KfW Entwicklungsbank

Nötige Stromnetze

Um den Klimawandel zu bekämpfen, reicht es nicht aus, Strom aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen. Auch die Infrastruktur des Stromnetzes muss verbessert werden.


Von Uli Brunner und Jens Drillisch

Fast ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen entsteht bei der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen. Damit ist fossile Stromproduktion der größte Alleinverursacher der Erderwärmung. Die internationale Gemeinschaft will den durchschnittlichen Temperaturanstieg weltweit auf höchstens zwei Grad Celsius beschränken. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Im Energiesektor sind die vielversprechendsten Ansätze, erneuerbare Energien (EE) zu fördern und die Energieeffizienz zu steigern.

Die Europäische Union und ihre Mitglieder haben sich auf verbindliche Ziele geeinigt. Bis 2020 muss der EE-Anteil am Endenergieverbrauch bei mindestens 20 % liegen. Deutschland strebt bis dahin einen ­EE-Anteil am Stromverbrauch von 35 % an. Auch mehrere Entwicklungsländer haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt. In diesen Ländern ist heute ein Drittel der weltweiten EE-Kapazitäten installiert. Das Wachstumspotenzial für EE ist groß.

EE können sowohl für netzgekoppelte, zentrale Stromversorgung als auch für dezentrale, netzferne Stromerzeugung genutzt werden. In diesem Aufsatz konzentrieren wir uns auf Ansätze für netzgekoppelte Stromerzeugung. In dezentralen Systemen, in ländlichen Gebieten, wird bisher nur ein Viertel des globalen Energiebedarfs verbraucht, netzgekoppelte Versorgung nachhaltig zu gestalten erscheint daher zunächst wichtiger.

Warum das Netz so wichtig ist

Um Energiesysteme nachhaltig zu gestalten, ist der Ausbau von EE eine notwendige, aber keine hinreichende Maßnahme. Auch die Netzinfrastruktur ist wichtig. Schließlich muss grüner Strom nicht nur erzeugt werden, sondern auch den Endverbraucher erreichen. Das entscheidende Bindeglied zwischen Stromerzeugern und -verbrauchern ist das Netz.

Zwei Merkmale der Erneuerbaren Energien stellen das Stromnetz vor besondere Herausforderungen:
– Ein großer Teil der EE ist witterungsabhängig. Deshalb unterliegt ihre Stromerzeugung unvorhersehbaren Schwankungen. Da Strom kaum ökonomisch lohnenswert gespeichert werden kann – Wasser in Speicherbecken zu pumpen ist eine Ausnahme, die nur an wenigen Orten realisierbar ist – müssen Netzbetreiber ständig die Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Erzeugung ausgleichen. Dafür brauchen sie flexible Ausgleichskapazitäten und Regelenergie. Ansonsten sind die Zuverlässigkeit des Netzes, eine hochwertige Stromversorgung und somit eine zuverlässige wirtschaftliche Entwicklung gefährdet.
– Die Potenziale für EE liegen häufig an Orten, die weit entfernt sind von den Regionen, in denen Strom gebraucht wird. Die bestehende Übertragungsnetzinfrastruktur ist aber in der Regel historisch rund um die fossil befeuerten Kraftwerke entstanden. Sie ist daher nicht für die Einspeisung aus peripheren Stromerzeugungsanlagen, wie Off-Shore-Windparks, konzipiert. Eine häufige Folge sind Engpässe im Übertragungsnetz.

In der Regel begegnet man diesen Problemen, indem man auf freie Kapazitäten konventioneller Kraftwerke zurückgreift. Dies hat zur Folge, dass die Reduzierung der Kohlendioxidemissionen durch den Einsatz von EE geringer ausfällt. Ohne ein geeignetes, intelligentes Stromnetz erreicht Ökostrom den Verbraucher nicht und kann nicht den Wandel bringen, den die Welt braucht.

Deutschland ist ein perfektes Beispiel dafür, dass Klimaziele nur erreicht werden können, wenn es adäquate Übertragungsnetze gibt. Laut einer aktuellen Studie der Deutschen Energie Agentur (dena) benötigt Deutschland in den nächsten zehn Jahren zusätzlich rund 3600 km Hochspannungsleitungen. Andernfalls wird es nicht möglich sein, die riesigen Off-Shore-Windanlagen zu nutzen, die derzeitig in der Nord- und Ostsee gebaut werden. Dies ist eine enorme Herausforderung. In den vergangenen fünf Jahren wurden in Deutschland jedoch nur 100 km neue Hochspannungsleitungen gebaut. Es wird deutlich, vor welchen Herausforderungen auch Entwicklungs- und Schwellenländer stehen, wenn sie EE ernsthaft nutzen wollen.

