Soziale Medien

Duterte stützt sich auf hunderttausende Online-Trolle

Einem alten Spruch zufolge erfordern Wahlerfolge auf den Philippinen drei „Gs“: Gewehre, Gauner und Gold (guns, goons and gold). Nun gehört noch ein „T“ für Trolle dazu.
Protest gegen Facebook 2019 in Manila. picture-alliance/AP Photo/Bullit Marquez Protest gegen Facebook 2019 in Manila.

Vor fünf Jahren halfen zehntausende Facebook-Trolle Rodrigo Duterte, mit einem Stimmenanteil von 39 Prozent die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen (siehe meinen Beitrag auf der E+Z/D+C-Plattform). Er ist für Gewalt berüchtigt, denn Mordkommandos prägten seine Amtszeit als Bürgermeister in Davao. Dennoch stellte Internetpropaganda ihn als Retter der Nation dar. Das gelang, weil:

  • Facebook – genutzt von 80 % der 110 Millionen Menschen auf den Philippinen – zum Alltag gehört und
  • das Unternehmen allen vor der Wahl freien Internet-Netzzugang schenkte, die Nauf seiner Plattform blieben.

Das Geschenk war vergiftet. Falschinformation von Trollen ist heute normal. Duterte hat sogar einer „Influencerin“ mit einer 4-Millionen-starken Facebook-Gefolgschaft mehrere lukrative Posten gegeben. Ihr Spitzname „Queen of Fake News“ benennt ihre Hauptqualifikation. Heute beherrschen hunderttausende von Duterte-Trollen Facebook. Sie nennen sich „Duterte Diehard Supporters” („unverwüstliche Duterte-Unterstützer”), wobei sie das Kürzel DDS umdefinieren. Ursprünglich stand es für Davao Death Squads (Davao Todesschwadronen).

Wer die Regierung kritisiert, wird angegriffen. Auf Facebook, Twitter und YouTube tobt ein permanenter Sturm der Entrüstung. Trolle werfen oppositionellen Abgeordneten, Menschenrechtsengagierten sowie professionell juristisch oder journalistisch Arbeitenden „Kommunismus“ vor. Häufig folgen körperliche Angriffe durch Sicherheitskräfte oder Privatleute. Es gab schon Todesopfer.

Die Trolle mobilisieren innerhalb von Minuten Gleichgesinnte. Sie unterhöhlen das Vertrauen in die Presse, erfinden Geschichten und verbreiten regierungsamtliche Falschmeldungen.

Vor fünf Jahren kam Dutertes digitale Desinformation überraschend. Er war 71 Jahre alt, und ob er überhaupt wusste, was Facebook ist, war nicht klar. Vermutlich stützte er sich jedoch auf Expertenrat. Alexander Nix von der für digitale Meinungsmanipulation berüchtigten Firma Cambridge Analytica traf sich 2015 mit drei Männern in Manila. Einer wurde später Dutertes Direktor für soziale Medien, einer sein Wahlkampfsprecher, und der Dritte wurde ins staatliche Informationsamt berufen.

Testlauf für Trump und Brexit

Auf den Philippinen teste Cambridge Analytica laut Whistleblower Christopher Wylie Propagandamethoden, die 2016 dann auch zur Unterstützung von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen sowie des britischen Austritts aus der EU beim Referendum eingesetzt wurden. Die Philippinen kam das teuer zu stehen. Human Rights Watch zufolge sind wegen Dutertes angeblichem Krieg gegen Drogen mittlerweile rund 12 000 Menschen gestorben. Andere gehen sogar von 30 000 Toten aus. Der Internationale Strafgerichtshof lässt deshalb gegen Duterte ermitteln. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.

Propaganda und Desinformation gibt es seit Generationen, aber soziale Medien erleichtern die Organisation und verbilligen die Umsetzung. Große Internetplattformen dulden Trolle, weil ihre Werbeeinnahmen davon abhängen, wie lange Besuchende auf ihren Seiten bleiben. Ärger und Wut halten Menschen am Bildschirm fest. Facebook sei nicht dazu optimiert, Menschen glücklich zu machen, schreibt der Schriftsteller Cory Doctorow, sondern sie beschäftigt zu halten.

Das ist ein internationales Problem. Kürzlich warnte die Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen, gegen Lügenpropaganda müsse zügig gehandelt werden. Andernfalls würden sich die Erstürmung des Kapitols in Washington am 6. Januar sowie genozidale Gewalt in Myanmar und Äthiopien nur als Auftakt zu Schlimmerem Protest gegen Facebook 2019 in Manila. erweisen.

Auf den Philippinen hat Facebook Besserung versprochen. Das Unternehmen hat zugegeben, dass Cambridge Analytica Daten von 1,17 Millionen Nutzenden stahl. Es hat erfundene Profile gelöscht und eingeräumt, dass das Militär Desinformationsseiten betrieb. Die DDS-Trolle sind aber unvermindert aktiv. Aggression und Einschüchterung gehen weiter.


Alan C. Robles ist freier Journalist und lebt in Manila.
Twitter: https://twitter.com/hotmanila

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