Global Governance

Steuern tragen zur Erreichung der SDGs bei

Globale Ziele sind ohne ausreichende Staatsfinanzen unerreichbar. Forscher, die internationalen zivilgesellschaftlichen Organisationen nahestehen, fordern den Aufbau einer globalen Steuerinstitution. Derweil machen Experten von vier multilateralen Organisationen Vorschläge, wie das Geberengagement bei der Förderung von Steuersystemen effizienter gemacht werden kann.
Um die SDGs zu erreichen, ist gute Gesundheitsversorgung nötig – und das erfordert ausreichende öffentliche Finanzierung: Apothekerin in Bangladesch. dem Um die SDGs zu erreichen, ist gute Gesundheitsversorgung nötig – und das erfordert ausreichende öffentliche Finanzierung: Apothekerin in Bangladesch.

Theoretisch könnte eine globale Vermögenssteuer die Finanzierungslücke zur Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) schließen. So urteilen Alex Cobham vom Tax Justice Network und Steven J. Klees von der University of Maryland in einer Studie, die sie für die International Commission on Financing Global Education erstellt haben. Spitzenleute von Oxfam und Action Aid gehörten zum Lenkungsgremium der Studie.

Den Autoren zufolge haben die meisten Länder mit niedrigem Einkommen und der unteren Gruppe mit mittlerem Einkommen ihre Steuereinnahmen bisher nicht maßgeblich erhöht. Sie sehen dafür zwei Gründe:

  • Internationale Organisationen haben für Verbrauchssteuern geworben, aber Steuern auf Einkommen, Gewinne, Vermögen und Kapitalerträge vernachlässigt.
  • Steueroasen ermöglichen Steuervermeidung und einen „Wettlauf nach unten“.

Laut UNESCO brauchen die beiden genannten Ländergruppen zusammen 39 Milliarden Dollar zusätzlich, um die SDGs für Primär- und Sekundärbildung erreichen zu können. Bessere globale Steuerpolitik könnte die Lücke schließen. Cobham und Klees schlagen zwei Lösungen vor:

  • globale Reformen zur Förderung innerstaatlicher Steuereinnahmen und
  • Steuern, die global erhoben werden.

Die Autoren schätzen, Steuereinnahmen in Höhe von 600 Milliarden bis 650 Milliarden Dollar würden jährlich wegen der Steuervermeidungspraktiken multinationaler Konzerne verloren gehen. Das treffe Entwicklungsländer besonders hart. Um Transparenz zu schaffen, sollten Unternehmen gezwungen werden, über Gewinne und Umsätze pro Land zu berichten. Grundsätzlich will das auch die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development), der Dachverband der Gebernationen. Die zivilgesellschaftlichen Autoren erwägen darüber hinaus aber die Einrichtung eines globalen Vermögensregisters.

Die wichtigsten Maßnahmen können nationale Entscheidungsträger laut Cobham und Klees durchsetzen. Zusätzlich fordern sie die Einrichtung einer internationalen Steuerbehörde. Die bestehenden Strukturen begünstigten OECD-Länder (sie­he Mick Moore in E+Z/D+C -Paper 2018/01, S. 25). Eine globale Institution könnte Transparenz erhöhen und den Austausch über Steuerregeln fördern. Optionen sind:

  • eine globale Vermögenssteuer und/oder Maßnahmen zur Unterstützung nationaler Vermögenssteuern und
  • eine globale Finanztransaktionssteuer und/oder Maßnahmen zur Unterstützung regionaler Finanztransaktionssteuern.


Statebuilding und soziale Gerechtigkeit

Die Autoren gehen davon aus, dass eine globale Vermögenssteuer von einem Prozent jährlich die gesamte Finanzierungslücke der SDGs, geschätzte 1,4 Billionen Dollar, schließen könnte. Eine globale Finanztransaktionssteuer könnte bis zu 360 Milliarden Dollar generieren. Cobham und Klees räumen ein, dass globale Steuern sich negativ auf Regierungsführung auswirken könnten, denn funktionsstarke nationale Besteuerung ist kausal mit repräsentativer Demokratie verknüpft. Ein globales System müsste daher transparent und gegenüber der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig sein.

Im Auftrag der G20 hat eine Gruppe von Experten aus multilateralen Organisationen 2016 Vorschläge erarbeitet, wie die externe Unterstützung nationaler Steuersysteme effektiver gemacht werden kann. Wie die zivilgesellschaftlichen Autoren urteilen auch sie, mehr müsse geschehen, damit die SDGs erreicht werden. Allerdings erkennen sie Fortschritte bei der heimischen Ressourcenmobilisierung in Ländern mit niedrigen Einkommen. Der Medianwert für das Verhältnis von Steuereinnahmen zur Wirtschaftsleistung sei in diesen Ländern von rund zehn Prozent Anfang der 1990er Jahre auf 13 Prozent 2013 gestiegen, aber dauerhaftes Wachstum lasse sich kaum mit weniger als 15 Prozent erreichen.

