Treibhauseffekt

Gewaltige Emissionen

Tourismus ist eine wichtige Einnahmequelle für viele Entwicklungsländer. Am einfachs­ten ist es, per Flugzeug anzureisen, daher fliegen 40 Prozent der internationalen Urlauber. Einen Haken hat die Sache aber: Der Luftverkehr ist ein wichtiger Verursacher von Treibhausgasen.


[ Von Andrea Herbst ]

Das Gros der Urlauber kommt aus reichen Ländern Europas oder aus den USA, die meisten bleiben in heimatlichen Gefilden. Laut der UN-Welttourismus­organisation UNWTO betrugen die Tourismusumsätze im Jahr 2006 insgesamt 735 Milliarden Dollar. Davon floss aber mehr als ein Viertel – 221 Milliarden – in Entwick­lungsländer. Ähnlich wie der Export von Waren bringt der Tourismus Einkommen, Jobs und Devisen.

Mehr Touristen bedeuten mehr Geld. „In den 50 am wenigsten entwickelten Ländern ist der internationale Tourismus zwischen 2000 und 2007 um 110 Prozent gewachsen“, berichtet die UNWTO. Sie sieht in diesem Sektor „eine der größten Chancen für nachhaltiges Wachstum“ für viele Entwicklungsländer.

Umweltschützer bestreiten jedoch, dass diese Art von Wachstum wirklich nachhaltig ist. Die meisten Touristen kommen mit dem Flugzeug, wodurch erhebliche Mengen an Kohlendioxid freigesetzt werden. Der UNWTO zufolge verursacht Tourismus etwa fünf Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Davon wiederum werden rund 40 Prozent der Luftfahrt zugeschrieben.

Dank Flugzeugen können Menschen heute schnell, einfach und relativ billig weite Reisen unternehmen. Dabei entstehen allerdings Kosten, die weder die Passagiere noch die Fluggesellschaften tragen. Der Grünen-nahen Heinrich Böll Stiftung zufolge verursacht eine Person, die von Deutschland in die Karibik und zurück fliegt, Treibhausgasemissionen mit der Wirkung von vier Tonnen CO2. Zum Vergleich: Vier Tonnen CO2 sind die durchschnittliche jährliche Emissionsmenge pro Kopf der Weltbevölkerung.

Ungewissheiten

Die größten Schwierigkeiten auf der Suche nach Lösungen für das Luftfahrtproblem bereitet die Tatsache, dass bisher nicht wirklich klar ist, welche Auswirkungen das Fliegen auf die Umwelt hat. Flugzeuge können nicht mit Zügen oder Autos verglichen werden, weil sie sich nicht auf der Erdoberfläche bewegen. Sie stoßen Gase direkt in die obere Troposphäre und in die untere Stratosphäre aus. In diesen Sphären verursachen die Schadstoffe die globale Erwärmung. Überschallflieger, die höher fliegen, emittieren direkt in die Stratosphäre.

Flugzeuge pumpen nicht nur CO2 in die Atmosphäre, sondern auch Stickoxide (NOx), Wasserdampf und Ruß. Da das alles in großer Höhe geschieht, ist die Klimawirkung vermutlich besonders groß. Die Details sind aber noch nicht erforscht. Laut einem Bericht des Weltklimarats (IPCC) über Luftfahrt und globale Atmosphäre von 1999 gibt es einen „aviation multiplier“: Es hieß, die Klimawirkung einer Flugreise sei zwei- bis viermal höher als deren Kohlenstoffemissionen.

Der Emissionsmix führt zu erheblichen Ungewissheiten. Wasserdampf etwa, so glauben Wissenschaftler, trägt zum Treibhauseffekt bei – wobei klare empirische Beweise fehlen. Nach dem 11. September 2001 herrschte in den USA drei Tage lang Flugverbot. Forscher fanden heraus, dass ohne die Kondensstreifen der Flugzeuge die Tages- und Nachttemperaturen im Schnitt 1,1 Grad Celsius höher waren. Aber warum das so war und ob das wirklich am Fehlen der Kondensstreifen lag, ist noch nicht ergründet.