Drei Optionen

Grundsätzlich gibt es drei Optionen, die witterungsabhängige, schwankende EE-Stromerzeugung in das nationale Netz zu integrieren:
– Die Übertragungskapazitäten des existierenden Netzwerks erhöhen, ohne es physisch auszubauen,
– bestehende Netzkapazitäten erweitern und koppeln und schließlich
– die Regelleistung und die Speicherkapazität steigern.

Überall dort, wo der für die Übertragungsleitung vorgesehene Strom die Kapazität dieser Leitung dauerhaft überschreitet, liegt ein Fall struktureller Überlastung vor. Dies tritt häufig auf, wenn große Windparks in abgelegenen Gebieten ans Netz gehen. Der erste Schritt, der in so einem Fall unternommen werden muss, ist die Kapazität durch technisches und kommerzielles Management zu steigern, ohne das Netz physisch auszubauen. Dies ist möglich, indem man Engpässe im Netz präziser kalkuliert und das Engpassmanagement effizienter gestaltet. Solche Maßnahmen sind zwar nicht teuer, aber auch ihre Reichweite ist begrenzt.

Wo strukturelle Netzwerküberlastung trotz effi­zienten Engpassmanagements weiter besteht, kann man die physische Kapazität erweitern. Entweder, indem man neue Leitungen innerhalb bestehender Systeme baut, oder indem man grenzüberschreitende Übertragungsleitungen errichtet. Durch das Verbinden zunächst unabhängiger Netze können überschüssige Kapazitäten eines Netzes in einem anderen genutzt werden und die EE-Stromerzeugung und -übertragung optimiert werden. Selbst kleine Kapazitätssteigerungen können deutliche Verbesserungen für alle Netznutzer bringen.

Abgesehen von der Übertragungskapazität macht es auch Sinn, in ein effizientes Regelenergiesystem zu investieren. Abweichungen zwischen Stromerzeugung (Einspeisung ins Netz) und Strombedarf (Ausspeisung vom Netz) müssen minimiert werden. Denn selbst wenn Input und Output nur für ein paar Sekunden erheblich auseinander gehen, kann es zu Netzabschaltungen und Stromausfällen kommen. Ein gutes Netz muss also optimalen Nutzen aus allen verfügbaren Stromquellen eines dezentralisierten Systems ziehen. Dafür braucht es viele Informationen, die von dem Netzsystem angemessen ausgewertet werden müssen.

Die größte Herausforderung des Ausgleichsmanagements ist jedoch, dass Elektrizität kaum in wirtschaftlich attraktiver Weise gespeichert werden kann. Strom muss zunächst in eine andere Energieform umgewandelt werden, um dann später in Elektrizität zurückverwandelt zu werden. Bei beiden Schritten geht Energie verloren. Derzeitig gilt nur das Pumpspeichersystem, bei dem Wasser in die Höhe gepumpt wird, um später beim Herablassen wieder Energie zu gewinnen, als wirklich ökonomisch sinnvoll einsetzbar. Viele weitere Speichertechnologien sind jedoch noch in einem frühen Entwicklungsstadium und ihre Investitionskosten sehr hoch.

Um an wichtigen Netzknotenpunkten kurzfristig Regelenergie bereitzustellen, kann es ebenfalls sinnvoll sein, hochflexible, fossil befeuerte Erzeugungsanlagen zu installieren. Auch können dafür eingemottete und ältere, stillgelegte Kraftwerke wieder genutzt werden – sie würden nur dann Strom erzeugen, wenn extremer Bedarf ist.

Fazit

Um von den heutigen, auf fossilen Brennstoffen beruhenden Energiesystemen auf eine sicherere und nachhaltige Versorgung umzustellen, ist die Förderung von EE ein Schlüsselelement. Ebenso wichtig wie die Erzeugung von Ökostrom selbst ist es jedoch, die Netzinfrastruktur auszubauen. Eine moderne Netzinfrastruktur muss in der Lage sein, die schwankende EE-Stromerzeugung effizient zu integrieren.

Besonders sinnvoll ist die grenzüberschreitende Kopplung nationaler Stromnetze. Dies bringt nicht nur wirtschaftliche und ökologische Vorteile, sondern dient auch der regionalen Integration und fördert die friedliche Zusammenarbeit.

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