Die Mitglieder des Expertenteams arbeiteten für den Internationalen Währungsfond (IWF), die Weltbank, die OECD und die UN. Ihr Papier formuliert keine offizielle Position der vier internationalen Organisationen, die Autoren betonen jedoch, dass es breiten Konsens widerspiegele. Eine Kernaussage ist: „Starke Steuersysteme sind wesentlich, sowohl um Gerechtigkeit zu schaffen als auch das Statebuilding voranzubringen.“

Sie raten von kurzfristiger Einnahmenmaximierung ab, denn derlei führe oft zu schlechten Verwaltungspraktiken wie etwa der Schikanierung von Steuerzahlern. Nötig seien mittelfristige Strategien, um Reformen über fünf bis zehn Jahre hinweg zu implementieren. Die komplexe Aufgabe erfordere neue politische Konzepte, die Modernisierung der Verwaltung die Verabschiedung neuer Gesetze.

Wie die Autoren feststellen, hängt Erfolg von „enthusiastischer“ nationaler Eigenverantwortung („Ownership“) ab. Geberhandeln scheitere, wenn es nicht genau zur nationalen Politik des Ziellandes passe. Da nationale Eigenverantwortung aber nicht vorausgesetzt werden könne, drängt der Bericht multilaterale und bilaterale Geber dazu, auf solche Eigenverantwortung hinzuarbeiten. Zu diesem Zweck sollen sie Wirtschaftsführer, zivilgesellschaftliche Organisationen und die Medien ansprechen. Wenn die breite Öffentlichkeit Reformen für ungerecht oder unvernünftig halte, könnten diese nicht gelingen.

Der uneingestandene Haken dieser Forderung ist, dass sie nicht nahtlos zu den Prinzipien der wirksamen Entwicklungshilfe passt, wie sie in der Paris Declaration 2005 definiert wurden. Demnach sollen Geber nationale Ownership respektieren, nicht erzeugen. Wenn sie die Souveränität der Partnerregierung akzeptieren, kann es kaum ihre Aufgabe sein, deren Ownership zu erzeugen und zu formen. Sie können sicherlich deren Politik unterstützen, aber schwerlich korrigierend in die Innenpolitik eingreifen.

Geberharmonisierung ist ein weiteres Thema der Pariser Wirksamkeitsagenda. Eine Vielzahl von Geberinstitutionen ist dem Expertenbericht zufolge in den Steuerangelegenheiten von Entwicklungsländern engagiert. 208 einschlägige Programme und 50 Durchführungsorganisationen habe der IWF südlich der Sahara gezählt, wobei im Schnitt fünf bis sechs Agencies pro Land aktiv waren.

Die Autoren urteilen, die Geberkooperation und -koordination sei besser geworden. Als Hauptgrund nennen sie die einheitliche Nutzung innovativer Bench­markingsysteme wie TADAT (Tax Administration Diagnostic Tool) und ISORA (International Survey of Revenue Administrations). Zugleich beklagen sie aber, der Informationsfluss zwischen den Geberinstitutionen hänge sehr von individuellen Netzwerken ab und sei tendenziell zufällig. Die Interaktion müsse systematisiert werden.

Für besonders wertvoll halten die Autoren die Geberzusammenarbeit mit regionalen Initiativen wie dem African Tax Administration Forum (ATAF) oder der Pacific Islands Tax Administrators Association (PITAA). Diese seien sich der Probleme ihrer Weltgegenden bewusst, beflügelten den Informationsaustausch und trügen zu mehr nationaler Eigenverantwortung bei.

Die Experten betonen, die G20 legten seit Jahren Wert darauf, Entwicklungsländer in die internationale Steuerpolitik einzubeziehen. Letztere könnten vom rasanten Wandel des globalen Systems besonders profitieren, denn – so heißt es auch in dieser Studie – sie erlitten „die relativ größten Einnahmeverluste wegen grenzüberschreitender Steuervermeidungsstrategien großer Konzerne“. Dass sich verschiedene Entwicklungsländer einschlägigen Foren und Netzwerken angeschlossen haben, wird begrüßt – aber mit der Warnung verbunden, dass mehr als bloße Mitgliedschaft nötig ist, um solche Strukturen wirkungsvoll zu nutzen.

Typischerweise diskutieren multilaterale Papiere die Interessenskonflikte ihrer Mitgliedsländer nicht. Das ist auch hier der Fall. Das Dokument geht nicht darauf ein, dass Geberregierungen kein unmittelbares Interesse daran haben, dass in ihren Ländern beheimatete multinationale Unternehmen in Entwicklungsländern mehr Steuern zahlen (siehe Dereje Alemayehu in E+Z/D+C e-Paper 2018/01, S. 28, sowie Catherine Ngina Mutava in E+Z/D+C e-Paper 2018/01, S. 30). Darauf weisen die Experten mit ihrer Forderung, Whole-of-Government-Ansätze seien weltweit nötig, nur indirekt hin.


Monika Hellstern ist studentische Hilfskraft in der Redaktion von E+Z/D+C.

Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
euz.editor@fazit-communication.de


Links

Cobham, A., and Klees, S., 2016: Global taxation – Financing education and the other Sustainable Development Goals.
http://www.taxjustice.net/wp-content/uploads/2016/11/Global-Taxation-Financing-Education.pdf

IMF, OECD, UN, World Bank Group, 2016: Enhancing the effectiveness of external support in building tax capacity in developing countries.
http://www.oecd.org/ctp/enhancing-the-effectiveness-of-external-support-in-building-tax-capacity-in-developing-countries.pdf

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