Südafrika

Wohlstand dank Einwanderer

Südafrika ist das wichtigste Einwanderungsland auf dem afrikanischen Kontinent. Seit Jahrhunderten sind Gesellschaft, Bildung, Religion und Kultur und auch die Arbeitswelt des Landes durch Migration geprägt.
Protestmarsch gegen Fremdenfeindlichkeit im März 2017 im südafrikanischen Johannesburg. Ihsaan Haffejee/picture-alliance/AA Protestmarsch gegen Fremdenfeindlichkeit im März 2017 im südafrikanischen Johannesburg.

Afrikanische Migrantinnen und Migranten zieht es keineswegs nur nach Europa. Im Gegenteil: Seit Jahrhunderten gibt es Wanderungsbewegungen zwischen verschiedenen Regionen Afrikas. Aber auch Menschen aus anderen Kontinenten migrieren in den Süden Afrikas. Wie sich diese Wanderungsbewegungen auf die südafrikanische Gesellschaft und Wirtschaft auswirkten, analysiert die Ethnologin Rita Schäfer in ihrem kürzlich erschienenen Buch „Migration und Neuanfang in Südafrika“.

Demzufolge kamen die ersten Europäer, niederländische Siedler, 1652 ans Kap. Sie sollten im Auftrag der niederländischen Handelsgesellschaft Vereinigte Ostindische Kompanie eine Versorgungsstation aufbauen. Um ihre Matrosen, die für den lukrativen Gewürzhandel mit Indien im Einsatz waren, mit Lebensmitteln versorgen zu können, holten sie laut Schäfer Sklaven von den Küsten des Indischen Ozeans und aus ihrem damaligen Kolonialgebiet, dem heutigen Indonesien.

Kurz nach den Niederländern siedelten sich zahlreiche der in Frankreich reli­giös verfolgten Hugenotten in Südafrika an. Auch sie beschäftigten Schäfer zufolge Sklaven und Zwangsarbeiter in ihrem lukrativen Wein- und Obstanbau. Sexualisierte Gewalt und Rassismus seien weit verbreitet gewesen. Die Farmen wurden zum Mikrokosmos, in dem sich die rassistische Gesellschaftsordnung Südafrikas herausbildete und über Generationen fortsetzte.

Schäfer zeigt auf, wie im Lauf der Geschichte immer wieder ökonomische Planung mit Steuerung von Migrationsprozessen einherging. Arbeitskräfte wurden gezielt für Landwirtschaft, Kohle-, Gold- oder Diamantenbergbau rekrutiert. So schufteten Vertragsarbeiter aus Indien unter miserablen Bedingungen auf den Zuckerrohrplantagen des Landes. Chinesische Vertragsarbeiter wurden in den gefährlichen Goldminen am Witwatersrand ausgebeutet. Wanderarbeiter aus Mosambik und Lesotho bauten Gold und Kohle ab und schufen damit die Basis für die rasante Industrialisierung in Südafrika. Auf der Suche nach einem besseren Leben kamen laut Schäfer auch Händler aus Indien, Taiwan und China.

Immer wieder kam es zu Protesten gegen unmenschliche Bedingungen, Gewerkschaften riefen erfolgreich zu Streiks auf, wie die Autorin schreibt. Ende des 19. Jahrhunderts organisierte der indische Rechtsanwalt Mahatma Gandhi, der als Freiheitskämpfer in Indien bekannt ist und damals in Südafrika arbeitete, gewaltlose Proteste gegen diskriminierende Gesetze in Südafrika. Er entwickelte dort sein Konzept des zivilen Ungehorsams, das er später in Indien anwandte.

Während des Apartheidregimes (1948–1994) beanspruchten die weißen Südafrikaner die Vorherrschaft über alle anderen Rassen. In der Zeit war die staatliche Kon­trolle über Migranten laut Schäfer ein zentrales Interesse. Unterkünfte und Wohnbezirke wurden strukturell nach Hautfarben und Herkunft der Arbeiter geplant. Strikte Vorschriften und rassistische Gesetze regulierten das gesamte Leben der nichtweißen Bevölkerung – nicht nur das der Einwanderer, sondern auch das der schwarzen Urbevölkerung. Während der Apartheid wurden mehr als 3,5 Millionen Menschen mit brachialer Gewalt zwangsumgesiedelt und rigoros enteignet. Dabei hätten gerade die Migranten und Wanderarbeiter die wirtschaftliche Entwicklung und die Blüte des Landes überhaupt erst möglich gemacht, betont Schäfer.

1994 kam die politischen Wende mit dem Ende der Apartheid. In die unter Präsident Nelson Mandela verabschiedete neue Verfassung Südafrikas setzten viele Südafrikaner und Einwanderer große Hoffnung, so die Autorin. Bürgerkriegsflüchtlinge aus Mosambik, Simbabwer auf der Flucht vor politischer Verfolgung und wirtschaft­lichem Niedergang und viele Menschen anderer Länder versuchten sich in Südafrika eine neue Existenz aufzubauen. Südafrika wird wegen seiner vielen unterschied­lichen Volksgruppen als Regenbogennation bezeichnet. Leider verläuft das Zusammenleben nicht so harmonisch wie erhofft. Menschen anderer Herkunft werden in Südafrika – wie vielerorts auf der Welt – immer wieder als Sündenböcke für verfehlte Politik missbraucht und sind vielfach xenophober Gewalt ausgesetzt.


Buch
Schäfer, R., 2019: Migration und Neuanfang in Südafrika. Geschichte und Gegenwart von Einwanderung, Asyl und Wanderarbeit. Frankfurt a. M., Brandes & Apsel.

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