Multilaterale Politik

Global Governance für Nachhaltigkeitsziele

Die Ziele für nachhaltige Entwicklung wurden weltweit enthusiastisch aufgenommen. Allerdings fehlt es an klar definierten Verantwortlichkeiten, um diese auf internationaler Ebene zu erreichen. Länder, in denen ein Großteil der Bevölkerung arm ist, benötigen Unterstützung – und zwar so, dass diese Länder trotzdem die Ownership über ihre politischen Entscheidungen behalten.
Gesundheitszentrum im ländlichen Tansania: Die politisch Verantwortlichen in Entwicklungsländern können ihre Wähler oft einfacher von staatlichen Investitionen in soziale Dienste überzeugen als von der Finanzierung langfristiger Umweltprojekte. dw Gesundheitszentrum im ländlichen Tansania: Die politisch Verantwortlichen in Entwicklungsländern können ihre Wähler oft einfacher von staatlichen Investitionen in soziale Dienste überzeugen als von der Finanzierung langfristiger Umweltprojekte.

Ob die Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) erreicht werden, wird maßgeblich von klarer Koordinierung und guter Regierungsführung abhängen. Was wir in den vergangenen Jahren mit den Millenniumsentwicklungszielen (MDGs) vor allem gelernt haben, ist: Wir brauchen eine effektive Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren auf nationaler und internationaler Ebene. Und: Inklusion muss sichergestellt werden.

Die SDGs wurden in einem breit angelegten Dialog- und Beratungsprozess entwickelt, an dem Vertreter von Regierungen, Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und Hochschulen aus der ganzen Welt beteiligt waren. Das war der richtige Ansatz – und er stand im Einklang mit dem Prinzip von „Niemanden zurücklassen“ (leave no one behind).

Um die SDGs zu erreichen, ist mindestens das gleiche Maß an Koordination und aktiver Teilnahme erforderlich wie bei den MDGs. Die Agenda ist sehr ambitioniert und berührt unterschiedlichste Bereiche. Letztlich geht es darum, unseren Planeten so zu regieren, dass Mensch und Natur gedeihen können. Wir brauchen ein System allgemein akzeptierter und eingehaltener Regeln und Vorschriften, damit viele souveräne Staaten und eine noch größere Anzahl unabhängiger Akteure ihre Rolle dabei spielen können.

Das enge Zeitfenster sollte ein konzentriertes Vorgehen fördern. Um die SDGs wie versprochen bis Ende 2030 zu erreichen, sind eine Grundfinanzierung und weitere Gelder erforderlich. Bisher wurde allerdings nicht eindeutig geklärt, woher diese kommen sollen. Ohne ein angemessenes und unterstützendes globales Verwaltungssystem ist die SDG-Agenda zum Scheitern verurteilt.

Weltweit fanden die SDGs große Zustimmung. Alle UN-Mitglieder haben sich für die Agenda ausgesprochen. Allerdings gab es keine Vereinbarungen zur Rechenschaftspflicht, und es wurde nicht klar festgelegt, wer welche Leistungen erbringen soll. Es ist nicht genug, Inklusion zu fordern und viele Partner in Debatten einzubeziehen. Um Maßnahmen umzusetzen, müssen die Verantwortlichkeiten klar formuliert werden, und sie müssen zu den einzelnen Partnern passen.

Auf internationaler Ebene sind Regierungen, privatwirtschaftliche Unternehmen, zivilgesellschaftliche Organisationen, multilaterale Institutionen und andere Partner lediglich moralisch verpflichtet, die SDGs umzusetzen. Druck aus der Zivilgesellschaft kann diese moralische Verpflichtung stärken – allerdings hat die Öffentlichkeit gar keine anderen Mittel, die Partner zur Rechenschaft zu ziehen.

Auf nationaler Ebene sieht es anders aus. Die Regierungen sind an die Verfassungen und Gesetze ihrer Länder gebunden und müssen entsprechend handeln. Die SDGs können jedoch keine nationale oder gar lokale Politik sein – schließlich resultieren sie aus einem umfassenden multilateralen Verhandlungsprozess. Sie gelten global und sind Ausdruck gemeinsamer Ansichten. Einige SDGs sind sogar von planetarischem Umfang – etwa wenn es um Klimaschutz, Biodiversität und die Meere geht. Dennoch beschränkt sich die Global Governance bezüglich der SDGs derzeit darauf, den Dialog zu ermöglichen, Erfahrungen auszutauschen und – bislang mehr schlecht als recht – Gelder zu transferieren.

