Kommentar

Sommer der Spannungen

Zwischen Malawis Präsident Mutharika und den Gebern herrscht Streit. Statt Kommunalwahlen abzuhalten und Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten, will der Präsident mit weniger Entwicklungshilfe auskommen. Doch die parlamentarische Opposition und zivilgesellschaftliche Organisationen glauben nicht, dass das Land dazu in der Lage ist. Der Protest eskaliert. Neunzehn Menschen sind bereits bei Demonstrationen gegen die Regierung getötet worden.


Von Raphael Mweninguwe

Ende Juni erließ das malawische Parlament das so genannte „zero deficit budget“. Es umfasst rund zwei Milliarden Dollar, wovon Geberinstitutionen 24 Prozent beisteuern sollen. Im letzten Finanzjahr betrug deren Anteil am Staatshaushalt noch 40 Prozent. Den Großteil hatten die Mitglieder des Common Approach to Budgetary Support, zu dem unter anderen die EU, Deutschland, Britannien, Norwegen und die Weltbank gehören, zur Verfügung gestellt.

Die Regierung spricht von „Null-Defizit“, weil sie ihre meisten Ausgaben durch Steuererhöhungen und steigende Gebühren finanzieren will. Präsident Bingu wa Mutharika verfolgt diesen Kurs, seit einige Geber im Frühjahr Hilfsgelder gestrichen haben. Als Gründe nannten sie unter anderem Malawis labile Rechtsstaatlichkeit, das Ausbleiben von Kommunalwahlen sowie weitere Defizite der Amts- und Regierungsführung. Außerdem kritisierten sie makroökonomische Probleme wie schwindende Devisenreserven und rasant steigende Treibstoffpreise.

Mutharika verwendet nun nationalistische Rhetorik: „Malawi braucht nicht mehr beim Westen zu betteln. Nach 47 Jahren der Unabhängigkeit müssen wir unsere ­eigenen Ressourcen generieren.“ Der Präsident mutet dem Land Steuer­erhöhungen und neue Abgaben zu und sagt, die Bevölkerung habe nichts zu befürchten. Seine Unterstützer aus Wirtschaftskreisen stimmen ihm zu.

Allerdings warnt Chancellor Kaferapanjira, der Vorsitzende des Malawischen Industrie- und Handelskammertags, die Unternehmen würden unter dieser Politik leiden. Die parlamentarische Opposition und zivilgesellschaftliche Organisationen argumentieren, dass vor allem die ärmeren Malawier betroffen sein werden. Die meisten von ihnen leben von weniger als einem Dollar am Tag.

Zivilgesellschaftliche Organisationen empfehlen der Regierung, ihre Ausgaben zu erhöhen und mehr zu investieren, statt das Volk durch Steuern auszunehmen. Sie warnen, dass die Unternehmen angesichts höherer Kosten von den Verbrauchern höhere Preise verlangen werden.

Seit Ende Juni haben unabhängige Organisationen mit Unterstützung der Oppositionsparteien Demonstrationen im ganzen Land organisiert. Sie riefen alle Bürger Malawis dazu auf, gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung zu protestieren. Sicherheitskräfte versuchten Aufmärsche zu unterdrücken, wobei laut offiziellen Angaben 19 Personen ums Leben kamen. Präsident Mutharika gibt kritischen Organisationen die Schuld, die Geber sehen jedoch die Regierung im Unrecht. Menschenrechtsexperten der UN fordern eine Untersuchung.

Die Protestbewegung erhebt immer neue Forderungen. Sie verlangt ausreichend Kraftstoff, ein Ende der häufigen Stromausfälle und faire Berichterstattung in den staatlichen Medien. Zudem soll die Regierung ihre ehemals guten Beziehungen zu den Gebern wiederbeleben. Manche Kritiker forderten Mitte August auch den Rücktritt des Präsidenten, dessen Arroganz der Nation schade.

Hinter der Krise verbirgt sich eine doppelte Ironie. Mutharikas Wunsch, die hei­mischen Staatseinnahmen zu erhöhen, um ohne Geberhilfen klarzukommen, entspricht Gebervorstellungen. Sie sagen schon lange, Entwicklungsländer müssten grundsätzlich ihre eigenen Ressourcen für die Entwicklung nutzen. Gleichzeitig beruht aber auch Mutharikas vermeintliches „zero deficit budget“ weiterhin auf Geberhilfen. Ob diese fließen werden, ist die große Frage.

Mutharika macht den Menschen das Leben schwer. Die meisten wünschen, er würde nachgeben und auf die Geber zugehen. Die Kooperation mit ihnen lief in den letzten Jahren gut. Besonders im Blick auf ländliche Entwicklung wurde Malawi international gelobt. Diese Erfolge sind jetzt gefährdet.

Undule Mwakasungura, der geschäftsführende Direktor des unabhängigen Centre for Human Rights and Rehabilitation, sieht den Präsidenten in der Defensive: „Er will nicht akzeptieren, dass die Lage schlimm ist und dass etwas getan werden muss.“

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