Post-Konflikt-Länder

Vertrauen wiederherstellen

Friedenskonsolidierung hat viele Facetten. Für Peter Tibi, einen erfahrenen Mediator aus dem Südsudan, sind bestimmte Faktoren zu beachten.
Wasserträger in Terakeka, Südsudan, mit zum Verkauf angebotenen Kanistern mit Nilwasser. my Wasserträger in Terakeka, Südsudan, mit zum Verkauf angebotenen Kanistern mit Nilwasser.

Wie wir bereits in der vergangenen Ausgabe dargestellt haben, ist der Südsudan in einen Gewaltkonflikt zurückgefallen, weil der Friedensprozess nicht vernünftig umgesetzt wurde. Der Erfolg hängt von folgenden fünf Faktoren ab:

Versöhnung
Gewaltkonflikte zerstören Werte und Beziehungsgeflechte. Diese können ohne Versöhnung nicht wiederhergestellt werden. Ein Neuanfang gelingt jedoch nur, wenn die Fehler der Vergangenheit anerkannt werden. Auch Misstrauen gegenüber alltäglichen Interaktionen fördert dysfunktionale Beziehungen. Für den Wiederaufbau einer Gemeinschaft müssen die Ängste des Einzelnen überwunden werden. Gemeinschaften, die Gewalt erlebt haben, brauchen ein neues Sicherheitsgefühl, und dazu bedarf es eines sozialen Fundaments. Um zum Alltag zurückzukehren, muss ein Umgang mit Paranoia und irrationalem Verhalten gefunden werden. Zerstörtes Vertrauen kann durch die Wiederherstellung von Moral zurückgewonnen werden. Ohne Versöhnung besteht die Gefahr, dass Misstrauen und Feindschaft den politischen Prozess behindern.

Wirtschaftliche Entwicklung
Um die Wunden eines Krieges zu heilen, ist die wirtschaftliche Entwicklung von wesentlicher Bedeutung. Sie trägt zur Verbesserung der Lebensumstände und somit des menschlichen Wohlbefindens bei. Nach einem Krieg müssen soziale Ungerechtigkeiten verringert werden, denn sie sind die Hauptursache für Gewaltkonflikte. Fehlendes Humankapital, zerstörte Infrastruktur und Umweltzerstörungen, die mit Kriegen einhergehen, behindern jedoch die wirtschaftliche Entwicklung. Zudem sind viele Staaten wegen hoher Militärausgaben verschuldet. Der Wiederaufbau von Verkehrs- und Kommunikationsnetzen, des Gesundheits- und Bildungssektors, von Banken und der Landwirtschaft braucht Zeit. Hohe nominelle Wachstumsraten genügen nicht, denn Entwicklung muss allen Menschen zugutekommen.

Stärkung lokaler Strukturen
Parlamentswahlen und andere formelle Verfahren sind weit entfernt vom Alltag der Menschen. Dasselbe gilt für neu eingerichtete staatliche Institutionen. Nicht die Dominanz von Behörden führt zu einem dauerhaften Frieden, sondern die Stärkung der Zivilgesellschaft auf lokaler Ebene. Denn dies trägt dazu bei, repressive Strukturen zu verändern. Viele Sorgen der Menschen können nur in deren unmittelbarem Umfeld gelöst werden, deshalb dient eine Stärkung der lokalen Ebene auch dem sozialen Frieden. Menschliche Entwicklung hilft beim Aufbau der Zivilgesellschaft und dient dem Überleben von Gemeinschaften.

Sozialer Wiederaufbau
Soziale Stabilität kann durch die Stärkung von Netzwerken und kulturellen Traditionen, die Frieden und Gerechtigkeit befördern, verbessert werden. Dabei muss es eine Koordinierung auf der nationalstaatlichen und der gemeinschaftlichen Ebene geben. Feindliche Beziehungen können durch den Abbau von Ungleichheiten verbessert werden. Bei der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung ist der Begriff der breit angelegten Partizipation wichtig. Individuen und Gruppen, die zuvor benachteiligt waren, müssen in Entscheidungsprozesse einbezogen werden.

Menschenrechte
Die Verbesserung der Menschenrechtssituation ist entscheidend für den Aufbau einer Zivilgesellschaft. Öffentliches Vertrauen kann nur entstehen, wenn Grundrechte garantiert werden. Denn Ungerechtigkeiten und Unterdrückung werden oft mit religiösen Autoritäten oder politischen und militärischen Doktrinen in Verbindung gebracht.


Reverend Peter Tibi ist ein erfahrener Friedensmediator. Er leitet die zivilgesellschaftliche Organisation Reconcile International im südsudanesischen Yei.
ptibi@reconcile-int.org
http://www.reconcile-int.org

 

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