Bekleidungsindustrie

Faire Arbeitsbedingungen und Löhne

Die Textilindustrie in Myanmar boomt. Nach Jahrzehnten der politischen und wirtschaftlichen Isolation öffnet sich das Land, und immer mehr globale Modekonzerne lassen in seinen Fabriken produzieren. Während ausländische Investitionen willkommen sind und die Textilindustrie das Wirtschaftswachstum ankurbelt, profitieren die Arbeiterinnen kaum davon.
Textilarbeiterin in Myanmar. Lynn Bo Bo/picture-alliance/dpa Textilarbeiterin in Myanmar.

2014 machten jede Woche im Schnitt zwei Textilfabriken auf. Inzwischen verfügt Myanmar über rund 300 Fabriken, in denen fast 900 000 Menschen beschäftigt sind. 90 Prozent von ihnen sind junge Frauen. Zu den Auftraggebern gehören globale Konzerne wie H&M und Aldi, Primark und Jack Wolfskin.

Recherchen von Oxfam zufolge stecken die Näherinnen in der Armut fest, obwohl sie sechs Tage die Woche bis zu elf Stunden täglich arbeiten. Oxfam untersuchte im vergangenen Sommer 22 Fabriken in Industriegebieten in der Region Yangon.

Im September 2015 wurde ein Mindestlohn von 83 Dollar pro Monat eingeführt. Das ist der niedrigste Mindestlohn aller Länder mit Bekleidungsindustrie mit Ausnahme von Bangladesch, wo er 68 Dollar beträgt (siehe hierzu auch Artikel von Asadullah und Wahhaj). Oxfam begrüßt die Einführung eines Mindestlohns. Den Ergebnissen der Studie „Textilindustrie in Myanmar: Hungerlöhne für unsere Kleidung“ zufolge reicht seine Höhe jedoch nicht aus, um den Grundbedarf der Arbeiterinnen und ihrer Familien zu decken. Fast die Hälfte der befragten Näherinnen gaben an, Schulden gemacht zu haben, um grundlegende Dinge zu bezahlen.

Die Sicherheit ist ebenfalls ein großes Problem. Mehr als ein Drittel der Textilarbeiterinnen haben sich nach eigenen Angaben bei der Arbeit bereits verletzt. Viele haben Angst vor Feuer in den Fabriken, da Notausgänge häufig blockiert oder gar verschlossen seien.

Den Erkenntnissen Oxfams zufolge sind viele Näherinnen verbaler Gewalt durch ihre Vorgesetzten ausgesetzt, die sie zu schnellerem Arbeiten antreiben. Fast jede vierte gab an, zu Überstunden gezwungen zu werden, zum Teil ohne Bezahlung. Einige Befragte mussten ohne Mittagspause und bis in die Nacht hinein arbeiten, um die hochgesteckten Produktionsziele zu erreichen.

Fehlende Rechtsstaatlichkeit, unzureichende Gesetze und mangelnder Respekt für die Rechte von Arbeitnehmern tragen zu den schlechten Arbeitsbedingungen in Myanmars Fabriken bei. Sollten diese sich nicht verbessern, befürchten die Autoren schlimme Unfälle, soziale Unruhen und Menschenrechtsverletzungen. Oxfam ruft internationale Konzerne und ihre Zulieferer dazu auf, die Rechte der Arbeiterinnen zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie und ihre Familien ein menschenwürdiges Leben führen können.

Daher sollten internationale Auftraggeber:

  • die Standorte ihrer Zulieferfabriken veröffentlichen, um eine unabhängige Überprüfung der Arbeitsbedingungen zu ermöglichen,
  • die Fabriken dabei unterstützen, die Arbeiterinnen regelmäßig zu schulen und ausreichend zu informieren,
  • dafür sorgen, dass Zulieferfabriken den Mindestlohn zahlen können und auch Verhandlungen für Löhne oberhalb des Mindestlohns möglich sind,
  • Lieferfristen so setzen, dass die Arbeiterinnen keine unzumutbaren Überstunden machen müssen,
  • langfristige Beziehungen zu ihren Zulieferfabriken aufbauen, damit diese eine dauerhafte Belegschaft aufbauen können, und
  • Kurzzeit-Jobs in den Zulieferfabriken verhindern oder zumindest stark limitieren.

Produzenten und Einkäufer sollten:

  • zulassen, dass unabhängige Gewerkschaften mit Arbeitgebern über Löhne verhandeln, auch auf der Ebene einzelner Fabriken,
  • die Belegschaft regelmäßig in Arbeitssicherheit schulen,
  • den Einsatz von Sicherheitsbeauftragten zulassen und fördern und
  • Wege schaffen, auf denen Arbeiterinnen Gefahren und Missstände anonym melden können.

Myanmars Textilindustrie ist gerade erst dabei, groß zu werden. Laut Oxfam haben die Verantwortlichen die Wahl: Entweder lassen sie das Land zum nächsten ausbeuterischen Billiglohnland für die Textilbranche werden. Oder sie lernen aus den Fehlern anderer Niedriglohnländer und schaffen eine faire Industrialisierung, von der alle profitieren.

Katja Dombrowski

Link:
Made in Myanmar: Entrenched poverty or decent jobs for garment workers?
https://www.oxfam.org/sites/www.oxfam.org/files/file_attachments/bp209-made-in-myanmar-garment-workers-091215-en.pdf

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