Umweltschutz

Landwirtschaftliches Potenzial

Der weltweite Hunger und der globale Klimawandel stellen die Politik vor zwei große Aufgaben. Landwirtschaft und die Nahrungsmittelindustrie spielen dabei laut einer Studie der Deutschen Bank die Hauptrollen.

14 Prozent aller klimaschädlichen Gase entstehen in der Landwirtschaft, wie die im September veröffentlichte Studie „Mitigating climate change through agriculture“ von Deutsche Bank Research feststellt. Wenn auch Rodungen statistisch mitzählen, liegt die Quote noch höher. Drei Viertel aller landwirtschaftlichen Emissionen entstünden dabei in einkommensschwachen Ländern. Der Anteil werde weiter zunehmen – erstens wegen des Anstiegs der Weltbevölkerung, zweitens wegen wachsender Einkommen und veränderter Konsumgewohnheiten in den Entwicklungsländern.

Um die wachsende Weltbevölkerung zu versorgen, reicht es nicht, einfach nur mehr Lebensmittel zu produzieren. Auch der Verlust von Nahrungsmitteln muss laut Experten verringert werden (siehe auch Interview mit Rashad Kaldany auf Seite 392): Neueren Studien zufolge wird ein Drittel der für Menschen weltweit produzierten Nahrungsmittel nicht verzehrt, sondern weggeworfen. Das heißt auch, dass bei der Produktion freigesetzte Treibhausgase völlig sinnlos entstehen. Hinzu kommt, dass die Verrottung das Treib­hausgas Methan freisetzt. Für diese Dinge müsse in der Bevölkerung ein Bewusstsein geschaffen werden – besonders in den Industriestaaten, wo das meiste Essen verloren gehe, fordert die DB-Research-Autorin Claire Schaffnit-Chatterjee. Auch der wachsende Einsatz von Biokraftstoffen gefährde unsere Nahrungsmittelsicherheit: Denn um Ökosprit zu erzeugen, gehe oftmals Anbauland für Nahrungspflanzen verloren.

Land- und Forstwirtschaft könnten entscheidend dabei helfen, den Klimawandel zu bremsen, betont die Autorin. Zusammen bilden sie rund ein Drittel des gesamten Einsparpotentials, das nötig wäre, um den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen. Einsparungen im Agrarbereich sind, wie die Studie ausführt, zudem schneller durchzusetzen und erzeugen weniger Kosten als beispielsweise Effizienzverbesserungen im Energiesektor. Dieser sei zwar wichtig, die meisten technischen Lösungen aber noch nicht ausgereift. Außerdem erlaubten Land- und Forstwirtschaft, sogar in die Atmosphäre ausgestoßenes Kohlendioxid wieder zu binden.

Doch um dieses Potenzial zu nutzen, müssen Politiker handeln. Die Studie der Deutschen Bank nennt als mögliche Schritte zum Beispiel Emissionsgrenzwerte für Landwirte sowie Marktanreize – etwa durch Steuern auf den CO2-Ausstoß. Obendrein könne Verbraucheraufklärung zu Marktdruck führen, der eine vernünftige Agrar- und Forstwirtschaft fördere. Hinzu kämen dann noch freiwillige Maßnahmen durch Corporate Social Responsibility. Damit solche Maßnahmen wirklich fruchteten, sei vor allem politische Kohärenz gefragt, heißt es in dem Dokument.

Wichtige Aufgaben

Der Nahrungsmittelindustrie kommt laut Schaffnit-Chatterjee eine tragende Rolle zu, da sie beeinflusst, welche Getreide­sorten angebaut werden und welche Lebensmittel in welcher Qualität auf den Markt kommen. Es bestehe die Möglichkeit, Nahrung in Zukunft klimafreundlicher anzubieten, indem beispielsweise tierische Proteine durch pflanzliche ersetzt würden. Multinationale Nahrungskonzerne gingen dazu über, ihren ökologischen Fußabdruck zu messen, doch fehle es an vergleichbaren Standards und Vorgaben.

Um die Probleme anzugehen, brauchen die Akteure außerdem neue Finanzierungsformen. Diese könnten entweder marktbasiert sein oder von der öffentlichen Hand ausgehen, schreibt Schaffnit-Chatterjee. Wichtig sei aber, dass sich dabei Arbeitsbedingungen für Bauern verbesserten und die Transaktionskosten sänken. Außerdem müssten die finan­ziellen Mittel alle Produzenten ansprechen – auch Kleinbauern. Das Kapital für solche Schritte könnten global agierende Finanzinstitute bereitstellen.

Die Studie kritisiert, dass bisher keine kosteneffektive Kontrolle der Land­wirtschaft durchgeführt wird. Zudem wird bemängelt, dass die Agrarprogramme vieler Regierungen noch immer Großbauern bevorzugen. Um den Klimawandel einzudämmen, müsse vor allem die klein­bäuerliche Agrarwirtschaft der Entwicklungsländer umgesteuert werden, meint Schaffnit-Chatterjee.

Merle Becker

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