommen, wenn diese nicht mehr akzeptiert werden. Es ist auch keine auf Dauer erfolgreiche Strategie, nur zu versuchen, möglichst niedrige Löhne zu zahlen. All das ist auch unseren Gesprächspartnern in Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien klar.

Wenn die neuen Entwicklungsbanken über kurz oder lang eine ähnliche Politik verfolgen werden wie die alten, warum sind sie dann überhaupt entstanden?
Im Grunde haben die Industrienationen den Schwellenländern jahrelang gesagt, sie sollen mehr Verantwortung übernehmen, ihnen dazu aber in den multilateralen Institutionen kaum Raum gelassen. Der US-Kongress hat lange seine Zustimmung zur Reform der IWF-Stimmrechte verweigert, und auch Europa war lange nicht bereit, den eigenen Einfluss in den multilateralen Institutionen zurückzunehmen, um aufstrebenden Ländern mit schnell wachsender Wirtschaft Platz zu machen. Eine Konsequenz ist, dass es nun neue Institutionen gibt, die auf den Markt drängen – mit großem Ehrgeiz. Mich hat überrascht, dass die AIIB nicht nur in Asien aktiv sein wird, sondern in allen Mitgliedsländern agieren darf, also auch in Lateinamerika zum Beispiel. Peru hat sich schon um Mittel beworben.


Bruno Wenn ist der Sprecher der Geschäftsführung der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft, die als Unternehmen der KfW Bankengruppe den Privatsektor in Entwicklungsländern fördert.
http://www.deginvest.de

 

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