Kommentar

Nashorn-Geiseln

Südafrika möchte sich stärker im Naturschutz engagieren. Ohne die Einbeziehung der örtlichen Bevölkerung können die Ziele nicht erreicht werden.
Nashörner im Krüger-Nationalpark. Lissac/Lineair Nashörner im Krüger-Nationalpark.

Bis zum Jahr 2020 will die südafrikanische Regierung 17 Prozent des Staatsgebiets unter Naturschutz stellen. 2012 lag der Anteil noch nicht einmal bei sieben Prozent. Um die Schutzgebiete zu vergrößern und den Umweltschutz effektiver zu gestalten, sollten die Verantwortlichen ihre Strategien überdenken. Lokale Bevölkerungsgruppen, die in der Nähe von Schutzgebieten leben, müssen stärker in den Naturschutz miteinbezogen werden.

Das Konzept des Community Based Resource Management entstand schon in den 80er Jahren. Durch Einbeziehung örtlicher Gemeinschaften und das Schaffen wirtschaftlicher Vorteile sollten Anreize zum Schutz der Gebiete geschaffen werden. Die Ergebnisse sind in der Praxis bisher jedoch überwiegend enttäuschend. Die lokalen Bevölkerungsgruppen haben bisher nicht sonderlich vom Naturschutz profitiert, und die Begeisterung für den Naturschutz ist gering.

David Mabunda, der bis vor kurzem Direktor der südafrikanischen Nationalparks war, sprach 2015 von „fehlender gemeinschaftlicher Verantwortung“. Seine Schlussfolgerung war: „Wir müssen den Fokus auf die Erschaffung nachhaltiger Lebensweisen richten, nicht nur auf Schutz und Erhalt der Natur.“ Tatsächlich fühlt sich die lokale Bevölkerung oft wie Geiseln der zu schützenden Nashörner. Arm und marginalisiert, beteiligen sich einige Anwohner von Nationalparks an Wilderei. Sie kämpfen ums Überleben und suchen Einnahmequellen. Dafür bietet das klassische Nationalpark-Konzept bisher keine breitenwirksame Lösung.

Zwar wird unter Naturschützern viel über die Einbeziehung der örtlichen Bevölkerung geredet, aber die Umsetzung erfolgt nur schleppend. Die tägliche Lebensrealität der Menschen wird bislang kaum berücksichtigt. Wie fühle ich mich, wenn ein Nashorn oder ein Elefant vor meinem Haus ausgesetzt wird? Wenn die Tiere auf meinem Feld auf Nahrungssuche gehen und das Getreide zerstören, von dem meine Familie lebt? Würde ich in so einer Situation die Tiere einfach verjagen – oder sie lieber gleich töten?

Um die Situation zu verbessern, müssen Naturschützer und Politiker auf folgende fünf Aspekte besonders achten:

  • Die örtliche Bevölkerung muss auch in der Praxis profitieren, nicht nur in der Theorie. Andernfalls fühlen sich die lokale Gemeinschaften, deren Unterstützung entscheidend für erfolgreichen Naturschutz ist, als „Forschungsobjekte“ missbraucht und ausgebeutet. Sie empfinden Naturschutz dann nur als Belastung.
  • Die Zusammenarbeit mit Anwohnern erfordert die Akzeptanz ihrer traditio­nellen Strukturen und stark ausgeprägten familiären Bindungen. Anstatt zu verallgemeinern und abstrakt über „die Gemeinschaft“ zu sprechen, sollte das persönliche Gespräch mit Individuen gesucht werden.
  • Bevor Pläne für Naturschutzgebiete erstellt werden, müssen die komplexen kulturellen Hintergründe betrachtet werden. Die sozialen Normen, die Geschichte und die politische Situation spielen ebenso eine Rolle wie die Meinungen der Menschen, die sich im Laufe der Zeit verändern.
  • Anstatt das Rad neu zu erfinden und ständig neue Naturschutzkonzepte zu entwickeln, sollten bereits bestehenden Ansätze evaluiert werden, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Gleichzeitig sollten lokales Wissen und bereits bestehende Lebensweisen und Strategien als wesentliche Grundbestandteile in die Konzepte integriert werden.
  • Behörden und zivilgesellschaftliche Naturschutzorganisationen müssen zu Partnern der lokalen Bevölkerung werden. Je besser die Dorfbewohner informiert und für ein Projekt begeistert werden, desto besser wird die Zusammenarbeit gelingen.

Um eine dauerhafte Partnerschaft zu ­etablieren, benötigen Naturschützer interkulturelle Beratung und Unterstützung. Das Reden über die Einbeziehung der Menschen muss in konkretes Handeln umgesetzt werden. Der Schlüssel dazu sind eine bessere Kommunikation und ein gegenseitiges Verständnis.

Vertrauensbildung braucht Zeit, und die Zeit ist knapp, weil viele Arten bereits vom Aussterben bedroht sind. Die Einstellung gegenüber der lokalen Bevölkerung muss sich schnell ändern. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.


Julia Bayer ist eine deutsche Forscherin und auf Community Based Natural Resource Management (CBNRM) spezialisiert.
juliabayer10@gmail.com