Mittel- und Nordamerika

Auf der Suche nach besseren Chancen

Weltweit fliehen Menschen vor Armut, schlechten Jobchancen und Gewalt ins Ausland. Mehr als zehn Prozent der Menschen aus Guatemala sind bereits in die USA ausge­wandert. Die meisten haben keinen Ausweis. Migration ohne Papiere ist für Frauen besonders gefährlich, denn sie haben mit Misshandlung und finanzieller Not am Zielort zu kämpfen.


Von Ana Silvia Monzón Monterroso

Früher wurden lateinamerikanische Frauen in allen Sphären des sozialen Lebens diskriminiert, ob in der Bildung, der Politik oder auf dem Arbeitsmarkt. Doch in den letzten Jahrzehnten haben sie sich einige Verbesserungen erkämpft. Heute haben Frauen besseren Zugang zu Bildung und mehr Möglichkeiten für politische Partizipation. Trotzdem bleiben Hindernisse auf dem Arbeitsmarkt bestehen.

In Guatemala, wie auch überall sonst auf der Welt, arbeiten mehr Frauen als Männer im informellen Sektor. Die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich sind schlecht, die Bezahlung ist gering und es gibt keinerlei soziale Absicherung wie Kranken-, Arbeitslosen- oder Rentenversicherungen. Laut dem guatemaltekischen Präsidentschaftssekretariat für Planung haben nur 37 Prozent der Frauen in Guatemala einen formellen, bezahlten Job. Bei den Männern liegt der Anteil bei 67 Prozent. Da Frauen außerdem oft für den Haushalt zuständig sind, leiden viele von ihnen unter zu hoher Arbeitslast. Dies beeinträchtigt ihre Gesundheit und senkt ihre beruflichen Aufstiegschancen.

Frauen werden häufig Opfer von Gewalt – sowohl auf der Arbeit als auch zu Hause. Außerdem gibt es viele alleinerziehende Mütter. Die Frauen wollen sich gut um ihre Kinder kümmern, finden aber in ihrem Heimatland keinen anständigen Job. Deswegen erwägen viele von ihnen, ins Ausland zu gehen.

Gefährliche Reise

Steigende Migration überall auf der Welt ist ein Zeichen unserer Zeit. Millionen von Menschen verlassen ihre Heimat auf der Suche nach neuen Möglichkeiten. Sie brauchen ein Einkommen, mit dem sie und ihre Familie überleben können. Tausende Menschen aus Guatemala, Frauen und Kinder eingeschlossen, immigrieren jährlich nach Südmexiko und ziehen oft von dort weiter in die USA. Der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge lebten 2008 bereits mehr als 1,5 Millionen Guatemalteken – also zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung – in den USA. Darunter sind 400 000 Frauen. Viele Migranten hoffen, auf mexikanischen Kaffeeplantagen oder anderswo in der Landwirtschaft Jobs zu finden. Vor allem junge Frauen arbeiten oft als Hausangestellte in den Städten.

Der Großteil der Migranten reist ohne Papiere die vielen tausend Kilometer durch mexikanisches Gebiet. Sie sind den verschiedensten Gefahren ausgesetzt – von harten Wetterlagen wie extremer Hitze oder Kälte bis hin zu Menschenrechtsverletzungen oder Verbrechen wie Raub, Kidnapping, Erpressung und sogar Mord. Tausende Frauen und Mädchen sind sexueller Misshandlung und Vergewaltigungen ausgeliefert. Die Täter sind Mitglieder von Gangs oder dem organisierten Verbrechen, Menschenhändler, Arbeitgeber und Mitarbeiter von Regierungsbehörden.

Jenseits der Grenzen

Frauen, die es geschafft haben, die Grenze zu überqueren, sehen sich erneut einer feindlichen Situation gegenüber. Die meisten von ihnen bekommen nur unsichere Jobs mit schlechten Arbeitsbedingungen. Sie arbeiten in der Landwirtschaft, als Dienstmädchen in Haushalten oder nehmen Jobs in Fabriken an, wo sie unter äußerst strapaziösen Bedingungen stundenlang arbeiten, was stark an Sklaverei erinnert. Das mickrige Einkommen der Migrantinnen muss reichen, um ihre eigenen Grundbedürfnisse zu decken und Geld an die Familie im Heimatland zu überweisen. Deswegen nehmen die meisten zwei oder drei Jobs gleichzeitig an. Von den 400 000 guatemaltekischen Frauen, die in den USA leben, senden 330 000 Geld an ihre Familien.

Die Mehrheit dieser Frauen hat keine Papiere. Sie leben in der ständigen Angst, erwischt und abgeschoben zu werden. Das würde ihren Traum von einem besseren Leben für sich und ihre Familien zerstören. Nach meinen Berechnungen auf Basis der IOM-Daten sind nur 25 Prozent der Frauen auf legalem Weg in die USA eingereist und können auch problemlos wieder nach Hause reisen, wohingegen 75 Prozent keine Papiere haben.

Sie alle müssen lernen, in einer neuen Umgebung zu leben, wo Bräuche, Sprache und Lebensrhythmus sich von zu Hause unterscheiden. Sie müssen mit Isolation und Heimweh fertig werden, aber auch mit wachsendem Rassismus und offener Diskriminierung in den USA.

Ironischerweise enden viele der Migrantinnen, die vor der Gewalt in ihrem Dorf oder ihrer Familie geflohen sind, erneut als Opfer häuslicher Gewalt. Da sie kaum Englisch sprechen und die US-Gesetze nicht kennen, bewahren sie Schweigen über den täglichen Missbrauch und begegnen den Aggressionen allein. Die Gewalt und die Arbeitsbelastung verschlechtern ihre physische, mentale, sexuelle und emotionale Gesundheit. Das sind die versteckten Kosten der Migration.

Aber die negativen Auswirkungen von Migration spüren nicht nur jene, die ihre Heimat verlassen haben. Frauen, deren Partner auswandern, werden alleinerziehende Mütter und müssen ihre Kinder sowie die älteren Familienmitglieder allein durchbringen. Viel zu häufig lassen die Ehemänner ihre Familien sitzen und überweisen kein Geld mehr. Als Konsequenz müssen die Frauen noch mehr arbeiten, um für ihre Familien aufzukommen. Aber es gibt auch Fälle, in denen die Männer ihre Frauen selbst aus dem Ausland noch kontrollieren und Druck auf sie ausüben.

Für Frauen ist Migration immer schwer – ob sie nun selbst die Heimat verlassen oder ihre Ehemänner. Sie führen danach einen harten Kampf ums Überleben. Das Bild ist trostlos. Trotzdem gibt es einzelne Frauen, die hervorstechen. Ihr enormer finanzieller Beitrag zum Lebensunterhalt ihrer Familie und zur Wirtschaft ihres Landes verdient Anerkennung. Außerdem setzen sie sich öffentlich für die Rechte von Migrantinnen ein und geben damit den Ungerechtigkeiten, denen sie ausgesetzt sind, eine Stimme.

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