Es scheint auch so zu sein, dass die Lösung eines Emissionsproblems andere Probleme verschlimmert. Niedrigere Flughöhen würden zu weniger Kondensstreifen und Stickoxiden führen. Allerdings würde dann mehr Treibstoff verbrannt, sodass auch der CO2-Ausstoß steigen würde. Die EU wird die Luftfahrt von 2012 an in ihrem Emissionshandelssystem (EU ETS) erfassen – aber ohne einen “Flugmultiplikator”.

„Luftverkehr produziert laut IPCC rund zwei Prozent der weltweit von Menschen verursachten CO2-Emissionen“, heißt es auf Enviro.aero, der Webseite der Air Transport Action Group, einer internationalen Lobby-Organisation. Duncan Clark von der britischen Tageszeitung The Guardian warnt, die Zahlen seien irreführend: „In entwickelten Ländern liegt der Anteil der durch das Fliegen verursachten CO2-Emissionen höher.“ Das britische Verkehrsministerium gehe für 2005 von 6,3 Prozent im Vereinigten Königreich aus.

Clark hält aber auch 6,3 Prozent noch für zu nied­rig, denn der „aviation multiplier“ müsse ebenso berücksichtigt werden wie die Emissionen diverser Fahrzeuge, die den Luftverkehr unterstützen. Clark meint, der Flugverkehr trage in Wirklichkeit wahrscheinlich 13 bis 15 Prozent zu den britischen Treibhausgasemissionen bei. Ähnliche Rechnungen ließen sich auch für andere Länder aufstellen. Besonders groß ist der Anteil des Luftverkehrs durch Inlandsflüge in weitflächigen Nationen wie den USA, Kanada oder Russland.

Suche nach Lösungen

Laut Enviro.aero „stehen 80 Prozent der CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr in Zusammenhang mit Langstreckenflügen über mehr als 1500 Kilometer, für die es praktisch keine Alternative gibt“. Da die Nachfrage nicht sinken wird, stellt sich die Frage, wie der Flugverkehr klimafreundlich gemacht werden kann.

Die Probleme sind größer als im Straßenverkehr. Es gibt bereits energieeffiziente Alternativen zu Benzin fressenden Autos, und die Technik wird stetig besser. Flugzeuge verbrauchen aber allein für das Abheben schon eine Menge Energie.

Alternative Energiequellen werden erforscht, es gibt bereits Elektroflugzeuge. Wegen der Motoren und Batterien sind diese Maschinen aber sehr viel schwerer als herkömmliche. Batterien können zudem nur eine begrenzte Menge an Energie speichern – die Elektroflieger haben also nur eine kurze Reichweite.

Ob Strom überhaupt umweltfreundlich ist, hängt zudem davon ab, wie er generiert wird. Wenn fossile Brennstoffe genutzt werden, gibt es keinen fundamentalen Unterschied zur Verbrennung in Flugzeugmotoren. Kernenergie ist CO2-frei, produziert aber radioaktiven Müll, der über Jahrtausende sicher gelagert werden muss.

Biotreibstoffe scheinen eine Option zu sein. Aber um genug Treibstoff für Flugreisen herzustellen, werden Unmengen an Soja oder Mais gebraucht. In einer Welt, in der eine Milliarde Menschen nicht genug zu essen haben, ist es inakzeptabel, Lebensmittel für die Treibstoffherstellung zu verwenden.

Es wurde auch vorgeschlagen, Flugemissionen durch Aufforstung zu kompensieren. Das ist aber kein Mittel, das direkt mit Luftfahrt zu tun hätte. Zudem sind Wald- und Landnutzungsfragen in der internationalen Klimapolitik ohnehin schon heiße Themen. Auf diesem Weg alle Flugemissionen zu kompensieren, wäre nur dann möglich, wenn mehr Land bereitgestellt würde.

Alles in allem spiegelt die Debatte über das Drosseln der Flugemissionen die allgemeine Klimadebatte wider. Menschen aus Entwicklungsländern fragen sich, warum sie sich um Umweltschutz kümmern sollen, obwohl doch die reiche Welt zum Wohlstand gefunden hat, ohne sich darum zu scheren. Solange die führenden Ökonomien nichts dafür tun, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren, können sie kaum von anderen Ländern erwarten, dass sie handeln.

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