Die Staatsregierungen haben die SDGs im September 2015 in der UN-Generalversammlung einstimmig verabschiedet. Selbstverständlich müssen sie Verantwortung übernehmen – und dabei stehen sie vor großen Herausforderungen. Zunächst sollte ein Land die Öffentlichkeit für die SDGs sensibilisieren und zusehen, dass diese bei allen Planungen auch auf lokaler Ebene berücksichtigt wird.

Parlamente, Gemeinderäte und andere relevante Institutionen müssen in die politischen Maßnahmen einbezogen und die Kosten müssen geschätzt werden, damit aus nationalen Haushalten und regionalen Budgets Mittel zur Verfügung gestellt werden können. Doppelte Maßnahmen gilt es zu verhindern, dafür sind gute Überprüfungs- und Auswertungssysteme erforderlich. Die Bürger müssen rechtzeitig über den Stand der Umsetzung und die Ergebnisse informiert werden. Es ist offensichtlich, dass eine solche Agenda leistungsfähige Staaten benötigt.


Druck durch andere

Die internationale Gemeinschaft muss davon ausgehen, dass nicht alle Staaten dieser Aufgabe gewachsen sind. Vielerorts muss sich erst die Staatsführung verbessern. Derzeit werden regionale und kontinentale Peer-Review-Mechanismen eingesetzt, um die Qualität der Staatsregierungen zu prüfen. Diese Mechanismen sollten den Anforderungen der SDGs angepasst werden. Der Druck durch andere Staaten oder Regionen könnte dazu beitragen, dass Ansätze vereinheitlicht und bewährte Praktiken gefördert werden.

Um die SDGs zu erreichen, sind umfangreiche Investitionen erforderlich – und es wäre unrealistisch, von allen Ländern zu erwarten, dass sie die dafür benötigten Gelder aus eigenen Mitteln bereitstellen. Manche SDGs bringen unmittelbare Erfolge – etwa hinsichtlich Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Energie oder Straßen. Es ist einfach, die Menschen von diesen Zielen zu überzeugen. Andere SDGs – etwa zum Schutz biologischer Vielfalt und natürlicher Ressourcen – zeigen erst langfristig ihren Nutzen. Politiker in armen Ländern werden hart kämpfen müssen, um Steuergelder für solche Zwecke einsetzen zu können. Hier wäre internationale Unterstützung klug.

Gerade weniger entwickelte Länder brauchen Hilfe. Es könnte sinnvoll sein, nach Art des multilateralen Schuldenerlasses zu verfahren. Dabei mussten hochverschuldete Länder Strategien zur Armutsbekämpfung entwerfen und umsetzen – und wenn die Strategien überzeugend waren, unterstützten die Geber den Staatshaushalt der entsprechenden Länder.

Auch Budgethilfe wäre geeignet, um die SDG-Maßnahmen zu unterstützen: Die politische Verantwortlichkeit verbleibt bei dem betroffenen Land und wird von dessen Institutionen durchgesetzt. Da das Teil des politischen Prozesses wird, kann die breite Öffentlichkeit einbezogen werden. Hilfe hingegen, die an nationalen Institutionen vorbei geführt wird, erzeugt Parallelstrukturen. Das alles wurde im Rahmen der Pariser Erklärung über die Wirksamkeit der staatlichen Entwicklungshilfe sorgfältig erörtert. Auch die Globale Partnerschaft für effektive Entwicklungszusammenarbeit beschäftigt sich mit diesem Thema (siehe Artikel hierzu in D+C/E+Z e-Paper, 2017/02, S. 17).

So oder so muss es eine Institution geben, die dazu legitimiert ist, die Mittel auf globaler Ebene zu koordinieren. Das könnten beispielsweise die UN sein, denn sie müssen auch die Beiträge von Regierungen, Privatsektor, Zivilgesellschaft und Hochschulen berücksichtigen.


Belay Begashaw ist Direktor des afrikanischen Sustainable-Development-Goals-Zentrums in Kigali, Ruanda.

 

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