Demokratie

Der plötzliche Sturz von Bangladeschs autoritärer Premierministerin

Sheikh Hasina, die länger an Bangladeschs Regierungsspitze stand als alle anderen vor ihr, ist am 5. August zurückgetreten. Nach blutigen Protesten mit rund 800 Toten einschließlich 70 Minderjähriger war das unvermeidlich.
Demonstrant am 4. August in Dhaka.  picture-alliance/ZUMAPRESS.com/Abu Sufian Jewel Demonstrant am 4. August in Dhaka.

Im Juli demonstrierten Studierende für Chancengleichheit im öffentlichen Dienst Bangladeschs. Dort gab es eine 30-Prozent-Quote für die Nachkommen von Freiheitskämpfer*innen im Unabhängigkeitskrieg gegen Pakistan im Jahr 1971. Weitere 26 Prozent der Stellen waren für andere Gruppen, wie etwa Frauen, reserviert. Auf Qualifikation kam es also nur bei dem Rest an. In einem Land mit hoher Arbeitslosigkeit war das unhaltbar.

Tatsächlich hatte Hasina die Quoten 2018 nach damaligen Protesten schon einmal abgeschafft. Nachfahren von Freiheitskämpfer*innen zogen aber vor Gericht, und der High Court setzte das Quotensystem wieder in Kraft. Als es nun wieder Demonstrationen gab, entschloss sich Hasinas Partei, die Awami League, für eine harte Repression des ursprünglich friedlichen Aktivismus.

Blutiger Juli

Am 14. Juli fragte Hasina sarkastisch, ob es Quoten auch für die Nachfahren von Kollaborateur*innen mit der pakistanischen Armee geben sollte. Studierende antworteten entsprechend sarkastisch, sie stammten alle von Kollaborateur*innen ab. Die Repression wurde noch härter.

Am 19. Juli wurde eine Ausgangssperre verhängt, aber nicht eingehalten. Die Armee wurde in Marsch gesetzt und ein Schießbefehl erlassen. Täglich starben in nächsten Zeit 70 bis 80 Menschen.

Am 21. Juli setzte die Berufungsinstanz des High Court die Quotenregelung wieder außer Kraft. Dennoch wurde weiter demonstriert. Die Forderung war nun Gerechtigkeit für die Toten. Eltern stiegen ein, und die breite Öffentlichkeit machte mit. Die Todeszahlen stiegen.

Als am 5. August eine Demonstration mit millionenfacher Beteiligung in der Hauptstadt Dhaka erwartet wurde, weigerte sich die Armee, das Blutbad fortzusetzen. Hasina wurden 45 Minuten für den Rücktritt gegeben, und ihr Sohn Joy half, sie zu dem Schritt zu bewegen. Sie floh nach Indien, dessen Regierung ihr zunehmend autoritäres Regime stets unterstützt hatte.

Am 8. August wurde eine Übergangsregierung gebildet – unter der Leitung von Mohammed Yunus, dem Friedensnobelpreisträger, der mit der Grameen Bank Kleinsparprogramme entwickelt hatte. Dass die studentische Protestführung ihn wollte, zeigt, dass sie sich Pragmatismus wünscht. Fest steht jedenfalls, dass sie breite gesellschaftliche Unterstützung hat.

Hasinas Biografie  

Hasina ist die Tochter von Sheikh Mujibur Rahman, der Bangladesch 1971 in die Freiheit führte. Er und seine gesamte Familie wurden aber 1975 bei einem Militärputsch ermordet. Nur Hasina und eine Schwester überlebten im Ausland. Mujib hatte das Land zu einem Einparteienstaat unter der Führung seiner Awami League gemacht. Hasina blieb jahrelang im Exil, kehrte später heim und übernahm 1981 die Leitung der Partei.

1996 wurde sie erstmals Premierministerin in einer freien Wahl mit mehreren Parteien. 2008 kehrte sie an die Macht zurück, nachdem sie Wahlen gewonnen hatte, die eine Übergangsregierung organisiert hatte. Dann schaffte sie die Verfassungsregel ab, die Übergangsregierungen mit dieser Aufgabe betraut hatte. Dank Wahlmanipulationen blieb sie fortan im Amt.

Ihr Regime war autokratisch und gab niemandem Rechenschaft. Es war für grenzenlose Korruption und Geldwäsche im Ausland bekannt.

Viele sprechen nun von der zweiten Befreiung nach dem Unabhängigkeitskrieg. Es beunruhigt aber, dass randalierende Mobs Hasinas Heim verwüstet haben und verschiedene historisch wichtige Gebäude nicht schonen. Dass es zudem Ausschreitungen gegen Hindus gab, verstört noch mehr.

Wie geht es weiter? 

Das Land steht vor einer ungewissen Zukunft. Polizei und Justiz funktionieren nicht richtig. Verheerende Hochwasser überschwemmen Teile des Landes. Allerdings sind die Leute resilient und wollen eine bessere Zukunft.

Yunus hat freie und faire Wahlen angekündigt, aber noch keinen Termin. Die wichtigste Aufgabe der Übergangsregierung ist vermutlich, mindestens eine glaubwürdige und breitenwirksame Partei mit einem echten Entwicklungsprogramm zu gründen. Andernfalls dürfte die BNP wieder an die Macht kommen, die ewige Gegenspielerin der Awami League. Ihr Ruf ist leider nur geringfügig besser.

Ridwanul Hoque ist ein ehemaliger Juraprofessor der Universität Dhaka.
ridwandulaw@gmail.com

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